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Was wurde aus dem Römischen Weltreich? Neue Erkenntnisse der Archäologen sprechen für ein gewaltsames, abruptes Ende. Sie erschüttern damit die These vieler Historiker, die einen kontinuierlichen Übergang von der Römerzeit ins Mittelalter annehmen.

Produktbeschreibung
Was wurde aus dem Römischen Weltreich? Neue Erkenntnisse der Archäologen sprechen für ein gewaltsames, abruptes Ende. Sie erschüttern damit die These vieler Historiker, die einen kontinuierlichen Übergang von der Römerzeit ins Mittelalter annehmen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2007

Plünderung und Vergewaltigung
Ohne Weichspüler: Bryan Ward-Perkins über die Spätantike

Wenn Debatten eingeschlafen sind, bietet sich mitunter die Chance, den lange hin und her gewendeten Gegenstand in neuem Licht zu sehen. Niemand wird mehr den Aberhunderten von Erklärungen für den "Fall Roms" im fünften Jahrhundert nach Christus weitere hinzufügen wollen, und der ebenso zutreffende wie lahme Hinweis, es handele sich dabei um ein komplexes, multifaktorelles Geschehen, taugt allenfalls fürs Oberseminar.

Originell war dagegen, der Frage schlicht ihre Berechtigung abzusprechen. Die Geschichte kenne keine Abbrüche, nur Umformungen und Neugestaltungen, so die Prämisse der neuen Richtung. Forscher wie Peter Brown und Glen Bowersock (F.A.Z vom 13. März) haben uns die Kreativität, Spiritualität und Vielfalt der Spätantike sehen gelehrt. Sie interessierten sich dabei vor allem für den Osten, wo das staatliche Gehäuse in Gestalt des Byzantinischen Reiches fortbestand und die Städte einen lebendigen Raum für die Transformationen zwischen 250 und 800 abgeben konnten.

Bryan Ward-Perkins hat dagegen jetzt eine fulminante Einrede vorgelegt. Im letzten Kapitel seines Buches skizziert er zugespitzt den Zeitgeist, dem die neue kulturalistische Orthodoxie der Spätantikeforscher verpflichtet ist. Ein in Harvard konzipiertes, repräsentatives Handbuch zur Epoche bietet Einträge zu Engeln und Gebet, nicht aber zu den Westgoten und dem Prätorianerpräfekten. Und auf dem Alten Kontinent ist der "Euro-Barbar" zu einem Untermieter geworden, der sich willig in die Zivilisationsgemeinschaft einfügt und schrittweise in die Aufgaben eines lateinisch-germanisch-europäischen Hausbesitzers hineinwächst. Eine Illustration in der vor zwei Jahren erschienenen Originalausgabe des Buches zeigt einen germanischen Kriegerfürsten, den der Zeichner zum gütig-weltweisen Großvater weichgespült hat; sie wurde in der Übersetzung leider weggelassen.

Ward-Perkins selbst stellt demgegenüber die Spätantike wieder als ein eisernes Zeitalter vor. Die Zeugnisse der Zeitgenossen, die von Plünderungen, Vergewaltigungen und Exzessen jeder Art von Gewalt berichten, nimmt er ernst, ohne sich indes eine simple Gegenüberstellung von Tätern und Opfern, barbarischen Germanen und dekadenten Römern zu eigen zu machen. Die Zeiten, in denen Historiker sich mit einer der beiden Seiten identifizieren konnten, liegen lange hinter uns; die langen Ketten von zufälligen Ereignissen, Fehlentscheidungen und schlichtem Pech schließen Schuldzuweisungen aus.

Es geht um Zusammenhänge, und die werden in sprechenden Details transparent gemacht. Der gelernte Archäologe Ward-Perkins macht klar, wie sehr die Qualität menschlichen Lebens schon damals an materielle Voraussetzungen geknüpft war und wie leicht diese verlorengehen konnten - nicht durch Vernichtungswut, sondern weil am Ende niemand mehr wusste, wie man Wasserleitungen zu warten, guten Wein zu keltern und Sicherheit dauerhaft zu organisieren hatte.

Bei aller Zuspitzung in manchen Formulierungen liefert Ward-Perkins auch eine differenzierte Skizze der wechselseitigen Anpassungen zwischen Römern und Germanen. Doch Letztere veränderten das Leben der Bevölkerung langfristig und gründlich. Hochwertige Produkte wurden nicht mehr hergestellt, die regionalen und überregionalen Netzwerke des Austausches kollabierten, das Münzgeld verschwand aus dem Alltag. Es dauerte nicht lange, bis in Britannien Produktion und Zivilisation auf ein früheisenzeitliches Niveau zurückgefallen waren. Und die Regionen am anderen Ende der Skala und des Reiches, Ägypten, die Levante und Nordafrika, wo sich die materielle Zivilisation noch am besten erhalten hatte, wurden als Erste von der arabischen Eroberung erfasst.

Doch schon lange zuvor war das Reich zum "failing state" geworden. Das Auseinanderbrechen des römischen Staates und das Ende jahrhundertelanger Sicherheit bildeten die entscheidenden Faktoren bei der Zerstörung der hochentwickelten Wirtschaft. Die Anpassung an die neuen Verhältnisse dauerte lange und war schmerzhaft.

Ward-Perkins hat ein kluges und über weite Strecken erfrischendes Buch geschrieben, das zudem mit seinen Vorgängern seit dem unerreichten Gibbon eine Eigenschaft teilt: Es handelt nicht allein von der letzten Epoche des Altertums. "Die hohe Entwicklungsstufe der römischen Epoche hatte, indem sie qualitativ hochwertige Güter weit in der Gesellschaft verbreitete, die lokalen Fertigkeiten und die lokalen Netzwerke zerstört, die in vorrömischer Zeit für wirtschaftliche Komplexität auf niedrigerem Niveau gesorgt hatte." Wer heute die Risiken einer globalisierten und hochgradig arbeitsteiligen Welt besser verstehen möchte, kann viel daraus lernen.

UWE WALTER

Bryan Ward-Perkins: "Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation". Aus dem Englischen von Nina Valenzuela Montenegro. Theiss Verlag, Stuttgart 2007. 240 S., 34 Abb., geb., 29,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nachdem es in der neueren Altertumswissenschaft Ansätze gibt, im Ende des Römischen Reiches lediglich eine Zeit des Umbruchs zu sehen, rückt Bryan Ward-Perkins das Geschichtsbild mit einem leidenschaftlichen Widerspruch wieder zurecht, konstatiert Uwe Walter. Der Rezensent ist fasziniert von den erhellenden Ausführungen, mit denen der Autor das Ende Roms und die Veränderungen nicht zuletzt im Verschwinden wichtiger Kulturtechniken, die sich durch die germanischen Eroberungen einstellten, vor Augen führt, wobei der Rezensent besonders lobt, wie genau Ward-Perkins die gegenseitigen Anpassungsleistungen von Römern und Germanen zu fassen vermag. Dieser Band wartet mit intelligenten Ausführungen auf und stellt eine überwiegend originelle Lektüre dar, so Walter begeistert, der glaubt, dass man in unserer Zeit der Globalisierung sogar einiges aus den Erfahrungen der Römer lernen kann.

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