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Die Künstlerbrüder Benedetto und Giuliano da Maiano besaßen 29 Bücher, während in Michelangelos Nachlass kein einziges Buch verzeichnet ist. Leonardo bemühte sich noch als Erwachsener, Latein zu lernen. Alberti ist einer der ganz wenigen Renaissancekünstler, die an einer Universität studiert haben. Wie konnten diese Künstler so komplexe Bilderzyklen schaffen wie die Fresken der Sixtinischen Kapelle in Rom? Waren sie derart gebildet, dass sie auf das Stichwort eines Auftraggebers solche Werke allein entwarfen? Standen ihnen humanistische Gelehrte zur Seite, wurden sie, die nach dem…mehr

Produktbeschreibung
Die Künstlerbrüder Benedetto und Giuliano da Maiano besaßen 29 Bücher,
während in Michelangelos Nachlass kein einziges Buch verzeichnet ist. Leonardo
bemühte sich noch als Erwachsener, Latein zu lernen. Alberti ist einer
der ganz wenigen Renaissancekünstler, die an einer Universität studiert haben.
Wie konnten diese Künstler so komplexe Bilderzyklen schaffen wie die Fresken
der Sixtinischen Kapelle in Rom? Waren sie derart gebildet, dass sie auf das
Stichwort eines Auftraggebers solche Werke allein entwarfen? Standen ihnen
humanistische Gelehrte zur Seite, wurden sie, die nach dem Selbstverständnis
ihrer Zeit zunächst bloß Handwerker waren, selbst zu Gelehrten? Dachten sie
über ihre Kunst nach, reflektierten sie ihr Tun?
Bernd Roeck beantwortet diese Fragen ? er beschreibt beispielsweise, wie
nach und nach immer mehr Bildhauer, Maler und Architekten Italiens in der
Lage waren, antike Schriften zu lesen und daraus eine neue Kunsttheorie formulierten.
Es kam zu einer enormen Aufwertung der Kunst ? und der Künstler,
die sie schufen.
Nördlich der Alpen war Albrecht Dürer der originellste Künstler-Theoretiker.
Im Gegensatz zu seinen italienischen Kollegen musste er die Begriffe für eine
theoretische Reflexion über Kunst selbst erst erfinden. Hier gab es niemanden
wie Giorgio Vasari, das berühmteste Beispiel eines "denkenden Künstlers".
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Bernd Roeck, geboren 1953 in Augsburg, ist Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich. Bei Wagenbach erschien "Die Nase Italiens. Federico da Montefeltro, Herzog von Urbino" (zusammen mit Andreas Tönnesmann).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit Begeisterung hat Rezensent Hans-Albrecht Koch dieses Buch gelesen, das vor historischem Wissen nur so überbordet. Und dass sein Autor auch noch so mitreißend erzählen kann, rechnet er ihm doppelt positiv an. Der Neuzeithistoriker Bernd Roeck verfolgt in seiner Studie, wie sich die Künstler in der Renaissance von Handwerkern zu Gelehrten wandelten und somit in ihre Werke griechische Mythologie und Philosophie, aber auch Mathematik, Naturwissenschaften und Musik einfließen ließen. In Lorenzo Ghibertis Paradiespforte am Florentiner Baptisterium gehen etwa seine Studien zur Optik ein, Leon Alberto Battista gründet seine Proportionenlehre auf den konkreten Menschenkörper und die Rezeption Platons machte erst Leonardo da Vincis Begriff von der "gelehrten Hand" möglich (nach dem die Malerei die Natur vollkommener abbilde als die Poesie). Natürlich kommen auch Raffael, Dürer und Michelangelo zu ihrem Recht. Außerdem verschönern zahlreiche Abbildung dem Rezensenten die Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.06.2013

Handwerk
und Geisteswelt
Bernd Roeck führt vor, wie der
Künstler zum Gelehrten wurde
Müssen Künstler auch Gelehrte sein? Zumindest die Bildikone europäischer Bildungswelt ist Werk eines Malers: Raffael entwarf sie ab 1508 in einem Wandbild des Vatikanpalastes, der „Schule von Athen“.
  Der Künstler visualisiert hier Wissenschaftsgeschichte, europäische Philosophiehistorie, die über Stufen zu den gleichgeordneten Figuren Plato und Aristoteles hinaufführt. Zugleich zeigt Raffael Bildungsgeschichte, wie Gelehrsamkeit in Gesprächen entsteht, im Lesen, im Denken, im Lehren und Lernen – das Idealbild einer Gelehrtenwelt. Interdisziplinär handelt Raffael in benachbarten Bildfeldern von den Verbindungen der Philosophie zu anderen Wissensdisziplinen.
  Auch die Medien der Erkenntnissuche werden bei Raffael vorgeführt: Neben Schriftrolle und Buch tritt dabei das künstlerische Mittel der Zeichnung. Die Beobachtung, wie eine geometrische Zeichnung entsteht, führt bei dargestellten Betrachtern zu stufenweiser Erkenntnis, auf einer Tafel wird ein Harmoniemodell der Welt im Diagramm entworfen. Mit Geometrie und Optik hat Raffael selbst die Perspektivkonstruktion der riesigen spektakulären Hallenarchitektur entworfen, die im Bild die Geistesgrößen überhöht: Ein Bildungsbeweis im Wissensbild. So ist es nur folgerichtig, wenn Raffael unter den Wissenschaftlern im Fresko, bescheiden am Rand, auch sein eigenes Porträt einfügt. Als Urheber des gemalten Wissenslehrbilds blickt er uns an.
  Die Frage nach der Gelehrsamkeit der Künstler – wie Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance über Kunst als Wissenschaft handelten – ist Thema des neuen Buches von Bernd Roeck. Doch steht dabei nicht im Mittelpunkt, wie die Künstler in ihren künstlerischen Werken selbst ihr Handeln und die Wissenskultur der Kunst reflektierten, ein Thema, das Kunsthistoriker der letzten Jahrzehnte so reich bearbeitet haben. Der Schweizer Historiker führt uns vielmehr zu den Schriftquellen zurück, zu geschriebenen Traktaten, Gedichten, Briefen und Notizen, in denen Künstler wie Alberti, Piero della Francesca, Leonardo, Dürer oder Vasari sich über Kunst und das Wissen der Künstler äußerten.
  Dass Roecks Band aus einem Beitrag für ein Handbuch der Philosophiegeschichte entstanden ist, spürt der Leser. Roeck liefert eine nützliche, auf den aktuellen Forschungsstand verweisende Ergänzung zu dem alten Klassiker „Die Kunstliteratur“ von Julius von Schlosser (1924). Dem Überblickscharakter geschuldet bleiben die Kapitel zu den einzelnen Künstlern knapp, reihen sich chronologisch von Cennini bis Zuccaro. Drei zwischengeschaltete Überblicke ordnen die gelehrten Künstler den drei konventionellen Epochen von Früh-, Hoch- und Spätrenaissance zu. Dabei kommen auch Kunsttheoretiker zu Wort, die nicht selbst Künstler waren. Ebenso sucht Roeck hier übergreifende Ideenentwicklungen zu umreißen. Dies weckt Lust, sich in die zahlreichen, seit Erwin Panofskys „Idea“ erschienenen problemorientierten Begriffs- und Diskursgeschichten frühneuzeitlicher Kunsttheorie zu vertiefen.
  Roeck zeigt, wie die Künstler der Renaissance für ihr Schaffen Wissenschaftlichkeit reklamierten, um damit ihren gesellschaftlichen Status zu heben, der Sphäre des niederen Handwerkers in die edle Geisteswelt des Intellektuellen zu entfliegen. Schritt für Schritt wurde in zwei Jahrhunderten zunächst in Italien, dann auch im übrigen Europa von Künstlern Wissen erworben, akkumuliert und schließlich zu großen Theoriegebäuden geordnet und akademisch nobilitiert. Stand zunächst aristotelische Naturnachahmung im Mittelpunkt, Geometrie, Optik und Mathematik, so später platonische Ideenlehre. Nach der Eroberung der mannigfaltigen Naturwirklichkeit formte der Künstler formschöne Idealwelten, erkundete schließlich die weiten Reiche der Phantasie.
  Die Texte, denen sich Roecks Untersuchung widmet, handeln jedoch nicht nur von Kunst, sondern sind manchmal auch selbst Kunst, gehorchen in Argumentation und Aufbau künstlerischen Strategien. Wie längst erkannt, gestaltet etwa Vasari mit dem Text seiner berühmten Künstlerbiografien kunst-volle Literatur. In Rom malte Raffael neben die „Schule von Athen“ auch den Parnass, den Berg der Dichter. Hier lauschen die Dichter ihrem Gott Apoll, ihrem Heros Homer und den schönen Körpern der Musen. Im Entwurf dieser Welt zeigt sich Raffael nicht nur in den Schriften der Antike gelehrt, sondern ebenso in der Kenntnis ihrer Kunst, ihrer vorbildhaften Skulpturen. Raffael transformiert sie zur Schönheit einer Anmut, die sich schon für die Zeitgenossen begrifflicher Wortbeschreibung entzog. Und unter all den Dichtern, neben Dante und Vergil, hat sich auch hier Raffael selbst porträtiert. Denn die Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance waren eben nicht nur gelehrt, also Schreiber der Wissenschaft und Dichter der Worte, sondern ebenso inspirierte Künstler – Poeten der Bilder.
MICHAEL ROHLMANN
      
    
  
  
Bernd Roeck: Gelehrte Künstler. Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance über Kunst. Wagenbach Verlag, Berlin 2013. 256 Seiten, 24,90 Euro.
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"Dass Vergangenheit so plastisch werden kann, ist die Meisterleistung einer Geschichtsschreibung, die nie unter Niveau gehen muss, um gleichwohl für den Nicht- Fachmann lesbar zu sein." Bernhard Schulz, Der Tagesspiegel