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Ein furchtbar hässlicher Hund erzählt, wie zwei junge Mädchen aus Liebe zu Mörderinnen werden. Ein frecher, temporeicher, magischer Roman - Thelma und Louise auf Argentinisch!

Produktbeschreibung
Ein furchtbar hässlicher Hund erzählt, wie zwei junge Mädchen aus Liebe zu Mörderinnen werden. Ein frecher, temporeicher, magischer Roman - Thelma und Louise auf Argentinisch!
Autorenporträt
Lucía Puenzo wurde 1976 in Buenos Aires geboren. Zur Zeit arbeitet sie gleichzeitig an ihrem vierten Roman und zweiten Kinofilm. Ihr Debüt als Regisseurin gab sie 2007
mit XXY, der im selben Jahr beim Filmfestival in Cannes mit dem Grand Prix de la Semaine de la Critique und in Madrid mit dem Goya für den besten nichtspanischen Film ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2009

Die Treue eines zerzausten Köters
Mädchen unterwegs: Lucía Puenzos Romandebüt „Das Fischkind”
Im Zentrum dieser Geschichte steht ein sprichwörtliches Enfant terrible der argentinischen Oberschicht, das Mädchen Lala. Störrisch ist sie, verschlossen, fast egozentrisch. Und, wie das in der Pubertät so ist, unsicher und ungelenk. Aber vor allem liebt sie störrisch und leidenschaftlich das paraguayanische Dienstmädchen, genannt Guayi, und schert sich dabei einen Dreck um bürgerliche Konventionen. Eigentlich kann nichts die beiden trennen.
Doch kann man überhaupt von einem Enfant terrible sprechen, wenn auch das Umfeld völlig marode ist? Die Familie hält nur mit Mühe ein repräsentatives Bild nach außen aufrecht; die esoterische Mutter ist mit ihrem Geliebten verschwunden, der Vater – ein erfolgreicher Schriftsteller – inszeniert regelmäßig scheiternde Suizidversuche, der Bruder landet wegen Dealens in der Psychiatrie.
Als Lalas Vater die minderjährige Hausangestellte sexuell missbraucht, ist genug Katastrophenstoff für eine Explosion beisammen. Lala vergiftet ihren Vater: „Ich tue es ihm zuliebe. Ich werde ihm einen Gefallen tun,” erklärt sie Guayi. Was auf diesen Mord folgt, greift die Motive klassischer Roadmovies auf, von „Bonnie und Clyde” über „True Romance” bis zu „Baise-Moi”: Flucht, Verfolgung, eine große Liebe, die durch (sexuelle) Gewalt von außen bedroht wird und sich nur noch durch Gegengewalt verteidigen kann gegenüber einem in höchstem Maße korrupten und brutalen Staatsapparat.
Nicht nur stofflich steht der Roman in filmischen Traditionen. Auch die Erzählweise ist meist szenisch angelegt, Erklärungen aus der Innenwelt der Protagonisten bleiben die Ausnahme. So offenbart sich die innere Logik und Motivation der Protagonistinnen nur sehr allmählich, aus ihren oft überraschenden Handlungen und Dialogen heraus. Langsam ergeben die Entscheidungen der Mädchen einen Sinn, und ihre Liebe wird als Gegenentwurf zu einer bedrohlichen Umwelt verständlich. Ein moralischer Zeigefinger zeigt in diesem Kosmos zwangsläufig ins Leere.
Der Dialekt der Dobermänner
Dass die Argentinierin Lucía Puenzo Talent für das Erzählen durch Bilder besitzt, zeigt sich nicht nur in ihrem Erstlingsroman, der auf Spanisch bereits vor fünf Jahren erschien und den sie auf der diesjährigen Berlinale auch als Film vorstellte. Bekannt wurde Lucía Puenzo vor zwei Jahren mit ihrem gelungenen Debüt als Regisseurin, „XXY”, einem feinfühlig skizzierten Plot um einen jugendlichen Intersexuellen.
Der liebevolle Blick auf die Geschichte von Lala und Guayi ergibt sich zwanglos aus der Erzählperspektive, die Puenzo gewählt hat: Der Erzähler ist Serafín – ein recht unpassender Name für Lalas Promenadenmischling, einen zerzausten Köter, der ebenso schwarz ist wie sein Humor. Seine sarkastischen Kommentare machen den dramatischen Stoff leichter, komisch und manchmal absurd. Haben auch Hunde erotische Fantasien? Dieser hier schon. Seine Treue zu Lala ist ungebrochen; durch seine Augen und in seiner rotzigen und rauhen Sprache wird das Geschehen präsentiert.
Solch ein erzählerischer Trick kann zuweilen nerven, etwa, wenn die Komik ins Infantile kippt („Dobermänner sprechen einen merkwürdigen Dialekt, dem schwer zu folgen ist”) oder der Fokus penetrant auf der Hundesicht verweilt („Ich lief bellend auf sie zu . . . Herrlich, Hund zu sein!”). Auch liebt ein echter Hund sein Frauchen eben blind, ohne zu hinterfragen. Und so hat man zwar Sympathie für die beiden Mädchen, eine wirkliche Identifikation wird aber erschwert.
Viele Suspense-Momente gibt es in der dichten Handlung. Manch eine Verzögerung der Spannung zieht sich arg in die Länge. Doch bleibt am Ende kein Rätsel unaufgelöst, und es lohnt sich, der Geschichte bis zum Ende zu folgen. Mit Serafíns Tod endet auch seine Erzählung. Und erst ganz zum Schluss lüftet Guayi gegenüber Lala das Geheimnis, das sich hinter dem Leitmotiv des „Fischkinds” verbirgt, das dem Roman seinen Titel gibt. Die wahre Liebe, so zeigt sich, verurteilt nicht einmal die schlimmsten Taten aus der Vergangenheit. Die Formel dafür lautet: „Keine Tränen mehr, keine Geheimnisse.”KATHARINA BUESS
LUCÍA PUENZO: Das Fischkind. Aus dem Spanischen übersetzt von Rike Bolte. Wagenbach Verlag, Berlin 2009. 157 Seiten, 17,40 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2009

Hoffnungen eines Hundes

Viel Fisch, viel Fleisch: Das rasante literarische Debüt der argentinischen Filmemacherin Lucía Puenzo ist ein wilder Genre-Mix aus Teenager-Tragödie und Thriller.

Das Paradies ist nur eine Busreise entfernt. Eine Überlandfahrt zusammen mit illegalen Bauarbeitern, Nachtwächtern, Hausangestellten und Prostituierten. Es ist kein Land, in dem die Zitronen blühen. Als Kind der argentinischen Oberschicht verbindet Lala nichts mit Paraguay, seiner indigenen Sprache, dem von Legenden umwobenen Ypacaraí-See unweit von Asunción. Und doch ist das ihr Sehnsuchtsort, ihr Zuhause, die Heimat ihrer wahren Familie. Von der biologischen nämlich will sie nichts wissen: nichts von ihrer Mutter, die sich mehr für Sai Baba begeistert als für ihre Kinder. Nichts vom depressiven, stets selbstmordgefährdeten Vater, dem Bestsellerautor mit dem karikaturesken Namen Brontë. Nichts von ihrem Bruder, dem Drogenhändler. Und vor allem nichts von ihrem Reichen-Getto im Norden der Stadt, ihren standesgemäßen, dabei aber unerträglich bornierten Altersgenossen. Lalas einzige Liebe gilt ihrem Hund Serafín - und vor allem der "Guayi", wie die paraguayische Haushälterin von allen genannt wird.

Dass sich zwischen den beiden Mädchen bald eine ebenso leidenschaftliche und zärtliche wie besitzergreifende Liebesbeziehung entwickelt, scheint niemanden recht zu stören - aus Desinteresse eher denn aus liberaler Überzeugung. Umgekehrt dagegen bricht für Lala eine Welt zusammen, als sie entdeckt, dass ihr Vater die Dienste seiner Domestikin auch im Bett in Anspruch nimmt. Ohne irgendeinen Anflug von Mitleid oder Gewissensbiss bringt sie Brontë mit einer vergifteten Milch um die Ecke. So ist das letzte Hindernis beseitigt, sich mit der "Guayi" auf die Flucht an deren heimischen See in Paraguay zu machen, mit Brontës Geld dort ein Haus zu kaufen, ein Liebesnest für die Ewigkeit. So kann Lala auch "Guayis" Kind nahe sein, das dort vor Jahren zur Welt kam und, fürs Leben unter den Menschen zu zerbrechlich, nun verirrte Schwimmer auf den Seegrund lockt. Denn nach der Geburt verwandelte es sich in ein Wasserwesen - in "Das Fischkind", das diesem rasanten, rebellischen Romandebüt den Titel gibt.

Die besessene Liebe, wusste schon Abbé Prévosts Held Des Grieux aus "Manon Lescaut" herzuleiten, ist mehr wert als das ewige Leben. Sie ist ein Freibrief für jede nonkonformistische Handlung. Dass Lucía Puenzo in ihrer Geschichte einer amour fou jeglichem Moralisieren und Psychologisieren ganz ohne solche provokanten Thesen eine nonchalante Absage erteilt; dass sie dabei die homosexuelle Beziehung der beiden Mädchen nicht zum Thema oder Konflikt macht, sondern zum ganz selbstverständlichen, fast beiläufigen Handlungselement, verleiht ihrem Erzählen großen Charme. Zugleich erklärt sich diese Haltung aber auch aus der im wahrsten Sinne räudigen Erzählperspektive, die allerdings für den Leser sehr wohl eine bizarre Provokation darstellt.

Geschildert nämlich werden Liebe und Flucht des Pärchens nicht etwa aus der Perspektive einer der beiden - sondern aus der des fiesen, hässlichen, schwarzen Köters Serafín. Und der macht als zynischer Kommentator der Handlung nicht nur dem griechischen kynos alle Ehre. Er täte vor allem nichts lieber, als sein Frauchen ebenfalls einmal zu vernaschen.

Von einem hormongebeutelten Hund sind Einblicke in die Finessen der menschlichen Psyche, in ethische Normen und gesellschaftliche Konventionen kaum zu erwarten. Geführt von einem solch pikaresken Erzähler, bricht der Roman jeden Sozialrealismus und springt auch unversehens zwischen den Literaturgenres. Als der Fluchttraum der Mädchen scheitert und der gesellschaftlichen Wirklichkeit weicht, die Ausländerin als Sündenbock für einen Mord herhalten muss, an dem sie nie beteiligt war, wechselt die Handlung unversehens von der Teenager-Tragödie zu einem Thriller über die Korruptionsabgründe von Staat und Justiz in Argentinien - und kulminiert schließlich in einem Gangsterstück voll von Blut, Schüssen und schwarzem Humor: ein disparater Mix, den wiederzugeben der lebendigen Übersetzung von Rike Bolte trefflich gelingt.

Dreiundzwanzig Jahre alt war die Autorin, als sie "Das Fischkind" schrieb. Seitdem sind zwölf Jahre und drei weitere Romane ins Land gegangen, vor allem aber auch eine Karriere als Filmregisseurin, die Lucía Puenzo durch ihren aufsehenerregenden Erstling "XXY" quasi über Nacht weltweit bekannt machte als die große neue Hoffnung des argentinischen Kinos. Ein Ereignis, das für jeden Theoretiker von Literaturverfilmungen ebenso faszinierend wie verstörend sein muss, bildet dabei ohne Zweifel die soeben fertiggestellte filmische Adaption des Romans durch die Autorin selbst, der vor kurzem bei der Berlinale seine Uraufführung erlebte. Denn Lucía Puenzo versagt ihrem eigenen Buch jegliche Werktreue und schlägt dazu noch all den Kritikern und Philologen ein Schnippchen, die "Das Fischkind" als Beispiel einer "filmischen" Art zu schreiben vorführen.

Im Film nämlich wirft sie gekonnt alles über Bord, was am Buch im konventionellen Sinne kinohaft ist, bricht die lineare Erzählung durch eine komplexe Verschachtelung von Zeitebenen, raubt sich selbst den Räuberpistolen-Showdown - und daneben dem Hund Serafín seine diktatorische Macht als Erzähler, ja, degradiert ihn zur Nebenfigur. Kurz: Sie umschifft mit untrüglicher Stilsicherheit und ästhetischer Brillanz sämtliche Klippen, mit denen der Text immer wieder aufwartet - und macht dadurch als Filmregisseurin auch Schwächen ihres eigenen Werks als Schriftstellerin offensichtlich, das paradoxerweise gerade durch seine unkonventionellen Effekte zuweilen ins Holzschnittartige abzugleiten droht.

Bei alldem gelingt Lucía Puenzo bereits in ihrem literarischen Frühwerk die Leistung, zunächst scheinbare Klischees zu entwickeln, sie dann aber in subtiler Weise zu brechen und umzudeuten. So etwa wird der in der Tradition des magischen Realismus entsponnene Mythos vom "Fischkind" am Schluss mit einem Handstreich von der "Guayi" selbst demontiert - als phantastische Schutzbehauptung, die dazu dienen sollte, eine Kindstötung zu verbergen. Gerade in der Vielschichtigkeit dieser Figur, die alle exotischen Wunschprojektionen von Lala und ihrer Familie in sich vereint und zugleich in ernüchternder und fast banaler Weise unterläuft, beweist Lucía Puenzo ein ungewöhnliches künstlerisches Talent, von dem noch viel zu erwarten ist.

FLORIAN BORCHMEYER

Lucía Puenzo: "Das Fischkind". Roman. Aus dem Spanischen von Rike Bolte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2009. 156 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicht erst ihr Romandebüt "Das Fischkind" überzeugt Katharina Buess von Lucia Puenzos szenischem Erzähltalent, ist sie doch bereits als Filmregisseurin bekannt geworden. Ihr im spanischen Original schon vor fünf Jahren erschienener Roman erzählt von der aus Argentiniens Oberschicht stammenden Lala, die sich in das paraguayische Dienstmädchen verliebt und sich mit ihr auf eine dramatische Flucht begibt, nachdem sie ihren Vater vergiftet hat, der ihre Geliebte missbraucht hatte, fasst die Rezensentin das dramatische Geschehen zusammen. Der erzählerische Kniff, die Geschichte aus der Perspektive von Lalas Hund berichten zu lassen, sorgt zwar für manche komische oder absurde Passage, auf die Dauer findet Buess das allerdings etwas ermüdend, zumal die Identifikation mit den Hauptfiguren so nicht befördert wird, wie sie moniert. Immerhin, am Ende bleiben keine Fragen offen, und so findet es die Rezensentin trotz ihrer Einwände lohnenswert, diesen rasanten Roman bis zum Ende zu lesen.

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