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Ein Roman über große Gefühle - und gleichzeitig die Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die von Mädchenhändlern, Terroristen, gewalttätigen Polizisten und zwielichtigen Politikern geprägt ist: Juan Marsé, "der beste Schriftsteller der spanischen Nachkriegliteratur" (Manuel Vázquez Montalbán), erzählt in 'Liebesweisen in Lolitas Club' eine raffinierte Dreiecksgeschichte, die sich schon bald als Spiel mit doppelten Boden entpuppt. Raúl Fuentes, vom Polizeidienst suspendiert, kehrt in sein Elternhaus nach Barcelona zurück. Sein geistig zurückgebliebener Zwillingsbruder Valentín, der dort noch…mehr

Produktbeschreibung
Ein Roman über große Gefühle - und gleichzeitig die Bestandsaufnahme einer Gesellschaft, die von Mädchenhändlern, Terroristen, gewalttätigen Polizisten und zwielichtigen Politikern geprägt ist: Juan Marsé, "der beste Schriftsteller der spanischen Nachkriegliteratur" (Manuel Vázquez Montalbán), erzählt in 'Liebesweisen in Lolitas Club' eine raffinierte Dreiecksgeschichte, die sich schon bald als Spiel mit doppelten Boden entpuppt.
Raúl Fuentes, vom Polizeidienst suspendiert, kehrt in sein Elternhaus nach Barcelona zurück. Sein geistig zurückgebliebener Zwillingsbruder Valentín, der dort noch immer wohnt, ist inzwischen erstaunlich selbständig geworden: Zu Raúls Missfallen hilft er in Lolitas Club aus, einem erotischen Etablissement, kauft Nagellack, Feuchtigkeitscremes und Kondome für die Mädchen und backt ihnen süße Kringel. Dabei verliebt er sich in Milena, die mit einem fingierten Arbeitsvertrag von Kolumbien nach Spanien gekommen ist...
Autorenporträt
Juan Marsé, geb. 1933 in Barcelona, veröffentlicht nach einer Juwelierausbildung und Arbeiten als Werbetexter und Laufbursche im Pariser Institut Pasteur seit den späten fünfziger Jahren Romane und Erzählungen, für die er zahlreiche Preise erhalten hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2007

Im dämmrigen Reich der Rotlicht-Rosen

Bullen, Bordelle und Boleros: Juan Marsé enthüllt die Schattenseiten Kataloniens - und schreibt dennoch eine Liebeserklärung an seine Heimat.

Juan Marsé gehört zu den katalanischen Autoren, die nicht zur Buchmesse nach Frankfurt kommen werden. Der Ansatz des Kulturinstituts "Ramón Llull", würdige Repräsentanten der Region Katalonien seien nur Schriftsteller, die katalanisch schreiben, hält ihn fern, trotz nachgeschobener Einladung, als Proteste laut wurden. Wer Juan Marsés jüngsten Roman "Liebesweisen in Lolitas Club" in der hervorragenden deutschen Übersetzung von Dagmar Ploetz liest, also unabhängig von einer spanischen oder katalanischen Ausgangssprache, kann nur mit Bedauern feststellen: Von poetischer Warte aus ist diese politisch motivierte Polemik in erster Linie ein Missverständnis. Denn das Buch ist eine ungewöhnliche Liebeserklärung an Marsés Heimat Katalonien. Allerdings ist es ein schroffes, reales Katalonien, das keinem touristischen Klischee und keiner nationalistischen Schönfärberei entsprechen will.

Angesiedelt ist die Handlung in den Vorstadtsiedlungen Barcelonas, an den Ausfahrten der Autobahnzubringer, wo ein Großteil der Menschen ausländischer Herkunft ist; wo neben Einkaufszentren und Großmarkthallen auch riesenhafte puticlubs stehen, die wohl größten Bordelle Europas; wo prügelnde Polizisten sich gebärden, als hätten sie zu viele Filme aus Bud Spencers "Plattfuß"-Serie gesehen.

Einer von ihnen ist Raúl Fuentes, ein verkrachter Antiterror-Ermittler, der bärbeißige Antiheld des Romans. Nachdem er einen mutmaßlichen Eta-Angehörigen und den jüngsten Spross eines berüchtigten Mafia-Clans krankenhausreif geschlagen hat, ist er vom Dienst suspendiert und kehrt aus dem Baskenland nach langer Zeit heim nach Katalonien. Allerdings wartet auf ihn dort ein wenig heimisches Szenario.

Sein Vater, Leiter eines kleinen Reitstalls im Strandkaff Castelldefels, lebt inzwischen mit der osteuropäischen Migrantin Olga zusammen, ohne zu ahnen, dass diese einst schon Raúls Geliebte war. Gleichzeitig hat Raúls geistig behinderter Zwillingsbruder Valentín eine unerwartete Karriere gemacht: als Bediensteter in einem als "Musikbar" getarnten Etablissement namens "Lolitas Club", wohin Mädchen aus Lateinamerika und Asien als quasi Leibeigene zur Prostitution verkauft werden. Valentín ist der Vertraute und persönliche Zuckerbäcker dieser Mädchen, kauft für sie Parfums, Gleitgels und Damenbinden - "mit Geruchsschutz, so wie in der Werbung". Zu allem Überfluss aber hat er sich Hals über Kopf in die Kolumbianerin Milena verliebt, die von der Mafia mit falschen Papieren und falschem Arbeitsvertrag in den Club eingenistet wurde. Und das Schlimmste daran: Die Familie schaut alledem mit größter Gelassenheit zu und scheint sich über Valentíns neuen Lebenswandel sogar zu freuen: So kommt der Junge doch zumindest mal raus von zu Hause.

Dergleichen Unordnung im eigenen Hause raubt Raúl den letzten Rest an Stabilität. Ohnehin schon ein haltloser Trinker, stürzt sich Raúl in besinnungslose Suffexzesse und meint die Situation nur durch die selbstauferlegte Mission zu retten, Valentín aus den vermeintlichen Fängen des Bordells zu retten. Denn seine These ist, dass der "arme Behinderte" von einer Horde "drogensüchtiger Schlampen" nach Strich und Faden ausgebeutet und vermutlich zu zwielichtigen Geschäften herangezogen wird. Allerdings führen seine brutalen Interventionen, die von Puffmutter Lola aus Furcht vor einem Agenten der Staatsmacht geduldet werden, nur dazu, Valentín und Milena noch fester aneinanderzuschweißen - und die beiden äußerlich gleichen und doch charakterlich so verschiedenen Zwillinge immer mehr voneinander zu entfremden.

Raúls Tragödie besteht darin, dass er, der mit allen Wassern Gewaschene, gerade in seiner Abgebrühtheit, die hinter jeder noch so unschuldigen Szene eine Verschwörung vermutet, völlig unfähig ist, die Wirklichkeit wahrzunehmen. Er merkt nicht, dass er selbst die seine Familie zerstörende Macht ist und nicht die, die er zu zerstören sucht. Zudem macht es ihn blind für die Einsicht, dass die "Nuttenschlampe" Milena auf ihn einen obsessiven erotischen Reiz ausübt. Wenn er sich Nacht für Nacht an Lolitas Tresen betrinkt, so natürlich nur, um seinen Bruder zu überwachen. Wenn er Milena zum Sex zwingt, so vermeintlich allein, um Valentín deren Unwürdigkeit zu demonstrieren und ihn von seinem Irrtum zu erlösen. Unvermutet findet er sich damit in der Rolle seines Zwillingsbruders wieder - er hat das Bordell zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht. Dieser schlüpft seinerseits in die Rolle Raúls, des bewunderten Bruders, und gerät so ins Fadenkreuz von Mafia und Eta. Ein Identitätstausch, der nur tragische Konsequenzen haben kann.

Behutsam entwickelt Marsé eine Geschichte voll von subtilen Zwischentönen und nähert sich, ungeachtet der Härte und Ruppigkeit seines Helden, mit einer großen Zartheit seinen Figuren. Allesamt sind es sensible Menschen mit einer oftmals verborgenen Verletzlichkeit, die gerade durch ihre Schwächen eine berührende Lebendigkeit erhalten. Die Rotlicht-Rosen aus dem Dämmerlicht von Lolitas Club sind Opfer eines menschenverachtenden Geschäfts - und lassen sich dennoch nicht ihre Gefühle rauben. Einst Widerstandskämpfer gegen die Diktatur, gehört Raúls bescheidener Vater José, anders als viele ehemalige Franco-Schergen, nicht zu den Gewinnern des Übergangs zur Demokratie - und beweist, wie einer seiner Kampfgenossen einmal anmerkt, dennoch die Größe, "die politische Wende ohne Revanchegelüste akzeptiert zu haben".

Auf dem Wege einer isolierten Familiengeschichte entwirft Marsé damit auch das Panorama einer Gesellschaft, die sich auf den ersten Blick ohne größere Wehen in ihre moderne, multikulturelle Gegenwart eingefunden hat. Dennoch weist diese Gegenwart allerorts noch verborgene Wunden auf. Wenn die Realität plötzlich gewaltsam in die Familie des Romanhelden einbricht - in Form der Eta, die sich ja einst aus dem Widerstand gegen Franco formierte -, so liegen die Wunden mit einemmal wieder in all ihrer blutigen Grausamkeit offen. Persönliches und Intimes in solch unaufdringlicher, fast hintergründiger Form mit Geschichte und Schicksal eines ganzen Landes zu verweben ist eine ungeheuer schwierige literarische Aufgabe, die der Autor mit Bravour gelöst hat.

Ursprünglich war "Liebesweisen in Lolitas Club" als Drehbuch für einen Spielfilm unter der Regie von Fernando Trueba geplant. Die kinematographische Form ist dem Text noch anzumerken. Er beobachtet eher von außen, ohne zu psychologisieren; ist nicht von der Reflexion, sondern von einer Handlung bestimmt, die in ihrem strikten dramaturgischen Aufbau dem Roman etwas Novellenhaftes verleiht. Dass der geplante Film letztlich nicht zustande kam, ist ein großer Verlust für die Filmgeschichte. Für die Literatur dagegen kann man nur von einem ausgemachten Glücksfall sprechen.

FLORIAN BORCHMEYER

Juan Marsé: "Liebesweisen in Lolitas Club". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Dagmar Ploetz. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007. 253 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2007

Geh nicht fort, Kaninchen
Zwei ungleiche Brüder und viele Regieanweisungen: Juan Marsés Roman „Liebesweisen in Lolitas Club” wäre besser ein Drehbuch geblieben
Es gibt einige gute Romane, die zunächst als Drehbücher zur Welt kamen. Jurek Beckers „Jakob der Lügner” ist so eine literarische Geschlechtsumwandlung. Erst nachdem die DEFA das Skript abgelehnt hatte, formte Becker daraus ein Stück Weltliteratur – das später dann allerdings doch verfilmt wurde. Diesem Roman merkt man den Stand seiner Geburt nicht mehr an, Regieanweisungen oder filmische Dialogstruktur schimmern nicht durch. Auch Juan Marsés „Liebesweisen in Lolitas Club” waren ein Drehbuch, bevor sie in das Gewand eines Romans gesteckt wurden; wohl fühlen sie sich darin aber nicht.
Raúl und Valentin sind Zwillingsbrüder, die sich geradezu pedantisch unähnlich sind. Raúl ist ein Bulle, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt: Zigarette im Mund, Flachmann in der Tasche, die Faust locker. Einer, der immer hart am Rande der Suspendierung arbeitet, ein Charles-Bronson-Typ, der nur noch seine eigene Gerechtigkeit sucht und alle Maßstäbe verloren hat. Er recherchiert im Drogen- und Prostitutionsmilieu, geht aber selbst zu Huren, die er noch dazu um ihren Lohn prellt. Gerade will ihm ein Aussteiger belastendes Material über den lokalen Clanchef Tristán liefern, da schlägt er Tristáns Sohn krankenhausreif. Er wird suspendiert und flüchtet nach Barcelona ins Elternhaus.
Nach nunmehr etwa zwanzig Seiten beginnt eine andere Geschichte. In einem Film mag die Spannung im Hintergrund fortwirken, hier tritt alles Vorige aber einfach zurück. Raúls Bruder Valentin ist geistig zurückgeblieben, er lebt in einer Kinderwelt von Autorennen und Märchenprinzen. Im Gegensatz zu Raúl ist er unverdorben, ein Idiot zwar, aber ein guter Mensch. Im Bordell „Lolitas Club” spielt er das Mädchen für alles: Er kauft ein, kocht und hat eine naiv-enthaltsame Beziehung zu der Prostituierten Milena. Diese „kleine Parzelle Glück” will Raúl um jeden Preis verhindern. Die Ultima Ratio in seinem verblendeten Kampf: mit Milena zu schlafen, um Valentin ihre Verdorbenheit zu zeigen.
Bis er sich dazu durchringt, ziehen viele ereignislose Seiten ins Land, ständige Wiederholungen möglicherweise film-, aber nicht literaturreifer Szenen. Marsés Beschreibungen vermitteln nicht Anschauung an den Leser, sondern Anweisungen an einen Regisseur. „Sex liegt in der Luft”, heißt es über das Bordell. Und über Milena: „Sie tanzt für sich, beschwört das Vergessen.” Ihr Schicksal als Verschleppte wird im Kitschfach behandelt, etwa wenn Milena Kaninchen auf der Wiese beobachtet: „Geh nicht fort, Kaninchen. Laß mich nicht allein.”
Nur Raúls Zynismus frischt das Buch gelegentlich auf. Er erscheint als das Produkt einer Gesellschaft, die zu viele politische Kämpfe ausgetragen hat und noch austrägt, in der Falangisten, Terroristen und Kriminelle die politische Macht innehaben und Politik überhaupt ein Synonym für Verdorbenheit ist. Auf die Frage, welcher Partei er angehöre, antwortet Raúl: „Ich bin Diabetiker”.
Doch der politische Hintergrund wirkt in dieser Brudergeschichte eher eingestreut als eingewoben. Erst auf den letzten Seiten werden die vernachlässigten Fäden plötzlich aufgenommen und münden in einen furiosen Plot. Nachdem Raúl mit Milena geschlafen hat, inszeniert Marsé ein Strafgericht, das einer griechischen Tragödie würdig wäre. Kurz erwacht das Buch zum Leben, doch diese plötzliche Häufung der Ereignisse auf den letzten Seiten ist nur noch erleichternd wie ein kleines Bäuerchen am Ende einer langweiligen Mahlzeit.
„Liebesweisen in Lolitas Club” fand auch in Spanien nicht viel Anklang. Verreißen mochte es aber kaum jemand, immerhin gilt Marsé dort als einer der wichtigsten Schriftsteller des Landes. Doch es bedurfte schon einiger halsbrecherischer Wendungen, um das Buch zu retten. Ein Rezensent bemühte gar Platons Figur der Diotima und ihre Schlussregel: Was nicht gut ist, müsse nicht notwendig schlecht sein. Nein, notwendig ist das nicht, aber die „Liebesweisen” beweisen, dass es eben doch möglich bleibt. JEAN–MICHEL BERG
Juan Marsé
Liebesweisen in Lolitas Club
Roman. Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2007. 256 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In Spanien hat sich wegen der Bekanntheit von Juan Marse niemand getraut, dieses Buch richtig zu verreißen, meint Jean-Michel Berg, und beweist in seiner Besprechung, dass wir nicht in Spanien sind. "Die Liebesweisen im Lolita Club" waren ursprünglich ein Drehbuch und wären es auch besser geblieben, meint der Rezensent. Was vielleicht im Film funktioniert hätte, laufe zwischen zwei Buchdeckeln ins Leere. Die Geschichte mit den beiden "pedantisch unähnlichen" Zwillingsbrüdern Raul und Valentin hebt für Berg einfach nie ab. Er langweilt sich offenbar das ganze Buch hindurch, stolpert über an Regieanweisungen erinnernde Beschreibungen und abrupte Szenenwechsel, bis er auf den letzten Seiten schließlich durch ein "furioses" Finale erlöst wird. Doch das sei nur noch "erleichternd wie ein kleines Bäuerchen" nach einem drögen Mahl, seufzt der Rezensent.

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