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Orte und Landschaften, beschrieben von deutschen Autoren als ihre Orte der Erinnerung: Eine klassische Sammlung.

Produktbeschreibung
Orte und Landschaften, beschrieben von deutschen Autoren als ihre Orte der Erinnerung: Eine klassische Sammlung.
Autorenporträt
Klaus Wagenbach, geb. 1930 in Berlin, ist dort aufgewachsen. Ab 1949 absolvierte er eine Lehre in den Verlagen Suhrkamp und S. Fischer; neben seinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Archäologie in München und Frankfurt am Main war er Hersteller im S. Fischer Verlag. Nach der Promotion wurde Klaus Wagenbach 1957 Lektor im Modernen Buch-Club Darmstadt, ab Ende 1959 Lektor für deutsche Literatur im S. Fischer Verlag. Im Herbst 1964 gründete er in Berlin den bis heute unabhängigen Verlag Klaus Wagenbach. Er ist Honorarprofessor für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. 2006 erhielt er den Toleranzpreis des Österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln. Zahlreiche, insbesondere italienische Ehrungen. So wurde er von der Universität Urbino 'wegen außerordentlicher Verdienste um die Verbreitung der italienischen Kultur' mit dem Dr. honoris causa ausgezeichnet. 2010 erhielt Klaus Wagenbach für sein Lebenswerk den Kurt Wolff-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2004

Kafkas berüchtigte Tante
Vierzig Jahre Wagenbach: Ein Almanach und eine Anthologie

Er ist einer der letzten seiner Art: Ein Verleger, der seinem Verlag ein persönliches Profil gibt. Der seine Bücher aus Überzeugung und Leidenschaft macht. Der die Bilanzen zum Teufel wünscht und doch rechnen kann - seine erste Anschaffung war eine italienische Rechenmaschine. Die Rede ist von Klaus Wagenbach. Sein Verlag hat vier Jahrzehnte überstanden: die wechselnden literarischen Stimmungslagen, die ökonomischen Verschiebungen im Gewerbe - und einige fast tödliche Krisen.

Der Jubiläums-Almanach "Warum so verlegen" handelt von alldem. Doch der Untertitel "Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft" übt sich in Optimismus. Ebenso Klaus Wagenbach selbst. Als ein "heiterer Rentner" geht er noch immer jeden Tag in den Verlag und hält sich an Fontanes Devise: "Gewonnen kann durch Trübseligkeit nie etwas werden."

Am Anfang stand der Enthusiasmus eines Lektors, der genug Erfahrungen in einem Großverlag gesammelt hatte, um einiges anders machen zu wollen. Im September 1964 meldete der bei S. Fischer ausgeschiedene Lektor Dr. Klaus Wagenbach in West-Berlin seinen Verlag an. Seinem Vorbild Kurt Wolff folgte er in der Ausstattung der "Quarthefte", jener schwarz kartonierten Bücher, die für Jahrzehnte das Bild des Verlags prägten. Unter den Autoren der ersten Bände waren Ingeborg Bachmann und Günter Grass. Es folgten damals noch fast unbekannte Autoren wie Bobrowski, Hermlin und Biermann. Biermanns "Drahtharfe" wurde ein erster großer Erfolg, führte aber zum Konflikt mit der DDR-Literaturbürokratie - Wagenbach erhielt ein Einreise-, ja Durchreiseverbot und mußte seine Pläne, weiterhin Autoren aus der DDR zu publizieren, aufgeben.

In den Jahren der Studentenrevolte geriet der Verlag ins Visier der Springer-Presse und erregte die Aufmerksamkeit der Westberliner Staatsanwaltschaft, was zu Ermittlungsverfahren und mehreren Prozessen führte, deren Kostenlast der Verlag zu tragen hatte. Anlässe waren die Veröffentlichung von Ulrike Meinhofs Hörspiel "Bambule", die Publikation des Manifests der RAF und des "Roten Kalenders für Lehrlinge und Schüler". Galt Wagenbach für die Springer-Zeitungen als Unterstützer der RAF, so für die radikalen Linken als "Scheißliberaler", der an Poesie und Literatur festhielt.

Ruinöser als die Prozesse, deren Dokumentation immerhin etwas einbrachte, waren die Machtkämpfe innerhalb des Verlags. Die grassierende Kollektivierungs- und Literaturabschaffungseuphorie der Linken führte den Verlag an den Rand der Zerstörung. Wagenbach, der die Autonomie des Lektorats verteidigte, wurde aus seinem eigenen Verlag herausgedrängt und zur Neugründung gezwungen. Er brauchte Jahre, um ihn wieder in Schwung zu bringen. Noch heute zeigt er sich von der mangelnden Solidarität derer betroffen, mit denen er so lange zusammengearbeitet hatte. Mehr an Bitterkeit gestattet er sich nicht.

Ende der siebziger Jahre jedoch war das alles Geschichte. Es drohte das Schicksal vieler linker Verlage: Sektierertum, Selbstisolierung, Bankrott. Nicht so Wagenbach. Seine Ressourcen waren stark genug. In seiner Rede zum Kritikerpreis 1979 nannte er drei Ziele als Verleger: Anarchie, Geschichtsbewußtsein, Hedonismus. Lassen wir den Anarchismus von "Kafkas berüchtigter, dienstältester Tante" (Wagenbach über Wagenbach) beiseite. Die Begriffe Geschichtsbewußtsein und Hedonismus gaben brauchbare Stichworte für die Zukunft. Bis heute ist Italien im Programm das Zentrum, Pasolini die Stifter- und Heiligenfigur. Wagenbach, der sich scherzhaft zu den Mibegründern der Toskanafraktion rechnet, hat seit den achtziger Jahren manches auf den Weg gebracht. Etwa den "Freibeuter", der es gegen das allgemeine Zeitschriftensterben immerhin auf achtzig Nummern brachte. Sodann das allgemeine, vor allem kunstwissenschaftlich orientierte Programm mit Autoren wie Peter Burke, Carlo Ginzburg oder Horst Bredekamp. Nicht zuletzt die kapriziöse Buchreihe Salto, die in ihrem frechen Rot an frühere Aufsässigkeit erinnert.

Natürlich ist der Verlag nach vierzig Jahren auch historisch geworden. Er feiert sein Jubiläum mit dem Reprint eines Klassikers, nämlich des ersten gebundenen Buches, das er Herbst 1965 produzierte. Darin sollten deutsche Autoren "ihren Ort in den Atlas eintragen". Es war der Versuch, west- und ostdeutsche Schriftsteller in einer Anthologie zusammenzubringen - auf lange Zeit der letzte. Er gelang durch List, durch Verzicht auf einen in West-Berlin sitzenden Herausgeber. So hieß der Band einfach "Atlas. Zusammengestellt von deutschen Autoren". Er enthielt Beiträge von Böll bis Rühmkorf, von Biermann bis Kunert.

Der vielleicht wichtigste, folgenreichste Text darin war "Meine Ortschaft" von Peter Weiss, eine Beschreibung des Lagers Auschwitz. Merkwürdig genug: Eben dieses Beitrags wegen zog Paul Celan seine Zusage zur Mitarbeit zurück. Wagenbach erwähnt dies im Nachwort zur Neuausgabe. Man wüßte gern die Gründe. Bobrowski - auch das erfährt man jetzt - hatte mit seinem Rat viel zum Gelingen der Anthologie beigetragen. Als er im September 1965 starb, war der "Atlas" schon im Druck. Daher das "In memoriam Johannes Bobrowski". Es steht über der Erst- wie der Neuausgabe dieser immer noch lesens- und bedenkenswerten Anthologie.

HARALD HARTUNG

"Warum so verlegen". Über die Lust an Büchern und ihre Zukunft. Herausgegeben von Klaus Wagenbach. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 160 S., br., 5,- [Euro].

"Atlas". Zusammengestellt von deutschen Autoren und herausgegeben von Klaus Wagenbach. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004. 320 S., geb. 18,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im Herbst 1965 erschien im Wagenbach Verlag als erstes gebundenes Buch der "Atlas". Deutsche Autoren aus Ost wie aus West sollten darin ihren Ort bestimmen. Schriftsteller "von Böll bis Rühmkorf, von Biermann bis Kunert" wurden als Beiträger gewonnen. Zum vierzigsten Jubiläum des Verlages erscheint nun der Reprint des Klassikers. "Der vielleicht wichtigste, folgenreichste Text darin", schreibt Harald Hartung, sei "Meine Ortschaft" von Peter Weiss gewesen - "eine Beschreibung des Lagers Auschwitz". Dass ausgerechnet dieser Beitrag Paul Celan dazu bewogen habe, seine Mitarbeit an dem Buch zurückzuziehen, wie Klaus Wagenbach in seinem Nachwort schreibt, findet der Rezensent "merkwürdig genug": "Man wüsste gern die Gründe." In jedem Fall aber hält Hartung die Anthologie für "immer noch lesens- und bedenkenswert".

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