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Warum hat sich das Verlagswesen in jüngster Zeit radikal verändert? In seiner Polemik beschreibt André Schiffrin die Gründe: Industrielle Rendite-Erwartungen. Unternehmensberater statt Lektoren. Pharaonische Manager-Gehälter. Zockermentalitäten. Klaus Wagenbach springt in seinem Nachwort dem Kollegen bei: Wann werden die Spekulanten unser Gewerbe wieder verlassen?Warum hat sich das Verlagswesen in den letzten Jahren radikal verändert? In seiner Polemik (die gleichzeitig in neun Ländern erschien) beschreibt Schiffrin die Gründe.Ausgehend von eigenen Erfahrungen im Pantheon Verlag und der…mehr

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Produktbeschreibung
Warum hat sich das Verlagswesen in jüngster Zeit radikal verändert? In seiner Polemik beschreibt André Schiffrin die Gründe: Industrielle Rendite-Erwartungen. Unternehmensberater statt Lektoren. Pharaonische Manager-Gehälter. Zockermentalitäten. Klaus Wagenbach springt in seinem Nachwort dem Kollegen bei: Wann werden die Spekulanten unser Gewerbe wieder verlassen?Warum hat sich das Verlagswesen in den letzten Jahren radikal verändert? In seiner Polemik (die gleichzeitig in neun Ländern erschien) beschreibt Schiffrin die Gründe.Ausgehend von eigenen Erfahrungen im Pantheon Verlag und der Entwicklungen in den USA untersucht er die Ursachen für den Zerfall einer Welt, in der dem Verleger Geschmack und Risiko überlassen worden waren.Die Ursachen sind: keine Querfinanzierung mehr - jedes Buch und jede Abteilung muss profitabel sein. Industrielle Rendite-Erwartungen. Ersetzung der Lektorate durch Marketing-Fachleute. Das Ergebnis ist: Es erscheinen keine Bücher mehr mit einer Auflagenerwartung von weniger als 6.000 bis 10.000 Exemplaren. Das Neue aber - ob in der Politik, Literatur oder Wissenschaft - kommt auf leisen Sohlen und in kleinen Auflagen. Eine moderne Gesellschaft ohne neue Ideen? Ohne unabhängige Verlage entsteht keine Kultur.
Autorenporträt
André Schiffrin, geboren 1935 in Paris, wuchs in New York auf, wo er zuletzt auch lebte. Er war eine der großen Gestalten des internationalen Verlagswesens, leitete lange den Pantheon Verlag, später The New Press. Sein Buch 'Verlage ohne Verleger' erschien in Italien, Griechenland, Japan, Spanien, Schweden, England, den USA und in Frankreich. André Schiffrin starb am 1.12.2013 in Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2000

Verlage ohne Verleger
André Schiffrin über den Abstieg von Amerikas Buchbranche

NEW YORK, im Oktober

In manchen Branchen wird man auch mit größtem Glück nicht reich. Zum Beispiel im Buchgeschäft. Jason Epstein schrieb kürzlich, die Branche sei "einem Amateursport ähnlich, wo die Aktivität bereits das Ziel ist". Der Niedergang der Verlage begann, als irgend jemand davon zu träumen anfing, auch hier Gewinne zu erwirtschaften, wie sie in anderen Branchen üblich sind, und den Schwerpunkt von den Büchern aufs Geschäft verlagerte. Bisher wurden noch alle Investoren enttäuscht, doch im Zuge der Versuche, auch den Büchern statt der traditionell (und in jeder Wirtschaftslage) erwirtschafteten drei bis fünf Prozent Gewinn die in anderen Produktionszweigen üblichen fünfzehn Prozent abzupressen, hat sich die Verlagslandschaft dramatisch verändert und mit ihr das, was wir zu lesen bekommen.

In Amerika kommen inzwischen achtzig Prozent der Buchtitel aus fünf Medienkonglomeraten, während die vom Branchenverband anerkannten 2600 anderen Verlage sich die restlichen zwanzig Prozent teilen. André Schiffrin, Verleger von "The New Press" und seit mehr als vierzig Jahren im amerikanischen Buchgeschäft, hat aufgeschrieben, wie es dazu kam. Seine Erinnerungen an ein Verlegerleben, die nahezu zeitgleich in Amerika und Deutschland herauskommen ("Verlage ohne Verleger", Verlag Klaus Wagenbach), skizzieren auf knappen 126 Seiten, vor allem am Beispiel von "Pantheon" beziehungsweise dessen Muttergesellschaft "Random House", den Weg von der Unabhängigkeit in die Medienkonzerne und damit vom anspruchsvollen, engagierten Büchermachen zur Marktzensur. Der Menschenauflauf bei einer Diskussion, die das Deutsche Haus an der New York University dieser Tage mit Schiffrin, Lewis Lepham von "Harper's", Colin Robinson von "Verso" und William Strachan von "Columbia University Press" veranstaltete, zeigt, daß das Thema, wiewohl keineswegs taufrisch, mehr Leute interessiert, als selbst die Betroffenen vorhergesehen hatten.

In Reichweite der Macht

Es gab einmal eine Zeit, erinnert sich Schiffrin, da machte das Verlegen nicht nur mehr Spaß, sondern da hatten Bücher noch eine Macht. Schiffrin ist ein Kind jener Zeit - und gegen ihr Verschwinden protestiert er heftig -, in der Bücher, wie sie zum Beispiel Pelican Books in England in den dreißiger und vierziger Jahren herausbrachte, dazu beitrugen, "den Grundstock fortschrittlichen Denkens zu legen, der unmittelbar nach Kriegsende zum überwältigenden Sieg der Labour Party führte". Es war die Zeit, als in Amerika über eine Million Exemplare von "One World" verkauft wurden, dem Buch, in dem der prominente New-Deal-Kritiker Wendell Willkees die Ziele des amerikanischen Kriegseintritts erläuterte - die Zeit also, in der Bücher die gesellschaftliche Debatte anregten und in der man es auf Verlagsseite für selbstverständlich hielt, daß politische und soziale Fragen nicht nur eine Gruppe von Fachleuten und Politikern, sondern die gesamte Bevölkerung interessieren müßten.

Schiffrin hatte seine Laufbahn bei der "New American Library of Word Literature", dem Nachfolger von Penguin USA, begonnen, wo unter dem Motto "good reading for the millions" Faulkners Bücher in ebenso reißerischen Schutzumschlägen erschienen wie die Schundromane. Von dort ging er zu Pantheon, damals, 1961, bereits unter dem Dach von Random House. Obwohl alles im Buchgeschäft damals besser war als heute, war es doch keineswegs gut. In den frühen sechziger Jahren herrschte im Nachklang der McCarthy-Ära ein Klima der Einschüchterung, in dem die Veröffentlichung einer Artikelsammlung von IF Stone, der sich als Journalist gegen die Politik McCarthys engagiert hatte, schon als Mutprobe galt.

Schiffrin blieb bis 1990 bei Pantheon, hat also die zahlreichen Akquisitionen anderer Verlage durch Random House und jeden Besitzerwechsel über dreißig Jahre miterlebt. Er war einer der Lektoren, die Autoren wie Chomsky, Regis Debray oder Stud Terkel dem amerikanischen Publikum bekannt machten, und er ging rechtzeitig, um nicht mehr dabeizusein, als derselbe Verlag als Haupttitel einer Saison eine Sammlung von Barbie-Bildern herausbrachte. Ähnlich wie Pantheon ging es dem ebenfalls zu Random House gehörigen Verlag Alfred Knopf, aus dessen sehr profitablem Programm die anspruchsvollen Übersetzungen ebenso verschwanden wie Bücher zu Philosophie und Kunstkritik. Sowohl unter dem Konzerndach des Elektroriesen RCA, der Random House 1965 kaufte, als auch unter Si Newhouse, der die Verlagsgruppe 1986 übernahm (als sich General Electric, inzwischen Eigentümer von RCA, von zwei unprofitablen Geschäftszweigen trennte, einem Hühnerfabrikanten und eben Random House), reichte es nicht mehr, wenn die Verlagsgruppe insgesamt schwarze Zahlen schrieb, sondern jeder Einzelverlag und schließlich jeder einzelne Titel mußte plötzlich gewinnbringend sein. Unter Bertelsmanns Regie ist das heute nicht anders. Die in unabhängigen Verlagen bewährte Praxis, mit erfolgreichen Büchern weniger erfolgversprechende zu finanzieren und eine Backlist aufzubauen, die in der Zukunft für Einkommen sorgt, wurde damit ausgehebelt, mit den bekannten desaströsen Folgen für die Backlist wie für die aktuellen Programme. Daß in Amerika zum Beispiel heute nicht mehr Knopf, sondern die Nebraska University Press zum wichtigsten Verlag für aus dem Deutschen übersetzte Literatur ist, spricht für sich.

Heute leitet Schiffrin "The New Press", einen von ihm gegründeten gemeinnützigen Verlag, der sich aus geringen öffentlichen Zuwendungen und der Unterstützung von vierzig privaten Organisationen finanziert. Hierher sind ihm einige wohlbekannte Autoren, etwa Marguerite Duras, John Leonhard und Studs Terkel, gefolgt. Sein Umsatz beträgt drei Millionen Dollar jährlich, den Vertrieb besorgt einer der letzten unabhängigen Vertriebe, W.W. Norton, und seit der Gründung im Jahr 1992 hat The New Press mehr als zweihundert Titel herausgebracht. Der Verlag, wiewohl keineswegs allein, steht wie ein kleiner Fels in der Brandung der aus den Medienkonzernen sich ergießenden Kommerzbuchware und bringt Bücher heraus in der Überzeugung, daß die Leser klüger sind, als die Konzerne denken. Und vor allem: als käme es auch heute noch darauf an, was die Leute lesen.

Während Schiffrin den Verfall beklagte, erklärte Lepham in der Diskussion im Deutschen Haus die Situation als unverändert miserabel. Die Vereinigten Staaten seien niemals ein literarisches Land gewesen - wie Frankreich etwa oder Deutschland - und die Leser immer eine kleine Gruppe, die auch heute noch lese. Zum Streit zwischen den beiden kam es nicht, denn worüber läßt sich mit einem streiten, der überhaupt keine Hoffnung kennt?

Schiffrin jedenfalls läßt sich seine Empörung und auch seinen Idealismus im eigenen Tun nicht verwässern. Faktisch erzählt er in seinem Buch zwar nichts Neues, und mit dem Rundumschlag gegen die Konsumgesellschaft, mit der er seine Darstellung des intellektuellen Niedergangs beschließt, fährt er in einem Waggon, den der Zug der Geschichte längst abgehängt hat und in dem er nun ausgerechnet nach Norwegen rollt, in dessen Buchförderungsprogramm "die Drucklegung norwegischer Autoren und norwegenbezogener Themen auf Dauer" gesichert sei, was als Vorbild gelten soll für andere europäische Länder, aber auch für Amerika. Das mag für den erwartungsvollen Leser ein etwas ernüchternder Abschluß sein, aber er wird überstrahlt von der Lust am Büchermachen und dem Glauben an die Schrift (auch wo sie irrt). Beides spricht aus jedem Absatz dieser Erinnerungen.

Hoffen auf Ernüchterung

Etwas näher am Lauf der Zeit schrieb Jason Epstein vor einigen Monaten in der "New York Review of Books" die Geschichte der Bücher zu Ende. Auch er, der 1958 als Lektor zu Random House kam, erinnert sich noch an die goldene Zeit des Büchermachens, als die Autoren unangemeldet hereinschneiten wie John O'Hara, der seinen Rolls-Royce aufschneiderisch im Hof in der Sonne glitzern ließ, und als die Dichter, nicht immer allein, auf den Couchen im Verlag übernachteten.

Für Epstein - wie übrigens auch für Klaus Wagenbach, der das Nachwort zu Schiffrins Buch geschrieben hat - ist die augenblickliche Situation des Oligopols im Buchmarkt eine Übergangsphase, die dann zu Ende gehen wird, wenn die Großkonzerne endlich erkannt haben, daß mit Büchern auch unter Anwendung anderweitig bewährter Gewinnmaximierungs- und Marketingstrategien kein großes Geschäft zu machen ist. In Verbindung mit den neuen Technologien, die Produktion und Vertrieb umwälzen, wird dies, so Epstein, geradewegs wieder dahin führen, wo er und Schiffrin einst begonnen haben: in eine Welt der kleinen Buchläden, die die einzigen sein werden, die den Megastores im Internet etwas entgegenzusetzen haben, weil sie etwas anderes können: auswählen nämlich und einen intimen Raum schaffen, in dem man die Gesellschaft anderer Leser findet. Und um aus dem Chaos des Angebots im Netz, wo jeder seine eigenen Bücher veröffentlichen kann, Bedeutung zu ziehen, werden auch wieder einzelne Lektoren und Verleger wichtig werden. Traditionelle Verlagsaufgaben wie Marketing, Verkauf, Versand und Lagerhaltung mit all ihren bürokratisch ineffizienten Verwurstelungen könnten auf ein Minimum beschränkt und von Spezialfirmen abgewickelt werden. Womit das Buchgeschäft wieder wäre, was es am Anfang war, einem Amateursport vergleichbar und nur am Rande auch ein Geschäft.

VERENA LUEKEN

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

“Es wird abgerechnet in diesem Buch”. Und Joachim Günter referiert durchaus zustimmend die knackigsten Vorwürfe: Dass in den Verlagen die “Marktzensur” um sich greift. Dass Großverleger wie S.I. Newhouse und Ruppert Murdoch ihre Konzerne einsetzen, um Politik zu machen. Dass es keinem mehr um Wissensvermittlung geht. Logischerweise hat Wagenbach die deutsche Version dieses aus einem viel beachteten Essay hervorgegangenen Buches publiziert. Und Günter freut sich, dass der ein Nachwort geschrieben hat, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der angelsächsischen und der deutschen Situation zu markieren. Aber natürlich: Die Buchpreisbindung muss bleiben.

© Perlentaucher Medien GmbH