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Dem hohen Mittelalter, einer Schlüsselepoche in der mehr als 2000-jährigen Geschichte der Stadt Paris, ist dieses Buch gewidmet. Wie in dieser Zeit Paris zur Hauptstadt Frankreichs aufgestiegen ist, wird quellennah und anschaulich, mit stringenten methodischen Zugängen und neuen Forschungsergebnissen dargelegt. Dieser spannungsreiche und komplexe Prozess trug wesentlich dazu bei, dass Paris zur größten Stadt Europas mit mehr als 200.000 Einwohnern im späten Mittelalter wurde. Gleichzeitig stieg die französische Monarchie noch im 13. Jahrhundert zur bedeutendsten des Kontinents auf. Paris und…mehr

Produktbeschreibung
Dem hohen Mittelalter, einer Schlüsselepoche in der mehr als 2000-jährigen Geschichte der Stadt Paris, ist dieses Buch gewidmet. Wie in dieser Zeit Paris zur Hauptstadt Frankreichs aufgestiegen ist, wird quellennah und anschaulich, mit stringenten methodischen Zugängen und neuen Forschungsergebnissen dargelegt. Dieser spannungsreiche und komplexe Prozess trug wesentlich dazu bei, dass Paris zur größten Stadt Europas mit mehr als 200.000 Einwohnern im späten Mittelalter wurde. Gleichzeitig stieg die französische Monarchie noch im 13. Jahrhundert zur bedeutendsten des Kontinents auf. Paris und Frankreich sind bis heute von diesen mittelalterlichen Grundlagen geprägt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie und warum wurde Paris zur Hauptstadt Frankreichs? Dieser Frage gehe Andreas Sohn in seinem Buch "Von der Residenz zur Hauptstadt" nach, berichtet der Rezensent Erwin Seitz. Die handelnden Personen hätten zwar etwas bunter präsentiert werden können, meint Seitz, insgesamt sei die historische Entwicklung aber spannend zu verfolgen. Nachdem zuvor andere Städte als königliche Residenz gedient hatten - unter den Karolingern Metz, unter den Carpetingern Orléans - sei besonders der Konflikt mit dem Herzog der Normandie dafür verantwortlich, dass Paris in den politischen Mittelpunkt rückte, erfährt der Rezensent von Sohn. Der Herzog sei nämlich ganz nebenbei noch König von England gewesen und der habe sich der französischen Krone nicht beugen wollen. Unter König Ludwig dem VI., der von 1108 bis 1137 regierte, wurden nach und nach der Ritterstand und die Barone der Krondomäne entmachtet und das Land nutzbar gemacht, um die Auseinandersetzungen mit dem Herzog-König finanzieren zu können. Die gotische Baukunst, die in der Krondomäne entstand, die Universitäten und die wachsende Verwaltung, die notwendig geworden war, machten die Residenzstadt schließlich auch zur Kapitale, fasst der Rezensent die wichtigsten Faktoren zusammen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2012

Es musste auch ohne Ritter gehen

Mit Rechnungswesen, Gotik und Disputierkunst: Andreas Sohn zeigt, wie sich Paris im hohen Mittelalter zur Kapitale mauserte.

Man stelle sich vor, es gäbe eine europäische Hauptstadt. Eine Kapitale, welche die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Energien des Kontinents bündelt und zum wirklichen Impulsgeber wird, eine Metropole, die überhaupt eine Vorstellung davon vermittelt, was Europa sei - durch einprägsame Bauwerke, funktionierende Institutionen, markante Persönlichkeiten, Lebensart und Weltläufigkeit.

Wie heute die Europäer, so hatten lange auch die Deutschen große Schwierigkeiten, eine Mitte zu finden. Mehr als anderswo fühlen sich hierzulande die Historiker angespornt, das Phänomen der Residenzbildung und der Hauptstadtwerdung zu erforschen, weil es einen wunden Punkt der eigenen Geschichte betrifft. Federführend behandelt die Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen dieses Thema.

Seit 1990 ist Werner Paravicini der Vorsitzende dieser Kommission, gleichzeitig war er mehrere Jahre Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Paris. Die Stadt an der Seine mutet ja für viele als das Musterbild einer europäischen Hauptstadt an. Die deutschen Residenzforscher zieht es immer wieder dort hin - so auch Andreas Sohn, der seit 2001 an der Universität XIII Geschichte lehrt. Paravicini ermutigte Sohn dazu, seine Einzeluntersuchungen über das mittelalterliche Paris in einem Buch zusammenzufassen und zu erklären, wie das eigentlich ging, aus Paris eine Hauptstadt zu machen.

Sohn führt vor Augen, dass es auch Paris nicht leicht hatte, sich als königliche Residenz und Kapitale durchzusetzen. Immerhin bevorzugte schon Chlodwig I. von 508 an Paris als Residenz. Doch als die Merowinger von den Karolingern als Könige abgelöst wurden, sank der Stern von Paris wieder. Die Karolinger hatten ihr Stammgebiet zwischen Maas und Mosel und bevorzugten Metz als königliche Pfalz, bis Karl der Große von 794 an Aachen als führende Residenz des Frankenreiches ausbauen ließ. Nach der Teilung des Reiches 843 residierten die westfränkischen Karolinger häufig in Compiègne, achtzig Kilometer nordöstlich von Paris. Dann folgten 987 den Karolingern die Capetinger auf dem Thron und förderten zuerst Orléans als bevorzugten Ort, hundert Kilometer südwestlich von Paris - bis endlich, nach langem Hin und Her, seit der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts doch wieder Paris in den Fokus rückte.

Der Herzog der Normandie, der seit 1066 zugleich König von England war, trug sein Scherflein dazu bei, dass der König von Frankreich wieder mehr Gefallen an Paris fand. Formell war der Herzog der Normandie ein Vasall des Königs von Frankreich, doch ließ er sich als gleichzeitiger König von England von diesem nichts sagen. Es kam zu ständigen Querelen zwischen den beiden. Die französische Krondomäne, die sich vorläufig als schmaler Schlauch von Nordosten nach Südwesten zog: von Compiègne über Paris nach Orléans, grenzte nach Westen hin an die Normandie an. Die mittlere Position von Paris schien am besten dafür geeignet zu sein, um den Herzog der Normandie in Schach zu halten.

Doch der Positionswechsel allein, die Verlagerung der Macht von Orléans nach Paris, hätte dem französischen König noch nicht viel genutzt. Die fortwährenden Scharmützel mit dem Herzog der Normandie und König von England waren teuer. Der Herzog-König verfügte über größere finanzielle Ressourcen als der Herrscher von Frankreich, dem es gelingen musste, in seiner Krondomäne mehr Erträge zu erwirtschaften als bislang.

Aber wie macht man das? Das französische Königshaus konnte nach und nach die fehdefreudigen Barone der Krondomäne entmachten und das Land befrieden, was der Landwirtschaft und dem Handel zugutekam, gerade unter König Ludwig VI., der von 1108 bis 1137 regierte. Er war zuvor in der Klosterschule von Saint-Denis erzogen worden, ein paar Kilometer nördlich von Paris. Ludwig wuchs dort gemeinsam mit Suger auf, der seinerseits Mönch wurde, bald auch der Berater von Ludwig VI. und von 1122 an Abt des Klosters. Die Zähmung der Barone gelang nicht zuletzt durch Sugers Wirken.

Sohn legt umsichtig die Fakten dar, doch die handelnden Personen und ihre Beziehungen könnten noch etwas bunter hervortreten. Möglicherweise war Suger der entscheidende politische Kopf. Seine Schriften gehören wohl zu den bedeutendsten Geschichtswerken des zwölften Jahrhunderts, darunter seine Biographie über Ludwig VI., sein Buch über die Einweihung der Klosterkirche von Saint-Denis, die zu einem Pionierbau der Gotik wurde, und sein Buch über die Verwaltung.

Suger entdeckte den archimedischen Punkt: Er sah die kampfeslustigen Ritter als die Geißel der Zeit an, als jene, welche den Bauern und Kaufleuten, den Mönchen und Nonnen, den Bischöfen und Königen das Leben schwermachten. Der Abt zerrte, so beschreibt er es selbst, die Barone mit Hilfe des Königs vors Gericht, entzog ihnen angemaßte Rechte, stattete die Bauern mit besseren Pflügen aus, steigerte die landwirtschaftlichen Erträge um das Fünf- bis Zehnfache und sorgte für mehr Wohlleben. Es ging nicht um Ehre, Ruhm und Macht des Rittertums, sondern um gesellschaftliche Entwicklung: um die Stärkung des Justizwesens, des Schulwesens, der Baukunst, der Landwirtschaft, der Sitten und Moral.

Solche Ideen und Taten arbeiteten einem neuen urbanen Aufschwung zu. Die hohen bäuerlichen Erträge der Krondomäne schufen die Grundlage für die Entstehung einer Metropole. Ludwig VI. sorgte für einen neuen großen Markt in Paris, am nördlichen Ufer der Seine, wo bald auch Hallen entstanden, welche dem Viertel den Namen gaben: Les Halles. Die Kaufleute wurden gefördert und mit königlichen Privilegien ausgestattet.

Eigentlich bildeten Ludwig und Suger kein Duo, sondern gemeinsam mit Peter Abälard ein Triumvirat. Abaelard, für seine dialektischen Disputierkünste berühmt, war um 1100 nach Paris gekommen. Er besuchte die Domschule, die von Wilhelm von Champeaux geleitet wurde. Paris machte von nun an als Ort der Gelehrsamkeit von sich reden und stach die bisher führenden französischen Domschulen in Chartres, Laon und Reims aus. Wilhelm und Abaelard verließen schließlich die Pariser Domschule und gründeten am linken Ufer der Seine eigene Schulen. Diese neue Vielfalt des Lehrangebots wurde zur Grundlage der Pariser Universität, die anfangs des 13. Jahrhunderts formelle Statuten erhielt.

Die königlichen Hofämter wurden schon seit dem zwölften Jahrhundert nicht länger an ritterliche Vasallen vergeben, sondern in Behörden verwandelt, denen wechselnde Beamte vorstanden. Diese sollten mehr und mehr Fachkräfte sein, die vorher ein akademisches Studium absolviert hatten. Dem König stand bald ein effizientes Gerichts- und Finanzsystem zur Verfügung. Paris war jetzt nicht nur, wie Sohn herausstellt, königliche Residenz, sondern stieg durch die zentralen Behörden und Verwaltungsorgane zur Hauptstadt auf.

Nicht allein die Universität, auch die gotische Baukunst, die im Wesentlichen im Gebiet der französischen Krondomäne erfunden wurde, wirkte staatstragend und verlieh der Hauptstadt ein neues Gesicht. Zuerst durch die Klosterkirche von Saint-Denis nördlich der Stadt, dann, von 1163 an, durch die neue Kathedrale Notre-Dame auf der Île de la Cité, wo auch der königliche Palast lag, der seinerseits, von 1241 an, mit der Sainte-Chapelle geschmückt wurde, mit einem lichtvollen Raum, welcher zu einem Aufbewahrungsort der Dornenkrone Christi wurde. Der französische Herrscher konnte sich nun als der "allerchristlichste König" bezeichnen lassen. Auch der Glaube wirkte staatstragend, im Anfang aber war die Vernunft.

ERWIN SEITZ.

Andreas Sohn: "Von der Residenz zur Hauptstadt". Paris im hohen Mittelalter.

Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2012. 256 S., Abb., geb., 26,- [Euro].

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