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Konfessionen über eine Profession
Psychotherapeuten schreiben gern, fast immer über andere und fast nie über sich selbst. Deshalb gibt es kaum Publikationen über die Angehörigen jenes Berufes, den Sigmund Freud einen der "unmöglichen" genannt hat. Nun nehmen erstmals 60 Insider ihre eigene Profession ins Visier, liefern harte Daten und Fakten, schildern Entwicklungen, üben Selbstkritik, berichten über Erfolge und Niederlagen und lassen keinen Zweifel an der Faszination ihrer täglichen Arbeit. Abgerundet wird das Buch durch die Eindrücke von Patienten über ihre Behandler und die Gedanken von…mehr

Produktbeschreibung
Konfessionen über eine Profession

Psychotherapeuten schreiben gern, fast immer über andere und fast nie über sich selbst. Deshalb gibt es kaum Publikationen über die Angehörigen jenes Berufes, den Sigmund Freud einen der "unmöglichen" genannt hat. Nun nehmen erstmals 60 Insider ihre eigene Profession ins Visier, liefern harte Daten und Fakten, schildern Entwicklungen, üben Selbstkritik, berichten über Erfolge und Niederlagen und lassen keinen Zweifel an der Faszination ihrer täglichen Arbeit. Abgerundet wird das Buch durch die Eindrücke von Patienten über ihre Behandler und die Gedanken von Sprösslingen über ihre Therapeuten-Eltern.

Herausgeber sind:
- Otto F. Kernberg, Past President des Weltverbandes der Psychoanalytiker
- Birger Dulz, Psychiater, Borderline-Therapeut und Erfolgsautor
- Jochen Eckert, Ordinarius für Klinische Psychologie und einer der bekanntesten Gesprächspsychotherapeuten

Unter dieser Federführung haben prominente Psychotherapeuten aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und den USA ein Buch in die Welt geSetzt, das die Identität eines der spannendsten Berufsfelder der Gegenwart widerspiegelt.

- Rund 60 bekannte Psychiater und Psychotherapeuten nehmen sich selbst ins Visier
- Ein Blick in den Spiegel und hinter die Couch: Was Psychotherapeuten schon immer über Psychotherapeuten wissen wollten (... und sich nicht zu fragen trauten).
- Therapeuten aus der Sicht ihrer Patienten und ihrer Kinder

Das Buch enthält u.a. Beiträge aus der Feder von:
Eva-Maria Biermann-Ratjen, Thomas Bronisch, Anna Buchheim, Dietrich von Engelhardt, Harald Freyberger, Sven Olaf Hoffmann, Eva Jaeggi, Horst Kächele, Karl König, Rainer Krause, Mathias Lohmer, Friedemann Pfäfflin, Udo Rauchfleisch, Luise Reddemann, Franz Resch, Hertha Richter-Appelt, Gerhard Roth, Gerd Rudolf, Ulrich Sachsse, Almuth Sellschopp, Wolfgang Schmidbauer, Bernhard Strauß, Vamik Volkan, Leon Wurmser

Aus dem Inhalt
Theoretisches:
- Symptome und Einstellungen von Psychotherapeuten
- Sexualität und Psychotherapeuten
- Kinder von Psychotherapeuten
- Kleine Psychotherapeuten-Charakterkunde
- Freuds Umgang mit Kollegen
Institutionalisiertes:
- Psychoanalyse und psychiatrische Institutionen
- Der Psychotherapeut und sein Narzissmus
- Über Unehrlichkeit in der Forschung
- Psychotherapeut - ein freier Beruf?
Persönliches:
- Mein Therapeut. Ansichten einer Patientin
- Lebensweg und Therapieschule
- Sollten nicht nur Patienten, sondern auch Psychotherapeuten diagnostiziert werden?
- It's a show. Therapeuten auf und hinter der Kongressbühne
- Psychoanalyse in internationalen Beziehungen und internationale Beziehungen in der Psychoanalyse
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005

Unter Freunden
Sie können auch neidisch werden: Psychotherapeuten geben Auskunft über sich selbst und ihren Beruf / Von Eberhard Rathgeb

Peter? Dieser Peter hat eine sehr verständnisvolle und weiche Art, und ebendas unterscheidet ihn von den anderen Petern. Nach dem Studium ging der weiche und verständnisvolle Peter - wir sagen das ohne Ironie - nach Indien, wo einst schon Hermann Hesse Erlösung erhoffte aus seiner seelischen Qual. Dann kam der Peter aus Indien nach Deutschland zurück und tat, was immer noch viele Männer tun: Er heiratete. Eine Freundin von Peter - sie hat Peter während des Studiums in der Wohngemeinschaft ihrer Freundin kennengelernt - sagt über Peter, er sei ihr sehr vertraut - überdies mit ihm alles "intellektuell, sehr intellektuell" -, die beiden "können stundenlang über abstrakte und sachliche Themen sprechen". Kluger Peter, schöne Beziehung. Peter ist Psychotherapeut, und die Autorin, die ihre nahe Geschichte mit Peter beschreibt, ist Psychotherapeutin. Diese schlichte und ehrliche Geschichte mit Peter steht in einem Buch, das zahlreiche Psychotherapeuten über sich selbst und ihren Beruf geschrieben haben, ohne die Nähe zu sich selbst irgendwo zu verlieren.

Wenn heute Germanisten, Soziologen, Betriebswirte, Geologen, Chemiker oder Ingenieure ein Buch herausbringen würden, das hieße lapidar "Wir" - wir würden uns wundern. Wenn Psychotherapeuten ein "Wir"-Buch herausbringen, wundern wir uns nicht. Und wenn in dem Buch ein Peter auftaucht, wundern wir uns im Grunde auch nicht mehr. Offenbar sind die Psychotherapeuten eine Berufsgruppe, die nicht immer unterscheiden muß zwischen Werden, Wissen und Wirken. Nicht einmal die großen Köche vertragen ohne Zweifel ein "Wir"-Buch. Studenten der Germanistik würden aus einem Germanisten-"Wir"-Buch wahrscheinlich etwas lernen, immerhin gibt es in diesem Reich der Deutungen mehrere Richtungen und einige offene Schulen, so daß die persönliche Geschichte einer ganz normalen wissenschaftlichen Philologenkarriere nicht nur auf zwei dürren Berufsphilologenbeinen stehen würde.

Aber was macht der ganz normale Philologe in seinem rudimentären Wir-Gefühl? Er schweigt sich als Gruppe aus und schuftet sich allein weiter im Massiv der Fußnoten voran. Wie hießen seine Meister? Welche Theorien zogen ihn aus welchen Gründen himmelwärts an? Wie reagierten die närrischen und neidischen Kollegen darauf? Was geschah, als er im Germanistischen Institut der Bonner Universität auftauchte und Furore zu machen versuchte? Sind seine Freunde allesamt auch Philologen wie er selbst? Kommen seine Kollegen zu ihm, um sich bei ihm teuren Rat zu holen? Wie steht es grundsätzlich um seine egal ob rheinländische oder saarländische, Hauptsache: philologische Identität? Alle diese Fragen in Richtung Lehrpersonal laufen in den leeren Gängen leer - und könnten doch gerade für suchende Anfänger in die trockene Wissenschaft einen Hauch normaler Lebensgeschichte pusten. Nicht alle Peters unter den Philologen hießen ja mit Nachnamen Szondi.

Die Psychotherapeuten mit dem Peter-faktor sind Leute eines anderen Kalibers. Sie melden sich gerne und freiweg zu einem offenen Wort über sich selbst, auch wenn sie nicht - oder wahrscheinlich gerade weil sie nicht zu den ganz Großen ihrer Zunft gehören. Vermutlich gelingt es ihnen deshalb, ohne Hemmungen das Wort über sich selbst zu ergreifen, weil sie dabei im sicheren Gefühl handeln, an den allgemeinen Problemen der seelischen Schraffur teilzunehmen. Irgendeine Macke hat schließlich ja nahezu jeder.

Andererseits gehören die Psychotherapeuten zu einer Berufsgruppe, die sich am stärksten von allen Berufsgruppen dadurch definiert, daß sie um die Großen ihres Faches kreist. Diese Zentrifugalkraft wird vor allem durch die Psychoanalytiker am Rotieren gehalten, deren Beziehungsschwierigkeiten mit Freud landauf, landab bekannt sind. Solche Probleme mit den goldenen Worten des Allerersten Vorsitzenden finden sich heute noch bei den Anthroposophen, die sich nur oder vor allem an der wegweisenden Hand Rudolf Steiners in die Welt trauen. Auch bei Anthroposophen herrscht keine Scheu vor intellektuellen Bekenntnissen aller Schattierungen.

Fast jede ganz normale Geschichte vom persönlichen Werdegang eines Psychotherapeuten, wenn der Weg sich denn nicht durch die summende Wiese der Esoterik schlängelt, beweist die Not des Schülers, seinem Meister erst folgen zu müssen, darauf vielleicht nicht mehr in allen Vorgaben nacheifern zu wollen und schließlich die Pferde der Anschauung und der Theorie zu wechseln. Später arbeiten Psychotherapeuten auch in psychiatrischen Kliniken und treffen dort auf sehr schwierige Fälle seelischen Durcheinanders, vor denen der normale Menschenverstand, der sich nicht einmal durch das Beziehungsgeflecht der eigenen sexuellen Partnerschaft zu finden weiß, kapituliert.

Wenn die Psychotherapeuten aber so viel mehr wissen, als der normale Menschenverstand kapiert, und wenn deren Wissen so hilfreich und gut für die Menschen ist, wo bleibt dann die psychotherapeutische Menschenkunde für die Schule? Wie hilfreich wäre für die Menschen, die später Paare bilden und vielleicht Familien gründen, sich scheiden lassen und mit ihren Kollegen über Kreuz liegen, vereinsamen und sich schließlich erschießen und erhängen, wenn sie früh etwas über sich und den Beziehungsschlamassel erfahren würden.

Zu den Großen der Zunft, die öffentlich gerne "wir" sagt, gehört Otto F. Kernberg. Er hat nicht nur einflußreiche Monographien geschrieben, sondern er ist auch einer der Herausgeber des dicken "Wir"-Buches. Vertreten ist er dort mit einem Text, in dem er ausführlich seine psychotherapeutische Ausbildung beschreibt, die ihn durch mehrere Länder und über verschiedene theoretische Stationen führte. Wahrscheinlich hätte Niklas Luhmann für ein entsprechendes Soziologen-"Wir"-Buch seinen Werdegang mit derselben systemischen Sicherheit über den erforschten Gegenstand beschreiben können, wie das Kernberg hier vermag. Selten genug überkommt uns bei ähnlichen Texten das Gefühl, daß die Seele in den verläßlich und sorgsam ordnenden wissenschaftlichen Händen so gut und das heißt doch nun: handfest aufgehoben ist. So muß sich die Gesellschaft in Luhmanns Obhut gefühlt haben.

Obwohl es mehr Psychotherapeutinnen als Psychotherapeuten gibt, sind in diesem Buch mehr Psychotherapeuten als Psychotherapeutinnen vertreten, was nicht weiter schlimm sein muß, aber doch selbst zu einem Thema des Buches gemacht wird. In dem Buch erfahren wir etwas über die Bedeutung des Geschlechts für die Psychotherapie, und wir lernen persönliche Ansichten über Kollegen als Patienten und persönliche Ansichten über Psychotherapeuten als Freunde sowie mehr oder weniger persönliche Ansichten über die Psychotherapeuten und das Geld kennen. Wie wäre es, wenn dieses Buch, das uns an ein Dokument aus der in den siebziger Jahren von den westlichen Schriftstellern restlos verlassenen Sphäre der Arbeitswelt erinnert - wie wäre es, wenn dieses Dokument einer anderen neuen Arbeiterliteratur wenigstens Nachfolger bei anderen Berufen fände: Schauspieler zum Beispiel (entsprechend würden wir dort dann eine kleine Schauspieler-Charakterkunde lesen können) oder Regisseuren (entsprechend: Liebesbeziehungen von Regisseuren), oder Chirurgen (entsprechend: Verachtung, Ekel und Ärger des Chirurgen) oder Politiker (entsprechend: der männliche Politiker). Träume.

Das Buch wird wahrscheinlich vor allem Psychotherapeuten und solche, die es werden wollen, interessieren, und sie werden wahrscheinlich auch ertragen, daß dort manche butterweiche Peter-Lebensweisheit angeboten wird, und sie werden auch den butterweichen Peter-Stil ertragen, in den einige Selbstauskünfte fallen. Sind Psychotherapeuten neidisch? Das steht im großen "Wir"-Buch. Sind Soziologen sozial, fragen wir zurück und denken an den langen Alltag von Psychotherapeuten in den psychiatrischen Kliniken, der in diesem dicken Buch nicht vorkommt, obwohl sich ein ganz langes der drei großen Oberkapitel der Psychotherapie in den Institutionen widmet. In den Institutionen scheint alles in Ordnung zu sein.

Auch Otto F. Kernbergs Werdegang führte durch einige Institutionen, in denen alles in Ordnung zu sein schien - das einzige, was nicht in Ordnung zu sein schien, das waren die Auseinandersetzungen der Rechthaber mit den Andersgläubigen. Seltsame theoretische Welt. Seltsame heile unheile Welt, möchten wir hinzufügen, wenn wir hier und dort zwar erfahren, daß immer wieder Forschungsgelder aufgetrieben werden können, aber eben nicht erfahren, wer und zu welchem Zweck genau das Geld für diese Forschungen bereitstellt.

Wir haben dieses Buch mit Petersgeduld gelesen, und wir haben dabei wieder die Erfahrung gemacht, daß wir uns nicht auf Dauer zur Petersgeduld zwingen können, geschweige denn, daß wir uns jemals zu einer Petersgeduld werden hinreißen lassen. Zu dieser Erfahrung stehen wir.

Otto F. Kernberg, Birger Dulz, Jochen Eckert: "Wir: Psychotherapeuten über sich und ihren ,unmöglichen' Beruf". Schattauer Verlag, Stuttgart 2005. 609 S., geb. 59,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht nur die durchweg den pluralis majestatis bevorzugenden FAZ-Autoren haben in Sachen "Wir" eine deformation professionelle. Fast schlimmer noch sieht es, wenn man der Rezension von Eberhard Rathgeb glauben darf, bei den Psychotherapeuten aus. Die nämlich sind in diesem Band versammelt, mit Selbstaufskünften, die "wahrscheinlich vor allem Psychotherapeuten und solche, die es werden wollen" interessieren dürften. Der Rezensent verteilt über seine Besprechung konkrete Beobachtungen, kritisiert den vielfach auftretenden "butterweichen Peter-Stil", macht sich eher allgemein gehaltene Gedanken ("wo bleibt dann die psychotherapeutische Menschenkunde für die Schule?"), findet den Text des Mit-Herausgebers Otto F. Kernberg sehr professionell und verliert gegen Ende dann doch seine "Engelsgeduld": "Zu dieser Erfahrung stehen wir."

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