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Auf unerklärliche Weise verschwinden weltweit hohe Geldmengen, lösen sich Computerkonten in nichts auf, falsche Aktioenkurse führen zu Panikverkäufen, ganze Bankvermögen werden wie von Schwarzen Löchern verschluckt. Die Spur führt zu einer Terrorsekte um den "großen Antimago", die einen perfiden Plan verfolgt: Sie will die Menschheit "vom Geld befreien".

Produktbeschreibung
Auf unerklärliche Weise verschwinden weltweit hohe Geldmengen, lösen sich Computerkonten in nichts auf, falsche Aktioenkurse führen zu Panikverkäufen, ganze Bankvermögen werden wie von Schwarzen Löchern verschluckt. Die Spur führt zu einer Terrorsekte um den "großen Antimago", die einen perfiden Plan verfolgt: Sie will die Menschheit "vom Geld befreien".
Autorenporträt
Gert Heidenreich, geboren 1944 in Eberswalde, lebt in der Nähe von München. Sein Werk umfaßt Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays, Theaterstücke und Arbeiten für Funk und Fernsehen. Er wurde u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis (1986), dem Literaturpreis der Stadt München (1990), dem Phantastik-Preis (1995) sowie dem Marieluise-Fleisser-Preis (1998) ausgezeichnet. 1991-1995 Präsident des deutschen P.E.N.-Clubs (West).

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.05.2009

Kampf gegen Fotos und Geld
Gert Heidenreichs „Die Nacht der Händler” in einer Neuausgabe
„Die Nacht der Händler” ist vor fünfzehn Jahren schon einmal erschienen. Der Autor Gert Heidenreich begründet die Neuausgabe im Nachwort so: „Dass dieses Buch von einem utopischen Roman zu einer Parabel auf die Gegenwart wurde, hat mit der Konfusion zu tun, die unsere Geldmärkte derzeit ergriffen hat. Die gierigen Gauner, kriminellen Spekulanten und amoralischen Damen und Herren in den Chefetagen von Großbanken und Aktiengesellschaften haben Welt und Scheinwelt nicht mehr unterschieden. (…) Sie haben mit echtem Geld, das ihnen geliehen war, so gespielt, wie andere im Computer virtuell Krieg spielen, und mit diesem Verbrechen die Welt in eine schwere Lebenskrise gestürzt.” Den Willen, recht behalten zu haben, muss man als eine künstlerisch unergiebige Eitelkeit bezeichnen. Dabei hat Heidenreich ja gar nicht recht behalten, außer vielleicht darin, dass er dem Kapitalismus seine nächste Krise prophezeite. Dazu gehört ungefähr so viel, wie bei Sonnenschein zu verkünden, dass es trotzdem irgendwann regnen werde.
Heidenreich beharrt darauf, es sei unmoralisch und strafwürdig, mit „echtem” Geld zu hantieren, als wäre es ein Computer-Spielzeug – wo doch das echte Geld, das Kapital, vom bloßen Zahlungsmittel, das die Konsumenten in die Hand bekommen, sich dadurch unterscheidet, dass es nicht echt, nämlich wesenhaft nichts Handfesteres ist als die Hoffnung auf eine Rendite, welche sich dann einstellt oder auch nicht. Die prophetische ebenso wie die parabolische Kraft des Romans darf man nach alledem als gering veranschlagen. Es gibt nur eine schmale Überschneidung zwischen dem, was heute passiert, und dem, was der Autor vorausgesagt hat: die stets prekäre Versorgung mit dem Sauerstoff des Geldes, die das globale Wirtschaftssystem von Sekunde zu Sekunde zur Beatmung braucht, droht zusammenzubrechen.
Bei Heidenreich geschieht dieser Zusammenbruch nicht von innen heraus, aus dem System selbst, wie es doch ganz offenbar gegenwärtig der Fall ist, sondern durch boshafte Manipulation von außerhalb. Dazu bedarf es der messianischen Terrorgruppe „Antimago”, angeführt von dem dämonischen Boris Reeper (einem Anagramm aus Robespierre, wie eigens erklärt wird). Diese wütet gegen die zweite, künstliche Welt, die den Bestand der realen ersten in Frage stelle, und beginnt den bewaffneten Kampf zunächst gegen die Fotografie, speziell die Urlaubsknipserei; mit der Knarre am Kopf werden Touristenhorden gezwungen, ihre Fotoapparate in große aufgehaltene Müllsäcke oder von der Prager Karlsbrücke in die Moldau zu werfen.
Als nächster Teufel des Unwirklichen gerät das Finanzkapital ins Visier; hier erfolgt der Schlag gegen die „Datenautobahn”, wie es bei diesem Produkt einer nahen Vergangenheit noch mit altertümlicher Großspurigkeit heißt. Ausführlich wird aus einem Manifest zitiert, das unter dem Motto steht „Realité! Verité! Félicité!”: „Wollt ihr weiterhin tatenlos zusehen, wollt ihr eure Seelen weiter in die Computer führen lassen wie die Lämmer zur Schlachtbank? Noch ist Zeit, Freunde! (…) Kehrt um! Ihr habt die Kraft dazu, ich weiß es!” Unter dem Vorwand, den bußpredigerhaften Furor und die intellektuelle Beschränkung der Terroristen zu charakterisieren, äußert sich, so ist zu befürchten, viel vom eigenen Denken des Autors, dem es sichtlich Spaß macht, mit diesen Dingen zu spielen.
Das Virtuelle bleibt im Kasten
Will man dem Buch ein erhellendes Moment abgewinnen, so muss man es gegen den Strich lesen. Jeder konnte schon vor fünfzehn Jahren spüren, dass die moderne Informationstechnologie unser Leben noch weit stärker verändern würde. Aber man vermutete den Anprall von der verkehrten Seite, der Seite des „Virtuellen”, ein Wort, das heute nicht mehr so oft zu hören ist. Für Heidenreich stellt die Virtualität den Oberbegriff dar, mit dessen Hilfe er dem Missgefühl über die Inflation der Bilder und über die Beschleunigung des Kapitals Abfuhr in einem einzigen Affekt verschaffen wollte: ein damals möglicherweise plausibler, heute als verfehlt erkennbarer Ansatz. Man traute der Technik damals zu, dass sie schon bald die Wirklichkeit ununterscheidbar simulieren, ja sie durch etwas „Besseres” ausstechen würde. Der perfekte Cyber-Ganzkörperanzug, der in Heidenreichs Buch eine Schlüsselrolle spielt, kam indessen nie. Noch immer sitzt, was damals „virtuell” hieß, im Kasten fest; seine gewaltigen Auswirkungen in der „wirklichen” Welt haben sich auf anderem Weg eingestellt als auf dem der Verwechslung und Verdrängung.
Es passt, dass der Autor sich eine äußerst sentimentale Rahmenhandlung ausgedacht hat. Ein armer algerischer Teppichhändler findet die verwickelte Geschichte in Gestalt von nie abgeschickten Briefen in der kargen Bergidylle Liguriens, liest sie und hat von nun an reichlich Stoff als Märchenerzähler auf den orientalischen Märkten einer fernen Welt, aus der das Geld verschwunden ist. Nein, dass es so etwas wie die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts einmal hat geben können! Die erscheinen uns eigentlich schon heute kaum mehr glaublich. Was Heidenreich geliefert hat, indem er nachliefert, ist nicht die Bestätigung einer Utopie, sondern ein Lehrstück über die Vergänglichkeit von Zukünften. BURKHARD MÜLLER
GERT HEIDENREICH: Die Nacht der Händler. Roman. Langen-Müller, München 2009. 320 Seiten, 19,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gert Heidenreichs Begründung für die Neuausgabe seines vor 15 Jahren publizierten Romans, nämlich dessen Aktualität angesichts der gegenwärtigen Krise des Kapitalismus, mag Burkhard Müller nicht überzeugen. Denn die "prophetische Kraft" dieses utopischen Romans, in dem eine "messianische Terrorgruppe" auszieht, zunächst die Fotografie, dann die Finanz- und Computerwelt in ihrer bedrohlichen "Virtualität" zu bekämpfen, hält sich nach Ansicht des Rezensenten in Grenzen. Während nämlich die aktuelle globale Finanzkrise systemimmanent sei, werde bei Heidenreich von außen eingewirkt, so Müller, der hinter den als "bußpredigerhaften" Brandreden des Terroristenanführers durchaus die Zustimmung des Autors ahnt. Müller will die Verteufelung der Virtualität allerdings ziemlich verstaubt erscheinen, zumal viele der anfänglich gehegten Befürchtungen gegenüber der neuen Technologie sich nicht bewahrheitet haben. Und so hat er denn "Die Nacht der Händler" auch weniger als sich in der Realität bestätigende Utopie gelesen als vielmehr als Exempel für die "Vergänglichkeit von Zukünften".

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