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Die bröckelnde Pracht des architektonischen Erbes Kalkuttas, festgehalten auf prachtvollen Fotografien.
Im Kalkutta des 19. Jahrhunderts bildete sich unter der Herrschaft der British East India Company eine wirtschaftlich potente, indische Elite, die sich in einem oft eklektisch anmutenden Stilmix zwischen traditioneller Mogularchitektur und klassizistischen Elementen die bengalische Variante der Fabrikantenvilla errichtete. Heute sind die einstmals großartigen Villen und Paläste nur ein Schatten ihres früheren Selbst. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten…mehr

Produktbeschreibung
Die bröckelnde Pracht des architektonischen Erbes Kalkuttas, festgehalten auf prachtvollen Fotografien.
Im Kalkutta des 19. Jahrhunderts bildete sich unter der Herrschaft der British East India Company eine wirtschaftlich potente, indische Elite, die sich in einem oft eklektisch anmutenden Stilmix zwischen traditioneller Mogularchitektur und klassizistischen Elementen die bengalische Variante der Fabrikantenvilla errichtete. Heute sind die einstmals großartigen Villen und Paläste nur ein Schatten ihres früheren Selbst. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten steinernen Zeugen eines ehemals glanzvollen bengalischen Großbürgertums für immer verschwinden. 21 Fotografiestudenten von der Hochschule für Künste Bremen unter der Leitung von Peter Bialobrzeski haben als »Kolkata Heritage Photo Project« die verschwindende, bröckelnde Pracht dieses unvergleichlichen kulturellen Erbes fotografisch festgehalten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2008

Was die Karawane des Tages fallenließ
Peter Bialobrzeski erkundet mit 21 Fotografiestudenten die Paläste entlang der Chitpur Road in Kalkutta
Gäbe es einen Arzt, der Städte therapiert, seine Diagnose für viele asiatische Megacitys würde lauten: ,,Kurzzeitige Amnesie”. Wie Alzheimerpatienten leiden diese Metropolen an einer Krankheit, durch die sie alle ihre jüngeren Erinnerungen verlieren. Seoul, Peking, Bombay, all diese Megacitys scheinen in ihrem frenetischen Wettlauf in eine luxusumglänzte globalisierte Zukunft darum zu wetteifern, die letzten persönlichen Züge in ihrem Stadtbild auszuradieren wie eine peinliche Hasenscharte.
Über Kalkutta sprach man in Indien noch vor zehn Jahren wie über ein schwererziehbares Kind, das sich im hintersten Winkel des Subkontinents verkrochen hat und sich weigert, dem globalen Kapital gegenüber artig „Grüß Gott” zu sagen. Plötzlich aber ist die Stadt zum neuen Hotspot geworden, und die Medien bläuen der Bevölkerung nahezu täglich ein, dass man das international investment mit noch offeneren Armen empfangen solle, „damit wir alle die stolzen Bewohner einer global city” werden, wie es die Kolkata News einmal ausdrückte.
Als der Fotograf Peter Bialobrzeski 2005 nach Kalkutta kam, traf er am dortigen Goethe-Institut den Architekten Manish Chakraborti, der ihn mitnahm in den Norden der Stadt, die Gegend, die der furiose Neubeginn bislang noch nicht gefunden hat. Bialobrzeski traute seinen Augen nicht, als ihn Chakraborti durch die verwinkelten Straßen führte: Im 18. und 19. Jahrhundert erbauten hier indische Kaufleute, die mit Salz- oder Seidenhandel märchenhafte Reichtümer erwirtschaftet hatten, eklektische Paläste, Hybridkultur in Reinkultur, dorische Säulen unter Pagodendächern, türkische Bäder mit französischen Pilastern. All diese Häuser aus der Ära des glanzvollen bengalischen Bürgertums stehen hier immer noch und scheinen in den Erinnerungen an ihre eigene Vergangenheit zu verschwinden, die staubblinden Fenster halbgeschlossen. Es hat eine kaum zu beschreibende, somnambule Wirkung, wenn man aus dem stroboskopartigen Treiben der Stadt in einen dieser Hinterhöfe gespült wird: Plötzlich steht man in Gärten, hinter deren Dschungelvegetation vermooste Wendeltreppen aufscheinen, Kipling könnte hier sitzen, irgendwo kreischt ein Ara, ansonsten Stille.
Peter Bialobrzeski kam wieder, mit 21 Fotografiestudenten der Hochschule für Künste Bremen und inventarisierte mit ihnen eine dieser Straßen, die Chitpur Road, pars pro toto für den weltweit einmaligen architektonischen Reichtum und städtebaulichen Verfall. Auf ihren großartigen Bildern, die jetzt als Fotoband erschienen sind, gibt das geradezu postmodern anmutende Stilgemisch dieser Paläste die Kulissen ab für ein vibrierendes Stadtleben, all die alten Gebäude sind bewohnt, dorische Säulen, auf deren Kapitellen sich seit Jahrzehnten hohe Bäume festkrallen, beugen sich über Familienfehden vor feuchten Wänden, dünne Kartoffelverkäufer hocken unter einer Juteplane vor staatsmännisch stolzen Eingängen. Viele der Studenten arbeiten mit Langzeitbelichtungen, das Haus steht schwarz und schweiget, davor verwischen Menschen zu geträumten Schatten.
„Im schläfrig dunklen Keller unseres Geistes bilden die Träume ihre Nester aus Fragmenten und Abfällen, die die Karawane des Tages fallen ließ”, schrieb Rabindranath Tagore einmal, Tagore, dessen Familie in einem dieser Paläste, dem Nachbau eines schottischen Castles, vor hundert Jahren zu Hause war, einem Palast, zu dem es in anderen Städten eigene Führungen gäbe, so bizarr und geheimnisvoll muten die schmalen Ziegeltürmchen und buschüberwucherten Zinnen noch heute an. In Kalkutta ist das Gebäude in keinem einzigen Reiseführer erwähnt. ALEX RÜHLE
PETER BIALOBRZESKI (Hrsg.): Calcutta – Chitpur Road Neighboorhoods. Hatje Cantz, Ostfildern 2007. 144 Seiten, 74 farbige Abb., 39,80 Euro.
Architektonischer Reichtum und städtebaulicher Verfall: die Sadhana Oper in der Beadon Street in Kalkutta Foto: aus dem besprochenen Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2008

NEUES REISEBUCH

Für den Tisch Sechs korinthische Säulen überragen die schmale Straße und tragen einen prachtvollen Giebel. Davor kauern Straßenhändler auf dem Boden, ihre Ware nur notdürftig durch eine Plastikplane geschützt. Passanten eilen vorbei, ohne der Fassade Beachtung zu schenken. Was wie ein griechischer Tempel wirkt, ist eine riesige Stadtvilla im indischen Kalkutta. Die Anwohner nennen sie "Tagore Palace", weil hier früher ein Zweig der berühmten Tagore-Familie residierte. Deren prominentestes Mitglied, Rabindranath Tagore, erhielt 1913 den Literaturnobelpreis.

Der Familienpalast ist nur eine von vielen Stadtvillen, die im Umkreis der Chitpur Road verstreut liegen. Kalkuttas älteste Straße verläuft parallel zum Hooghly-Fluss im Norden der Megacity. In diesem Viertel lebten einst die Babus, bengalische Kaufleute, die während der Kolonialzeit durch den Handel im britischen Empire immens reich geworden waren - und diesen Reichtum auch zur Schau stellten. Wie etwa Raja Rajendra Mullik, der für seine Residenz an der P. K. Tagore Street neunzig Sorten von Marmor verwendet haben soll und seinen Spiegelsaal mit einem originalen Rubensbild zierte. Doch von der Pracht ist sechzig Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens nur wenig geblieben. Wo einst Bankette und Konzerte stattfanden, lagern heute Stoffballen und Alteisen. In einer der Villen ist eine Polizeistation untergebracht, nicht wenige der Nachfahren sind weggezogen oder verarmt. Vielen Bauten droht der Abriss, da seit einigen Jahren in der 15-Millionen-Metropole die Grundstückspreise explodieren. "Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die letzten steinernen Zeugen eines ehemals glanzvollen bengalischen Großbürgertums für immer verschwinden", schreibt Peter Bialobrzeski in seinem Vorwort zu dem Bildband "Calcutta. Chitpur Road Neighborhoods".

Das Buch ist das Ergebnis des "Kolkata Heritage Photo Project", das der Bremer Professor für Fotografie zusammen mit Studenten realisierte. Unter Anleitung des Denkmalschützers Manish Chakraborti und der Architektin Kamalika Bose fotografierten die Absolventen mit der Großbildkamera mehrere Dutzend alte Stadtvillen. Dabei ging es nicht darum, die bröckelnde Pracht festzuhalten, sondern auch das brodelnde Straßenleben einzubeziehen. Daher wirken die 74 in dem Buch abgedruckten Farbfotos wie melancholische Momentaufnahmen, in denen Glanz und Verfall, Pracht und Elend, Gegenwart und Vergangenheit eng beieinanderliegen. Bialobrzeskis Studenten ist es gelungen, den hinter Teestuben und Banyan-Bäumen versteckten architektonischen Reichtum Kalkuttas aufzudecken. Hoffentlich bringen die korinthischen Säulen des "Tagore Palace" eines Tages auch die Einheimischen zum Staunen - bevor es zu spät ist.

MARTIN H. PETRICH

Peter Bialobrzeski (Hg.): "Calcutta. Chitpur Road Neighborhoods", Hatje-Cantz-Verlag 2007, 144 Seiten, 74 Farbfotos, Texte von Florian Hanig und Manish Chakraborti, 39,80 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Bilder der Studenten des Fotografen Peter Bialobrzeski sind das mit Abstand Schönste, was man seit langem aus Indien gesehen hat." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

"Ein wunderbares, ungemein detailreiches Fotobuch, in dem Pracht und Armut auf paradoxe Weise ganz eng beieinander liegen. Hommage an eine Architektur, die - da sind sich die Denkmalschützer einig - nur noch wenige Jahrzehnte überleben wird." photoscala

"Eine gelungene, sorgfältige Foto-Dokumentation der historischen Bausubstanz der Chitpur Road, in der Pracht und Armut auf paradoxe Weise ganz eng beieinanderliegen. Eine Hommage an eine Architektur, die nur noch wenige Jahrzehnte überleben wird." deutsche bauzeitung

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Staunend und bewundert hat Rezensent Alex Rühle diesen Bildband in den Händen gehalten, den Peter Bialobrzeski mit Fotografiestudenten der Hochschule für Künste in Bremen zusammengestellt hat. Festgehalten ist darin jene Pracht Kalkuttas aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die im Wettlauf asiatischer Megacities unter die Räder zu kommen droht: In der Chitpur Road Neighbourhood stehen die alten Palästen des wohlhabenden bengalischen Bürgertums, die für den begeisterten Rezensenten "Hybridkultur" in Reinform darstellen: "dorische Säulen unter Pagodendächern, türkische Bäder mit französischen Pilastern". Für Rühle eine Dokumentation des weltweiten architektonischen Reichtums und zugleich seines Verfalls.

© Perlentaucher Medien GmbH