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Mit der Malerei des 17. Jahrhunderts erst wird das Licht selbst bildkonstitutiv. Es ist den Dingen immanent, es bildet den Raum des Helldunkel und dynamisiert die Szenen. Das barocke Licht ist Paradigma zugleich von Kunst und Naturphilosophie. In der Naturphilosophie etablieren sich optische Modelle des Denkens, die Praxis des Linsenschleifens entfaltet sich, Lichtinszenierungen unterhalten das Publikum. Der Band versammelt auf Anregung der Berliner 'Forschungsgruppe Historische Lichtgefüge' die maßgeblichen Wissenschaftler aus Kunst-, Wissenschaftsgeschichte und Philosophie, um die…mehr

Produktbeschreibung
Mit der Malerei des 17. Jahrhunderts erst wird das Licht selbst bildkonstitutiv. Es ist den Dingen immanent, es bildet den Raum des Helldunkel und dynamisiert die Szenen. Das barocke Licht ist Paradigma zugleich von Kunst und Naturphilosophie. In der Naturphilosophie etablieren sich optische Modelle des Denkens, die Praxis des Linsenschleifens entfaltet sich, Lichtinszenierungen unterhalten das Publikum. Der Band versammelt auf Anregung der Berliner 'Forschungsgruppe Historische Lichtgefüge' die maßgeblichen Wissenschaftler aus Kunst-, Wissenschaftsgeschichte und Philosophie, um die Charakteristika dieses Lichtes vergleichend zu diskutieren, in dem sowohl das moderne, naturwissenschaftliche Konzept des Lichtes seinen Ausgangspunkt hat, wie die Prämissen unserer visuellen Kultur.
Autorenporträt
Philipp Weiss (Dr. phil.) studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Literaturwissenschaft und lebt in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Historiografie der Kunst und Licht in der Malerei.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2008

Schläft ein Licht in allen Dingen

Von den Farben der Maler zur Metaphysik der Philosophen: Ein faszinierender Band spürt Bedeutungen des Lichts im siebzehnten Jahrhundert nach.

In einem frühen Genrebild Rembrandts mit dem Titel "Handjeklap" wird ein Zimmer von einer Kerze erhellt. Auch wenn die Silhouette eines Mannes diese Lichtquelle verdeckt, weist doch die Lichtführung im Bild eindeutig darauf hin, dass eine kleine, in alle Richtungen strahlende Flamme die Figuren im Raum sichtbar werden lässt. Betrachtet man anschließend ein etwa zwölf Jahre späteres Gemälde Rembrandts, das eine Landschaft mit Steinbrücke zeigt, so erweist sich ein Vergleich der beiden Bilder hinsichtlich der Lichtgestaltung als äußerst überraschend. Denn auch wenn dem Betrachter des Landschaftsbildes die Sonne grell entgegenscheint, so entspricht die Verteilung von Licht und Schatten doch in großen Teilen dem zwölf Jahre früheren Interieur: Die Position jener Silhouette, die in "Handjeklap" die Kerze verdeckt, nehmen in der Landschaftsdarstellung eine Gruppe beschatteter Bäume und eine Herberge ein. Wo im früheren Bild die Kerze den Rücken eines leicht gebeugten Mannes erhellt, wird nun ein hoher Baum von der Sonne angestrahlt.

Diese Übereinstimmungen in der Lichtführung und der Verwendung lichtverstärkender Effekte lassen den Kunsthistoriker Ernst van de Wetering zu dem Schluss kommen, dass Rembrandt in diesen Bildern nicht an einer möglichst wirklichkeitsgetreuen Abbildung eines Innenraumes oder einer Landschaft gelegen war. Vielmehr scheint es, als habe der Künstler nach Möglichkeiten gesucht, um sich in seinen Werken der Darstellung von Lichteffekten zu widmen. Als weiteres Argument für diese Vermutung kann nach van de Wetering auch die Farbwahl in Rembrandts Bildern dienen. So tragen beispielsweise die Farbtöne der Kostüme in "Handjeklap" wesentlich zur Glaubwürdigkeit des Lichtes bei: Ein junger Mann in direkter Nähe zur Kerze trägt einen gelben Anzug mit weißem Kragen, während ein von der Lichtquelle weiter entfernter und somit halb im Dunkeln verborgener Geiger einen dunkelbraunen Mantel umgelegt hat.

Könnte eine rein kunsthistorische Abhandlung bei dieser Feststellung verharren, so gehen die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes "Lichtgefüge des 17. Jahrhunderts" deutlich über diesen Erkenntnisstand hinaus. Sie verstehen das Licht nicht nur als ein Hauptthema der Malerei des siebzehnten Jahrhunderts, sondern lassen sich von der Hypothese leiten, dass das Licht für dieses Jahrhundert als das gemeinsame Paradigma von Kunst und Naturphilosophie verstanden werden muss. In diesem Sinne ist das Licht nicht nur bildkonstitutiv, es spielt auch in der Naturphilosophie eine entscheidende Rolle: Es wird in ihr als eine dynamische, der Natur immanente Wirkkraft aufgefasst und charakterisiert das naturphilosophische Erkenntnismodell selbst als ein rein optisch zu verstehendes Vermögen.

Um die Bedeutung des Lichts in der Malerei des siebzehnten Jahrhunderts erschließen zu können, nimmt der Sammelband folglich auch optische, physikalische sowie metaphysische Leitkonzepte und Fragestellungen der Epoche in den Blick und setzt diese zur Malerei Rembrandts und Vermeers in Beziehung. Dank dieses Perspektivenreichtums gelingt es dem Buch, ein äußerst facettenreiches Bild der unterschiedlichsten zeitgenössischen Bedeutungen des Lichts zu zeichnen.

Carolin Bohlmann versucht sich der Bedeutung des Lichts in der Malerei ausgehend vom Buch über die Malkunst des Rembrandt-Schülers Samuel van Hoogstraten zu nähern. Hoogstratens Ausführungen lassen den Schluss zu, dass Rembrandts Licht- und Farbkompositionen von der Idee der "befreundeten Farben" geleitet wurden. Gilt Rembrandts Werk gemeinhin vor allem als Beispiel für starke Kontraste von Licht und Schatten, so betonte Hoogstraten die Bedeutung der Angleichung und Abstufung benachbarter Farben, mit deren Hilfe Rembrandt seine beeindruckenden Lichteffekte erzielte.

In einem weiteren Schritt konfrontiert Bohlmann die Rede von den "befreundeten Farben" mit Descartes' und Huygens' Erklärungsmodellen des Lichts. Nach Huygens wird das Licht im Äthermeer in Form von Wellen weitergeleitet, wobei jeder Punkt der Welle Ausgangspunkt einer neuen Welle ist. In Huygens Lichttheorie "lichtet" - so Fokko Jan Dijksterhuis - der ganze Raum: Alle Gegenstände haben an der Wellenbewegung teil und stellen eine Quelle des Lichts dar. Wie auch Bohlmann kommt Dijksterhuis zu dem Ergebnis, dass "Huygens Wellentheorie als das physiko-mathematische Gegenstück zu Rembrandts Licht verstanden werden" kann. Denn auch in Rembrandts Malerei hängen Licht und Farbe untrennbar miteinander zusammen, wird Farbe als moduliertes Licht zum Ausdruck gebracht. In diesem Sinne ist das Licht die Grundlage des Bildes: Es beleuchtet nicht, sondern ist eine aktive Kraft, welche die Bildgegenstände erzeugt und den Raum aus abgestuften Helligkeiten erschafft: "Es ist ihm selbst Stofflichkeit, Materialität eigen, so dass es mit den Gegenständen unlösbar verbunden und derart zur immanenten Kraft wird."

Jener immanenten Kraft des Lichts geht auch Sara Hornäk in ihrem Beitrag zu Vermeer und Spinoza nach: In Vermeers Ölgemälden leuchtet das Licht "in den Dingen und versinnbildlicht dadurch eine Kraft, welche die Gegenstände braucht, um sich in deren Form überhaupt erst zeigen zu können". Vermeers Bilder sind nicht Bilder über die Immanenz; sie konstituieren vielmehr eine Immanenz und bringen ihren Sinn selbst hervor. Die Betrachtung des Lichts bei Vermeer liefert somit einen entscheidenden Schlüssel dafür, seine Gemälde in eine Beziehung zu Spinozas Philosophie der Immanenz zu stellen.

Auch für die Philosophie birgt das Licht folglich interessante Perspektiven, wie dies Hubertus Busche am Beispiel von Leibniz belegt. Eindrucksvoll führt Busche aus, dass Leibniz' Monaden "selbst nichts anderes als die beseelten Zentren von Lichtsphären" sind. Im Anschluss daran kann er zeigen, dass Leibniz' physikalischem Konzept des Lichts ein metaphysisch-theologischer Lichtbegriff entspricht. Denn der Äther ist bei Leibniz nicht nur die Materie, in der das Licht sich fortpflanzt, sondern auch göttlicher Spiritus, der die Dinge lebendig werden lässt.

Neben der Wirkung naturphilosophischer Überlegungen auf die Malerei wird umgekehrt auch der Einfluss der Malerei auf naturwissenschaftliche Überlegungen untersucht. So beschäftigt sich etwa Hilmar Frank mit der Darstellung der Lichtintensität und zeigt, wie die Lösung dieses in der Malerei aufgekommenen Problems die Wissenschaft über hundertfünfzig Jahre in Atem hielt.

Der Band überzeugt durch eine Vielzahl von anregenden Forschungsansätzen, die äußerst verständlich dargelegt sind. Das Phänomen Licht rückt in den unterschiedlichsten Bedeutungen in den Blick, und letztendlich wird der Leser Thomas Leinkauf zustimmen wollen, dass in den Gemälden des siebzehnten Jahrhunderts alle diese Bedeutungen präsent sind.

KATHARINA BAHLMANN

Carolin Bohlmann, Thomas Fink, Philipp Weiss (Hrsg.): "Lichtgefüge des 17. Jahrhunderts". Rembrandt und Vermeer - Leibniz und Spinoza. Wilhelm Fink Verlag, München 2008. 275 S., Abb., br., 34,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Katharina Bahlmann geht mehr als ein Licht auf bei der Lektüre dieses Sammelbandes. Die Zielsetzung der Autoren, das Licht als ein gemeinsames Paradigma von Kunst und Naturphilosophie im 17. Jahrhundert aufzufassen und zu vermitteln, scheint in Bahlmanns Augen nicht nur legitim. Durch die Untersuchung von optischen, physikalischen und metaphysischen Ideen der Epoche und ihre Konfrontation mit der Malerei Vermeers und Rembrandts, wird der Rezensentin die Bedeutung des Lichts auf der Leinwand erst richtig bewusst. Den Einfluss der Lichtbehandlung in der Malerei auf die Naturwissenschaft und umgekehrt oder Spinozas Philosophie der Immanenz in Beziehung zu Vermeers sinnstiftender Kraft des Lichts zu betrachten, wie es Sara Hornäk in einem Beitrag unternimmt, hält Bahlmann für einleuchtend.

© Perlentaucher Medien GmbH