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Svevos furioses Romandebüt beleuchtet das Schicksal eines Parvenüs, der alles auf eine Karte setzt - auf die Herzdame nämlich. Alfonso Nitti versucht sein Glück als Verehrer der Tochter seines Chefs. Nittis libidinöse Absichten verschränken sich mit dem Wunsch, in die bessere Gesellschaft Triests aufzusteigen. Italiens Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts seziert treffsicher und schonungslos die Psyche des modernen Mannes. Alfonso findet, dass seine Talente Anlass zu den schönsten Hoffnungen geben. Aus dem Triester Hinterland kommend, erscheint der Berufsalltag dem kleinen Bankangestellten…mehr

Produktbeschreibung
Svevos furioses Romandebüt beleuchtet das Schicksal eines Parvenüs, der alles auf eine Karte setzt - auf die Herzdame nämlich. Alfonso Nitti versucht sein Glück als Verehrer der Tochter seines Chefs. Nittis libidinöse Absichten verschränken sich mit dem Wunsch, in die bessere Gesellschaft Triests aufzusteigen. Italiens Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts seziert treffsicher und schonungslos die Psyche des modernen Mannes. Alfonso findet, dass seine Talente Anlass zu den schönsten Hoffnungen geben. Aus dem Triester Hinterland kommend, erscheint der Berufsalltag dem kleinen Bankangestellten zwar vorerst als ziemlich eintönig und bedrückend. Doch jenseits beruflicher Subordination gibt es ja noch die Welt des freien Geistes, und in diese schwingt sich der phantasiebegabte Idealist beherzt empor. Eine moralphilosophische Schrift, an der er im geheimen arbeitet, soll das gesamte abendländische Denken revolutionieren und ihrem Verfasser Ruhm einbringen. Dank seiner literarischen Ambitionen lernt er eine Frau kennen, die als Bankierstochter den arrivierten Kreisen angehört. Dass Annetta den Gefühlsüberschwang nicht teilt und mehr und mehr Züge einer "femme fatale" annimmt, will Alfonso lange Zeit nicht wahrhaben. Die Ernüchterung kommt mit unerwarteter Wucht. In Svevos Romanerstling von 1892 sind sämtliche Grundmotive vorgezeichnet, für die sein erzählerisches Werk weltberühmt geworden ist: die realistische Bestandsaufnahme einer egoistischen Geschäfts- und Berufswelt, das sisyphoshafte Streben des Individuums nach Selbstbestimmung und nicht zuletzt die fatale Verquickung von männlichem Machttrieb und erotischer Obsession.
Autorenporträt
Italo Svevo (Aaron Hector Schmitz), geb. 1861 in Triest. Bankangestellter und Redakteur der Zeitschrift 'La critica sociale', später Geschäftsmann. Er schrieb drei Romane, zwölf Theaterstücke und zahlreiche Erzählungen. Svevo starb 1928 an den Folgen eines Autounfalls.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2007

Der arme Kopist

Die Geschichte vom schwächelnden Ich - Italo Svevos erster Roman "Ein Leben" erzählt von den kleinen Abenteuern und Ambitionen des Angestellten Alfonso.

Von Hanns Zischler

Der junge Mann, den der fast gleichaltrige Schriftsteller Svevo im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auf seinem kurzen Lebensweg ebenso ausgedehnt wie unwirsch begleitet, ist keine sonderlich erfreuliche Erscheinung. Ein schwächelndes Ich, das nicht flügge werden will, glaubt Alfonso Nitti "Geist zu haben, und er hatte ihn tatsächlich in Selbstgesprächen". Wir ahnen, dass es in diesem Roman zu einer Entwicklung allenfalls im abträglichen Sinn wird kommen können. Die Deszendenz entpuppt sich in "Ein Leben" Schritt für Schritt als Dekadenz.

Alfonso ist Angestellter der Privatbank Maller & Cie. in einer Stadt, die wir uns als Triest vorstellen dürfen, wenngleich der Name und vor allem die Topographie dieser Stadt nur schemenhaft, wie auf einer dünnen Bleistiftzeichnung, lesbar wird. Und der Leser teilt diese Unvertrautheit mit dem Angestellten, wie er auch die Familie Lanucci, bei der Alfonso wohnt, immer nur schemenhaft kennenlernen wird. Die einzelnen Charaktere, die nach und nach ins Bild treten, bestehen mehr aus Signalements, als dass sie einfühlsamer Beobachtung entsprungen wären. In beiden Sphären, der verarmten Familie wie der Bank, herrscht eine latente Stimmung der Ängstigung und Bedrohung. "In der kleinen Familie konnte aus jedem Wort leicht ein Streit werden."

Die Lanucci, das sind der kränkelnde Signore und die larmoyante Signora sowie ihre beiden Kinder, der plebejische Gustavo und die anämische Lucia. Diese Familie stellt eine für Alfonso durchaus ambivalente, bedrückende Rückbindung an das Dorf dar, aus dem seine Mutter ihn in die Stadt geschickt, ja nach dorthin verbannt hat.

Die Bank, das sind die an Ensor-Figuren erinnernden Kollegen und Vorgesetzten aus der Kopierstube und der Korrespondenzabteilung. Es ist der fast immer unnahbare Maller selbst, der meist als rotgesichtig und korpulent geschildert wird, als eine Karikatur, die barsche Sätze ausstößt und seltsamerweise mehr verschwindet, als dass sie auftaucht. Ein Wesen mit enormem Rückenpanzer. Einer, der herrisch an seinen Untergebenen vorbeisieht, sofern er sie überhaupt wahrnimmt.

Das Bankhaus selbst teilt sich in die Geschäftsräume und die Privatwohnung Mallers. Unheimlich ist die Binnenwelt zwischen den kargen, luft- und lichtarmen Büros und den geräumigen, aber nicht weniger unbehaglichen Privatgemächern. In einer leicht albtraumhaften Passage führt der Diener Santo Alfonso durch das erstickende Ambiente eines mit Kunstschätzen ausstaffierten Haushalts: "Alfonso verstand überhaupt nichts von Malerei, aber er hatte ein paar Bände Kunstkritik gelesen und wusste der Idee nach, was moderne Schule bedeutete."

Und so geht es ihm mit eigentlich allen Dingen, denen er sich nähert. Seine nur sehr ungefähre Ahnung überspielt er durch kurzlebige, asthmatische Aufschwünge, er wähnt sich einer Sache oder eines Gefühls sicher - und ist auf unbelehrbare Weise erstaunt, wenn in ihnen etwas anderes zum Vorschein kommt, als er phantasiert hatte.

Alfonso, der als Kopist eine gewisse Ungeschicklichkeit nicht verbergen kann, findet Zugang zur Familie des Bankiers durch dessen Mätresse Francesca, die aus demselben Dorf kommt wie er. Und vielleicht ist es der dort vorherrschende böse Nordwind, der diese Frau hat seltsam werden lassen: "Sie fragte nach einem Hügel, der am einen Ende des Dorfs lag, und lauschte gespannt auf die Antwort, als fürchte sie, erfahren zu müssen, er sei in der Zwischenzeit zusammengestürzt."

Im Haus Maller trifft Alfonso schließlich dessen Tochter Annetta. Sie ist das eigentliche Zentrum des Romans, sie ist der Inbegriff seiner Hemmung und seiner Angst. Und das Symptom einer Übertretung, an der er zugrunde gehen soll. Die zu ebenso stürmischen wie lächerlichen Turbulenzen anschwellende Affäre zwischen den beiden, nebst einigen aus den Kulissen gerufenen Figuren, wie dem verschlagenen Advokaten Macario, regiert das Geschehen und bereitet in etwas unterspannter Ausführlichkeit die Nemesis der Geschichte vor.

Aus Macarios Mund erfährt Alfonso, was von Annetta zu halten sei: ",Sie liest mit Vorliebe ernsthafte Bücher, und das wäre an sich noch nicht verwunderlich, aber sie versteht sie sogar! Künstlerin wird sie allerdings nie sein . . . vielleicht in bestimmten Augenblicken, wenn ihr Blut in Wallung gerät', und mit den Händen vollführte er lebhafte Gesten, dass man meinen könnte, er wolle von Revolutionen sprechen. Jetzt befasst sich Annetta mit Chinoiserien, aber sie versteht nichts davon, weil sie kein Gespür dafür hat." Alfonso, der alles, was man ihm sagt, nur wörtlich versteht, leitet daraus nur seine eigene Überlegenheit ab, unfähig, die verborgenen Intentionen seines Gesprächspartners auch nur zu erraten.

Die Szene steigert sich nach und nach zur milden Groteske, wenn Alfonso, von Macario herablassend protegiert, schließlich von Annetta und deren müßiggängerischen Freunden in den sogenannten Mittwochszirkel aufgenommen wird. Dort spricht man über die jüngsten Tendenzen der Literatur, über Naturalismus und Verismus, was Alfonso betreten erröten und mit Anstand schweigen lässt. Doch seltsamerweise, ausgelöst vielleicht durch eine physische Attraktion Alfonsos, die der Autor dem Leser unterschlägt, rückt Annetta näher an Alfonso heran und überrascht ihn mit einem Angebot, das er nicht ausschlagen kann: gemeinsam einen Roman zu schreiben.

Schrill wie ein falscher Farbton sticht der Kitsch schon aus ihrer allerersten Idee hervor, die, als sie bei Alfonso nicht zünden will, alsgleich verworfen wird. Annetta unverdrossen: ",Wir werden jeder für sich, völlig unabhängig voneinander, unsere Einfälle zu Papier bringen. Dann vergleichen wir sie und stimmen uns ab.' Der Vorschlag gefiel Alfonso ausnehmend gut. Ihm gingen ein paar gute Ideen durch den Kopf, denn er meinte verstanden zu haben, wie er beschaffen sein müsse, um Annettas Wünschen zu entsprechen." Denn darum geht es ja - ihr willfährig zu sein, mit der Hoffnung auf Terraingewinn. Annetta meint schließlich, die passende Formel gefunden zu haben: ",Alle Romane sind nach demselben Muster gemacht: der gezähmte Bär. Es macht wenig Unterschied, ob der Bär ein Mann oder eine Frau ist, gezähmt werden muss er durch die Macht der Liebe.' Alfonso musste zugeben, dass auch er von Werken dieser Art schon gerührt worden war." Tagsüber, im Büro oder bei seiner Wirtsfamilie, verbirgt Alfonso, der schwerfällige Kopist, seine flachen Höhenflüge mit Annetta, so gut er es eben vermag.

Wie ein Schatten begleitet die Schreibfrenesien der beiden die meist stumm am Fenster stickende Francesca, offiziell die Gesellschaftsdame des Hauses. Und je enger die beiden jungen Leute zusammenrücken und je deutlicher ihre Elaborate - "die ins Absurde abgleitende Romanhandlung" - werden, desto entschlossener erstickt sie an ihrem eigenen Plan. Das Scheitern der gemeinsamen Schreiberei ist bald nicht mehr zu verhehlen, für Alfonso wird sie, gesteigert durch die geistlose Kopistenarbeit im Büro, zur wahren Fron.

Seine gelegentlichen Rückfragen bei Macario, wie er sich gegenüber Annetta verhalten solle, bewirken, dass er in einen Zustand neurasthenischer Überreiztheit gerät, die unversehens immer dann in Niedergeschlagenheit umkippt, wenn er seinem notorischen Mitteilungsdrang nicht folgen kann. Einen fast kühnen Versuch, sich aus der wachsenden erotischen Verstrickung zu lösen, unternimmt Alfonso mit wilden Ausflügen in den Karst über der Stadt, doch sie sind nichts mehr als Luftschnappereien einer haltsuchenden, verwirrten Seele. In der Wirtsfamilie hofft Lucias Mutter vergeblich, der junge Parvenü werde sich bald eines Besseren besinnen und ihre Tochter Lucia der launischen Annetta vorziehen.

Francesca hingegen verfolgt einen weitaus realistischeren Plan: Sie will, dass es zwischen den beiden Halb-Literati zum Äußersten kommt, damit ihre durch Annetta gefährdete Stellung als Mätresse Mallers nicht weiter kompromittiert wird, denn eine ,gefallene' Tochter würde es nicht mehr wagen, ihr diesen Rang streitig zu machen. Und es kommt zum Äußersten, kaum hat sie sich auf eine kalkulierte halbe Stunde von den beiden Schmachtenden verabschiedet. Und wie im Kino, das nur wenige Jahre später aufflammen soll, wird der Fächer eines pikanten Melodrams aufgeschlagen. Svevo wird deutlich: "Alfonso freilich hatte sich gar keinen Widerstand erwartet, und so schwach dieser auch war, er irritierte ihn. Er bezwang sie grob, hastig und brutal, und zumindest dem Anschein nach war es ein Überfall, ein Raub."

Mit einem dramaturgisch stark überstrapazierten Suspense lässt Svevo das Pendel noch weiter ausschwingen - als könne dem groben Toren aus diesem Fait accompli wirklich Glück erwachsen. Annetta überredet Alfonso, die Stadt für kurze Zeit zu verlassen, für den Urlaub werde sie sorgen, sie wolle ihren Vater überreden, in ihre Verbindung einzuwilligen. Francesca bestürmt Alfonso, jetzt nicht das Feld zu räumen. Doch dieser wähnt sich nicht nur auf der sicheren Seite, sondern ist auch sofort bereit, sich zu fügen, wenn alles in die Brüche gehen sollte. Er reist ab und gibt vor, seiner kranken Mutter beistehen zu müssen. Und wie im Schundroman ist die Mutter erkrankt und stirbt, wodurch Alfonsos "Opfer" unter der Hand sich quasi "verdoppelt" hat.

Als alleiniger Erbe und mit einem kleinen Vermögen versehen, kehrt er in die Stadt zurück, um bei der ersten Gelegenheit mit gespielter Gönnerhaltung dieses Vermögen einem Arbeiter zu schenken, damit dieser Lucia heiraten kann.

Während seiner Abwesenheit ist genau das eingetreten, was die Souffleuse des Autors, Francesca, ihm vorausgesagt hatte: Annetta ist anderen Sinnes geworden und im Begriff, sich mit Macario zu verloben. In der Bank wird Alfonso zwangsversetzt - in die Buchhaltung, nach "Sibirien". Ein einziges und letztes Mal bäumt er sich gegen ihm widerfahrende Verachtung auf und verschafft sich bei einem gänzlich desinteressierten Direktor mit einer Kündigungsdrohung Gehör. Als er brieflich Annetta um Beistand bittet, wird er von ihrem schnöseligen Bruder Federico auf offener Straße tätlich angegriffen. Ein Duell scheint unausweichlich. Alfonso nimmt sich, zur nicht geringen Überraschung des Lesers, das Leben.

Sehr lesenswert das Nachwort von Edgar Sallager, treffsicher, weil nie bemüht historisierend die Übersetzung von Barbara Kleiner.

Italo Svevo: "Ein Leben". Roman. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Manesse-Verlag, 704 Seiten, 24,90 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als Geschichte vom "schwächelnden Ich" hat Hanns Zischler Italo Svevos Roman "Ein Leben" gelesen, dessen Wiederauflage er in der Sonntags-FAZ freudig begrüßt. Im Mittelpunkt sieht er den Bankangestellten Alfonso, einen Emporkömmling und Einfaltspinsel, der sich Aufstiegschancen ausrechnet, als er mit der launischen Tochter des Chefs anbandelt, aber nie überblickt, worauf sein Handeln hinaus laufen wird. Als Verkörperung von Alfonsos Hemmungen betrachtet Zischler die Tochter, die seinen Untergang besiegelt, als das heimliche Zentrum des Romans. Bemerkenswert scheint ihm die beklemmende Atmosphäre, die Svevo erzeugt: sowohl in der Familie, bei der Alfonso wohnt, als auch auf der Arbeit in der Bank, herrschen permanent eine Stimmung von Ängstigung und Bedrohung. Mit Lob bedenkt er das Nachwort von Edgar Sallager und die prägnante Übersetzung von Barbara Kleiner.

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»Vergesst verderbliche Ware und lest den zeitlos-modernen Italo Svevo.« Elmar Krekeler / Die Welt Die Welt