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Drei Glanzstücke aus Keyserlings meisterhaftem Erzählwerk
Er ist der Dichter des schweren Nachmittagslichts, der flimmernden Unruhe und schwebend-zarten Melancholie: Eduard von Keyserling, der "Fontane in Moll" (Tilman Krause). Eindrucksvoll bestätigt er in diesem Erzählband seinen Ruf als großartiger Stilist und Virtuose des literarischen Impressionismus in Deutschland.
Erneut sind es subtile Seelendramen, die Keyserling vor der Kulisse einer intensiv empfundenen Natur stimmungsvoll und mit sicherem Blick für die Psychologie seiner Figuren in Szene setzt: In "Seine Liebeserfahrung", der
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Produktbeschreibung
Drei Glanzstücke aus Keyserlings meisterhaftem Erzählwerk

Er ist der Dichter des schweren Nachmittagslichts, der flimmernden Unruhe und schwebend-zarten Melancholie: Eduard von Keyserling, der "Fontane in Moll" (Tilman Krause). Eindrucksvoll bestätigt er in diesem Erzählband seinen Ruf als großartiger Stilist und Virtuose des literarischen Impressionismus in Deutschland.

Erneut sind es subtile Seelendramen, die Keyserling vor der Kulisse einer intensiv empfundenen Natur stimmungsvoll und mit sicherem Blick für die Psychologie seiner Figuren in Szene setzt: In "Seine Liebeserfahrung", der ersten Erzählung, umspielt er den eitlen Narzissmus eines angehenden Schriftstellers mit ironischer Heiterkeit. Als der junge Mann eine offensichtlich unglücklich verheiratete Dame kennenlernt, bleibt er allzulange über seine Gefühle für sie im Unklaren, laviert und vergibt das nahe Glück.

Zu zögerlich agiert auch der Held der zweiten Erzählung, ein zielloser Weltreisender, der nach langer Trennung erstmals wieder auf seine seelisch labile Ehefrau trifft. Die Gesellschaft auf dem heimischen Schloss scheint ihm fremd, er glaubt die "Harmonie" der Anwesenden zu stören, doch zu einer offenen Aussprache fehlen ihm Kraft und Entschlossenheit.

Die Landvilla einer wohlhabenden Bankiersfamilie ist schließlich Schauplatz der titelgebenden Geschichte, in deren Mittelpunkt der elfjährige Sohn Paul steht. Der Knabe, der "ein seltsam starkes Gefühl für die Unsicherheit unsres Daseins" hat, beobachtet das Werben eines leichtlebigen Bankvolontärs um seine Mutter mit Neugier; erwachen doch auch in ihm erstmals Gefühle für eine junge Dame. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges angesiedelt, erweist sich Keyserlings Erzählung als zarte Elegie auf das Leben einer Gesellschaft voller unbefriedigter Sehnsüchte.
Autorenporträt
Eduard von Keyserling (1855-1918) stammt aus altem baltischen Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann zugleich mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er zeitweise der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Jahren seines Lebens zunehmend.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2007

Aussterben ist vornehm
Sommerhaus 1914: Eduard von Keyserlings Meisternovellen

Was geht uns das Landjunkertum der vorvergangenen Jahrhundertwende an? Eine Menge, wie die Erzählungen Eduard von Keyserlings beweisen. Das dekadente Personal litt, worunter auch wir Heutigen leiden.

Die Titel klingen nach der Lieblingslektüre einer Urgroßtante: "Im stillen Winkel", "Harmonie". Das verschreckt heutige Leser. Deshalb muss man es laut sagen: Die drei Novellen gehören zum Besten, Modernsten, was Eduard von Keyserling geschrieben hat. Aus Romanen wie "Wellen" und meisterhaften Novellen wie "Am Südhang" kennt man ihn als impressionistischen Stimmungskünstler der vorletzten Jahrhundertwende, als elegischen Beschwörer baltisch-kurländischer Landschaften. Die verlorene Zeit des dort ansässigen Adels rekonstruiert er in seinem Erzählgedächtnis, wie sie in der Realität der Landjunker selten gewesen sein dürfte: bis zum Lebensüberdruss verfeinert. "Die Elmts waren so vornehm, dass sie kaum leben konnten. Sie starben auch aus. . . Aussterben ist vornehm."

"Harmonie" erzählt von einer disharmonischen Ehe. Merkwürdig genug, dass Felix von Bassenow seine psychisch labile, nach einer Totgeburt kranke Frau Annemarie allein auf dem Schloss zurücklässt, um in Südeuropa herumzureisen und von ferne ihre Genesung abzuwarten. Irgendwann hat er genug von Capri und kehrt heim. Er sehnt sich nach der Rolle des "Herrn", will spüren, "wie seine laute Stimme den großen, blonden Bauernjungen in die Glieder fährt". Das Muster des Macho-Gutsherrn passt hier jedoch nicht. Verriet schon die Reiselust zu viel Unrast, so erst recht die Sehnsucht nach Stärke den Mann, der eben nicht mehr der resolute Lebensbewältiger ist.

Stattdessen sieht sich Felix im eigenen Schloss an den Rand gedrängt. Die ätherische Annemarie, eine jener exquisiten Adelstöchter, die schön anzuschauen sind, mit denen sich aber nur schwer der Ehealltag bewältigen lässt, erduldet ihn mit abgewandtem Gesicht im Bett. Den Zumutungen des Lebens hochmütig entrückt, erstarrt sie zum ästhetizistischen Jugendstilbildnis, wenn sie sich bei aufkommenden Wind unter die blühenden Bäume stellt, auf dass sie im Blütenschnee anmutig gebadet werde. Mit subtilem Humor schildert Keyserling, wie von Bassenow diese ständigen Verfeinerungsbemühungen im eigenen Haus auf die Nerven gehen: "Nächstens wird jeder, der bei uns über die Schwelle kommt, ein Examen in Ästhetik ablegen müssen." Der Konflikt spitzt sich zu, bis zum tödlichen Ende.

In ihrer Dekadenzthematik weisen die Erzählungen Parallelen mit den frühen Novellen Thomas Manns auf, der 1918 einen hymnischen Nachruf auf Keyserling verfasste. An den komischen Ästheten Detlev Spinell aus Manns Novelle "Tristan" erinnert der Dichter Magnus von Brühlen in "Seine Liebeserfahrung", Keyserlings ironischster Geschichte. Von Brühlen spricht im Tagebuch ausgiebig über seine literarischen Projekte; dann klappt es aber nicht recht mit der Durchführung, und er beschließt, erst einmal etwas zu erleben.

In der Nähe residiert ein archetypisches Keyserling-Paar: ein alter Baron, der sich mit Reiseberichten aus Afrika wichtigmacht, und dessen schöne junge Frau Claudia, die ihm als Sekretärin dient und bereits einen Afrika-Überdruss entwickelt hat. Bei diesem Paar wird der Schriftsteller zum Dauergast. Selbsteingenommen schildert er, wie zwischen ihm und Claudia die Liebe keimt. Dank der raffinierten Technik des unzuverlässigen Ich-Erzählers weiß der Leser aber bald mehr, als der Dichter wahrhaben will: Es handelt sich um eine Illusion. In Wirklichkeit zieht die nach erotischer Erlösung dürstende junge Frau den abfällig geschilderten Nebenbuhler vor, einen zupackenden Mann, mit dem sie bei Nacht und Nebel schließlich den alten Afrika-Fahrer verlässt. Auch das Ladenmädchen, mit dem sich von Brühlen zwischenzeitlich amüsierte, hat wegen seiner Unentschlossenheit einen anderen vorgezogen, einen "Ophthalmologen", wie sie stolz berichtet, einen Augenarzt, der sich vielleicht besser aufs genaue Sehen versteht als der enthusiasmierte Schriftsteller.

"Im stillen Winkel", die letzte zu Lebzeiten veröffentlichte Novelle, ist ein düsteres Abschiedswerk. Sommerhaus, 1914: Erzählt wird von einer Familie, deren drei Protagonisten sich so fremd gegenüberstehen, als lebte jeder auf einem anderen Stern. Der Vater Bankdirektor, Mann des Methodischen in allen Lebenszusammenhängen.

Dessen Frau erlebt ihn als wandelnde Rechenmaschine und ist zuständig für Gefühle und Tränen. Sie schwärmt für einen jungen Volontär. Sohn Paul ist ein furchtsamer Junge, der in dunklen Zimmerecken schweigende graue Männer stehen sieht. In der ländlichen Sommerfrische beobachtet er die Auseinandersetzungen der Eltern mit der Entrücktheit des sich selbst überlassenen Einzelkinds - ein Bruder Hanno Buddenbrooks. Wie hier Intimes und Gesellschaftliches, Familiendrama und die Wirren der Pubertät mit dem Kriegsausbruch enggeführt werden, das macht diese Geschichte zur Jahrhundertnovelle. Es dauert nicht lange, und Paul ist Halbwaise. Der gefallene Vater verschafft ihm einen gewissen Respekt unter den anderen Kindern, von denen er sonst immer als "Würmchen" gemobbt wurde. Pauls Mutter setzt nun ganz auf Affektkontrolle. Den vormals ungeliebten Gatten macht sie zu ihrem inneren Kommandeur; jetzt erst hält sie seine strengen Lebensmaximen hoch. Der charmante Volontär, der endlich zum Zug zu kommen hofft, sieht sich von der moralisch gestählten Kriegerwitwe abgewiesen.

Zuvor bringt er die Kultur der "tenue", der Haltung, auf den Begriff: "Wissen Sie, wie mir unsre Gesellschaft zuweilen vorkommt: wie eine Quadrille von Packträgern; jeder hat seinen Koffer auf der Schulter, aber sie tanzen und verbeugen sich und tun so, als sähen sie gar nicht die schweren Koffer, die einem jeden von ihnen die Schultern zerdrücken." Am meisten hat Paul zu tragen. Zum traurigen Ende hin will er es allen zeigen, aber der Plan eines gequälten Kinderkopfes geht schief. Er verirrt sich im Wald und gerät in ein schweres Gewitter, das mit phantasmagorischer Intensität wie ein Kriegserlebnis geschildert wird. Hier wird Keyserling beinahe noch zum Expressionisten.

Man möchte ganze Absätze zitieren aus diesem beglückenden Buch, das Tilman Krause mit einem eleganten, kompakt über Leben und Werk informierenden Nachwort versehen hat. Schwebende Leichtigkeit verbindet Keyserlings Stil mit lakonischer Prägnanz. Gar nicht altmodisch erzählt er von einer Welt, deren Menschen uns im äußeren Habitus fremd geworden, in ihren Leiden aber nahe geblieben sind.

WOLFGANG SCHNEIDER

Eduard von Keyserling: "Im stillen Winkel". Erzählungen. Mit einem Nachwort von Tilman Krause. Manesse Verlag, Zürich 2006. 250 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auf gar keinen Fall, warnt der Rezensent Wolfgang Schneider, dürfe man sich von den etwas altväterlichen Titeln der in diesem Band versammelten drei Novellen Eduard von Keyserlings täuschen lassen. Auch wenn sie "Im stillen Winkel" heißen, oder "Harmonie" - sie gehören zum besten des meist als Impressionisten rubrizierten Autors. Und in Wahrheit geht es in der Erzählung "Harmonie" denn auch alles andere als harmonisch zu. Die Ehe zwischen Felix von Bassenow und seiner erkrankten Frau Annemarie nämlich steht unter keinem guten Stern. Der Mann ist der Macho nicht, der er gerne wäre, die Frau "erstarrt zum ästhetizistischen Jugendstilbildnis" und verkümmert im Schloss, in dem von Bassenow sie lange allein lässt. Noch beeindruckender ist die Erzählung "Im stillen Winkel", die eine Familie porträtiert und in der Verbindung von "Intimem und Gesellschaftlichem", wie Schneider findet, eine wahre "Jahrhundertnovelle" sei. Insgesamt, rühmt er, "ein begückendes Buch", das auch neunzig Jahre nach dem Tod des Autors kein bisschen veraltet ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.09.2014

KRIEGSKLASSIKER
Zwei Novellen von
Eduard von Keyserling
Der Ausbruch des Krieges, der die Welt veränderte, fiel mitten in die Zeit der Sommerfrische, die Saison, in der die privilegierten Schichten sich dem Nichtstun und dem Wohlleben widmeten. Dem Übergang vom Scheinidyll in die unbegriffene Katastrophe hat kaum ein anderer deutschsprachiger Schriftsteller so subtil nuancierte und, bei aller impressionistischen Unschärfe, gnadenlose Psychogramme einer untergehenden Gesellschaft abgewonnen wie Eduard von Keyserling.
  Der baltische Graf, der in der Schwabinger Bohème eine neue Heimat fand, starb 1918, nachdem er in einer von Krankheit, Verarmung und Vereinsamung geprägten Lebensphase seine besten Werke geschaffen hatte. Ein Jahr vor seinem Tod entstanden die Novellen „Nicky“ und „Im stillen Winkel“, die beide im August 1914 spielen und die Wirren des Kriegsbeginns in privaten Verhältnissen spiegeln, kunstvoll changierend zwischen feinnerviger Einfühlung und distanzierter Ironie.
  Wie sich die Anfänge gleichen: Die junge Baronin „Nicky“ reist allein in den Kurort, wo ihr viel älterer Gatte sie nur am Wochenende besuchen wird. In den „stillen Winkel“ der eigenen Landvilla begibt sich die Bankiersfamilie von der Ost mit dem kleinen Paul; auch hier fährt der dominante Ehemann und Vater kurz darauf in die Stadt zurück. Was sich in der trägen Sommerluft an atmosphärischen Spannungen zusammenbraut und dann in Gewittern entlädt, wird enggeführt mit der inneren Unruhe der jungen Baronin, die ein exzentrischer Pianist auf ihr Erstarren in Adelskonventionen aufmerksam macht, beziehungsweise mit dem Familiendrama und den Pubertätsnöten des Einzelgängers Paul, der in einer verzweifelten Mutprobe seine Ängste besiegen will und dabei sein Leben lässt.
  Hier wie dort trifft die Kriegsnachricht auf heillose Verhältnisse – und auf jene unheilvolle Mischung aus Konfusion und Contenance, deren epochale Folgen der Autor vorauszuahnen schien, auch wenn er sie nicht mehr erleben musste.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
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