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Ein Hausbuch für Küche und Leben. Ein verführerischer Sprach spaß. Ein Buch über die Geburt der Freiheit durch Einführung der Regel.
Am Anfang der berühmtesten, einflussreichsten und langlebigsten Autoren gruppe der Welt steht eine Verabredung zum Essen: An einem Abend im November 1960 laden Raymond Queneau und Francois Le Lionnais im Restaurant Au Vrai Gascon eine Reihe von befreundeten Schriftstellern ein, mit denen sie die Literatur revolutionieren. Am Ende der Tafelrunde ist eine Idee geboren, der wir nicht wenige der großen Meisterwerke in der Literatur des 20. Jahrhunderts verdanken:…mehr

Produktbeschreibung
Ein Hausbuch für Küche und Leben. Ein verführerischer Sprach spaß. Ein Buch über die Geburt der Freiheit durch Einführung der Regel.

Am Anfang der berühmtesten, einflussreichsten und langlebigsten Autoren gruppe der Welt steht eine Verabredung zum Essen: An einem Abend im November 1960 laden Raymond Queneau und Francois Le Lionnais im Restaurant Au Vrai Gascon eine Reihe von befreundeten Schriftstellern ein, mit denen sie die Literatur revolutionieren. Am Ende der Tafelrunde ist eine Idee geboren, der wir nicht wenige der großen Meisterwerke in der Literatur des 20. Jahrhunderts verdanken: Italo Calvinos Unsichtbare Städte ebenso wie Georges Perecs Das Leben- Gebrauchsanweisung oder Oskar Pastiors grandiose Wortakrobatien. Der Name dieser Idee: OuLiPo - Ouvrir de Littérature Potentielle , die Werkstatt für potenzielle Literatur. Die Idee: Alles wird leichter, vergnüglicher, spannender, wenn man sich s schwerer macht. Wenn man eine Regel einführt. Wenn man sich eine Verfassung gibt. Und natürlich entsteht zeitgleich mit OuLiPo auch OuCuiPo: die Werkstatt der potenziellen Kochkunst, Ouvroir de Cuisine Potentielle .
Mit pantagruelischem Appetit auf Avantgarde hat der wortmächtige Literaturvermittler und Leckerschmecker Jürgen Ritte ein Kochbuch mit Rezepten monochromer Küche, Speisekarten ohne den Buchstaben e und den Geheimnisse der ländlichen Küche Frankreichs herausgegeben, kommentiert und übersetzt.
Autorenporträt
Jürgen Ritte, 1956 geboren, Übersetzer, Kritiker, Literaturwissenschaftler, lehrt an der Université de la Sorbonne Nouvelle in Paris und ist Direktor des dortigen Institut d'Allemand.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2009

Kochen in der Werkstatt

Macht's euch schwer, dann wird's leicht: Das "Ouvroir de Littérature Potentielle" versucht sich am Herd.

Von Jakob Strobel y Serra

In Wahrheit war das nämlich so, damals, am allerersten Tag: "Am Anfang schuf Gott Hirn und Eintopf. Und der Eintopf war wüst und leer, und es herrschte Fisch auf der Terrine, und der Gast Gottes schwebte auf dem Wattenmeer." Ans Licht kommt die ganze Wahrheit, wenn man die Genesis mit der oulipotischen Methode "s+7" enttarnt, bei der in einem Text jedes Substantiv durch das an siebter Stelle nach ihm folgende in einem beliebigen Wörterbuch ersetzt wird; hier wurden - als eine leichte Variation - die Hauptwörter jeweils durch die ersten kulinarisch verwendbaren Substantive in einer alten Dudenausgabe ausgetauscht, denn der Gegenstand dieses Buches ist nicht OuLiPo, sondern OuCuiPo - nicht die Dichterschule "Ouvroir de Littérature Potentielle", sondern ihre Unterabteilung "Ouvroir de Cuisine Potentielle".

OuLiPo, die Werkstatt für potentielle Literatur, wurde 1960 von Raymond Queneau und François Le Lionnais in Paris gegründet und unterwarf sich dem Dogma, dass alles besser und leichter wird, wenn man es sich schwerer macht und die Kunst formalen Zwängen unterwirft. Bis heute treffen sich die unverwüstlichen Oulipoten regelmäßig, wobei gestorbene Mitglieder wie Italo Calvino, Oskar Pastior oder Georges Perec nicht als ausgeschieden, sondern nur als entschuldigt gelten. Und da die meisten Oulipoten bekennende Gourmets oder zumindest Gourmands sind, kann ihr Universalanspruch natürlich nicht vor der Küchentür enden. Sie haben leidenschaftlich in der Suppe der Semantik gerührt und dabei manchmal brüllend komische Absurditäten, manchmal aber auch nur glatzenlockendrehende Albernheiten zwischen kicherndem Anarchismus, dadaistischer Wortakrobatik und dem lustvollen Planschen mit den Spaßenten der Skurrilität in der großen Sprachbadewanne geschaffen.

Georges Perec zum Beispiel, der 1968 die Wahnsinnstat beging, einen Dreihundertsechzig-Seiten-Roman ohne ein einziges Wort mit dem Buchstaben "e" zu veröffentlichen, schrieb später quasi als Abbitte "Les Revenentes", ein Buch, in dem als einziger Vokal das "e" vorkommt. Darin wird auch viel gegessen und getrunken, und zwar: "Entrées: Les Bègnets de Crevettes, Les Tertelettes de Merle, Le Jerez en gelée, Les Gerbes d'Ecreveesses, Les Béchenelles des Frères Vernet, Le Mégrèt des Lendes en Crêpe, Les Eperlens en Esclébèche." Eine solche Vokabeldiät klingt auch auf Deutsch komisch: "Brezeln & Semmeln, Schnecken, Bremer Krebse, Hecht & gelbe Erbsen, Entenleber & Speck, Erdbeerschnee, Hefeecken, Tee, Jerez." Derselbe Perec hat aber auch 81 Rezepte für Anfänger verfasst, in denen die drei Delikatessen Kalbsbries, Seezunge und Kaninchen auf fast identische Art nur mit minimalen Abweichungen zubereitet werden. Das Kaninchen wird konsequent mit scharfem Senf bestrichen, geschmort und dann mal mit Noilly Prat oder Nuoc-Mam, Sauce Bercy oder Sauce Mornay, Pistazien oder Sternanis, Mandeln oder Schwarzwurzeln serviert - da jauchzt der Oulipote, doch der echte Gourmet stochert spätestens bei der dritten Kaninchenrepetition gelangweilt im Essen herum.

Versöhnt wird man schnell mit surrealistischen Rezepten wie sauren Sardinosauriern, die nach der richtigen Zubereitung auch die rührende Liebesgeschichte zwischen einer Sardine und einem Dinosaurier beschreiben - deren Frucht ist der Sardinosaurier. Doch schon wieder fade wird es bei Menüs nur aus roten oder grünen Ingredienzien oder beim "Speiseplan eines Schweins, das zum Topmodel werden wollte": Montag bis Samstag gibt es jeweils einen Apfelkern und einen Schluck kaltes Wasser. "Und am Sonntag? Bin ich im Krankenhaus." Wir stehen am Sonntag in der Küche, ohne Oulipoten. Die stehen im Bücheregal, und da gehören sie auch hin.

"Bis auf die Knochen". Das Kochbuch, das jeder braucht. Herausgegeben von Jürgen Ritte. Arche Literatur Verlag, Zürich 2009. 224 S., geb., 22,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als Mitglied der Gruppe "OuLiPo", der von Raymond Queneau 1960 gegründeten "Werkstatt potentieller Literatur" hat der arrivierte Literaturwissenschaftler Jürgen Ritte jetzt ein "Kochbuch, das jeder braucht" herausgegeben, das Rezensent Gero von Randow mit Appetit gelesen hat. Grundlage von OuLiPo ist die Vorgabe von Formzwängen wie beispielsweise das Verfassen eines ganzen Romans mit "e" als einzigem Vokal und die Vorstellung, dass diese Formzwänge Kreativität hervorbringen, erklärt der Rezensent. Rittes Kochbuch, das nach Randows Dafürhalten trotz der beinhalteten Kochrezepte wohl doch eher ein "Essbuch" ist, versammelt von Ritte gesammelte OuLiPo-Texte, Selbstverfasstes und von ihm Übersetztes, Gedichte, Rätsel oder Geschichten. Mitunter findet der Rezensent die Flut an Attributen oder die Schachtelsätze etwas "schwerverdaulich" und streckenweise den Humor der Texte etwas altbacken. Insgesamt aber scheint Randow die literarischen Menüs durchaus zu genießen, die Ritte ihm serviert.

© Perlentaucher Medien GmbH