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Seinen neuesten Erzählungen hat Sergi Pàmies den Titel »Der große Roman über Barcelona« gegeben. Auf träumerisch-zärtliche Weise nähert sich der bekannte katalanische Autor seiner Heimatstat. Seine erzählerische Reise durch sein Barcelona führt über mehrere Etappen: Vom »Weihnachtslied«, das eigentlich ein großes Weihnachtsleid ist, über »Durst«, der Beichte eines zwanghaften Abstinenzlers, bis zu Virgina Woolf im Supermarkt. Und in »Klassische Musik« erfahren wir von Homosexualität als probatem Gegenmittel zur sonntäglichen Langeweile. Und natürlich steht immer die Stadt Barcelona selbst im…mehr

Produktbeschreibung
Seinen neuesten Erzählungen hat Sergi Pàmies den Titel »Der große Roman über Barcelona« gegeben. Auf träumerisch-zärtliche Weise nähert sich der bekannte katalanische Autor seiner Heimatstat. Seine erzählerische Reise durch sein Barcelona führt über mehrere Etappen: Vom »Weihnachtslied«, das eigentlich ein großes Weihnachtsleid ist, über »Durst«, der Beichte eines zwanghaften Abstinenzlers, bis zu Virgina Woolf im Supermarkt. Und in »Klassische Musik« erfahren wir von Homosexualität als probatem Gegenmittel zur sonntäglichen Langeweile. Und natürlich steht immer die Stadt Barcelona selbst im Mittelpunkt, deren Zauber Pàmies auf seine pointierte Weise aufzeichnet.
Autorenporträt
Sergi Pàmies, 1960 im Exil in Paris geboren, lebt seit 1971 in Barcelona. Er gilt als einer der herausragenden Vertreter der neuen katalanischen Literatur. Von Sergi Pàmies sind in der Frankfurter Verlagsanstalt auf Deutsch erschienen: »Du solltest dich in Grund und Boden schämen« (1996), »Der Letzte Stein« (1997), »Der große Roman über Barcelona« (1999) und zuletzt »Wie man in eine Zitrone beißt, ohne das Gesicht zu verziehen« (2008).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Paul Ingendaay kann sich an den Bosheiten, den kurzen Sätzen, den kalten Parodien konventioneller Handlungsmuster, die Pamies hier liefert, nicht genug ergötzen, auch wenn es ihn manchmal stört, dass der katalanische Autor "seinen Witz unwiderstehlich findet". Wer hier Lokalkolorit aus Barcelona erwartet, der sei von Ingendaay gewarnt. Der Autor scheint eher an abstrakten "Versuchsanordnungen" interessiert zu sein, die genau so gut anderswo aufgebaut werden könnten. Ingendaay exemplifiziert das anhand der Erzählung "Romeo und Julia", in der Pamies eine typische Party-Situation schildert und eine romantische Verliebtheit auf den ersten Blick auf "grauenerregende Weise" entzaubere. Der Übersetzerin Elisabeth Brilfen bescheinigt der Rezensent ein "hervorragendes Deutsch". Außerdem weist er darauf hin, dass bereits zwei weitere Bücher dieses Autors in deutsch vorliegen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Anonyme Abstinenzler
Der katalanische Erzähler Sergi Pàmies / Von Paul Ingendaay

Zitate haben in der Rezension eines Erzählwerks selten etwas zu sagen, meistens helfen sie eher dem Rezensenten als dem Leser der Rezension. Und wer weiß schon, ob der rezensierte Autor immer so toll (so dunkel, so lyrisch) schreibt wie an der passend herausgepickten Stelle. Anders bei dem katalanischen Erzähler Sergi Pàmies, Jahrgang 1960, von dem jetzt das dritte Buch auf Deutsch erschienen ist.

Wenn gleich ein Zitat daraus folgt, dann von dem Ehrenwort begleitet, dass sich der Ton in allen fünfzehn Geschichten in dem Band absolut gleich bleibt - immer dieselbe Kürze in den Sätzen, derselbe gleichmütige, unauffällig elegante Stil, dieselbe Zerstörungslust, was Erzählschablonen und moderne Küchenpsychologie betrifft. Die Frage ist nur, wann der Leser es merkt. Dies zum Beispiel ist der Anfang von "Romeo und Julia", einer Erzählung von kaum fünf Seiten: "Sie kennen sich nicht. Zum Fest sind sie getrennt gekommen; sie mit Freundinnen, er ganz allein. Sie haben sich noch nicht gesehen, denn während er sich in der Küche aufhält, ist sie auf der Terrasse.

Es sind viele Leute da, zu viele für beider Geschmack. Sie hört zu, wie die Gastgeberin ihr von einer Reise nach Kuba erzählt, und er spricht mit dem Gastgeber über die Folgen der deutschen Wiedervereinigung. Nach einer Weile fühlen sie sich ein wenig fehl am Platze, sie, weil sie sehr schüchtern ist, er, weil er Menschenansammlungen nicht leiden kann. Mit einem Glas in der Hand suchen sie jemanden, der sie vor der Langeweile rettet, bis ihre Blicke sich ganz zufällig treffen."

Wären wir im Film, müsste man von Studiolicht und absichtlicher Kulissenhaftigkeit sprechen: Mag sein, dass Pàmies beim Schreiben Barcelona im Sinn hat, doch ist er durch und durch Antinaturalist, der keine unerhörten Lokalbegebenheiten, sondern eher serielle Phänomene schildert. Deswegen schafft er keine Atmosphäre, sondern führt uns durch einen Set aus zuverlässigem, wieder verwendbarem Plastik. Und das hat beträchtlichen Charme.

Auf den restlichen viereinhalb Seiten seiner Erzählung beschreibt er übrigens, wie zwei, die eben noch Fremde waren, sich ineinander verlieben und kurz darauf miteinander schlafen. Was man so miteinander schlafen nennt: Der Blick des Erzählers ist erbarmungslos wie Pornographie und ungefähr so intim wie ein Röntgenapparat. Innerhalb weniger, völlig gelassen aufeinander folgender Sätze entzaubert er die amouröse Situation auf so grauenerregende Weise, dass darin im Zeitraffer die Ernüchterungen des säkularen Liebes- und Selbstverwirklichungskults aufscheinen.

Irgendjemand hat geschrieben, Pàmies sei Moralist. Das würde man gern glauben, aber der Beweis auf der Buchseite fehlt. Es sei denn, Bosheit dürfte endlich als aufklärerische Tugend gelten. Dafür spricht bei Sergi Pàmies in der Tat einiges. Wir können ihn uns getrost dabei vorstellen, wie er angesichts bieder-realistisch erzählter Geschichten sehr fein die Nase rümpft und murmelt: "Zu viel Gefühl, so geht das nicht." Dann zeigt er, wie wenig man an dem Schräubchen Wirklichkeit zu drehen braucht, um den Leser zu bannen und ihm zugleich begreiflich zu machen, dass er sich in einer arrangierten Welt bewegt, die unablässig auf ihrer Künstlichkeit besteht. Durch einen einfachen Trick erzählt er etwa in "Weihnachtslied" die Geschichte des reichen Sacks, dessen naive Geliebte schwanger geworden ist, als Blaupause aller kommenden und gewesenen Geschichten, in denen naive Mädchen sich mit verheirateten reichen Säcken einlassen: Ihn nennt er nur "den berühmten Mann", sie "das erschreckte Mädchen". Das definiert sie, das sind sie, und leider, leider spielt so das Leben. Oder gibt es irgendeinen Leser, der nicht das Ende dieser Geschichte wüsste?

Man muss viel können, um Erzählungen als Versuchsanordnungen zu entwerfen, und oft genügt es Pàmies, ein einziges Detail auf den Kopf zu stellen, um uns in eine verkehrte Welt zu locken. So beginnt die Erzählung "Durst": "Jetzt kann ich es schon sagen, ohne dass meine Stimme zittert: Ich bin Abstinenzler. Das zuzugeben war nicht leicht. Ich dachte, ich hätte die Sache im Griff, bis ich in ein tiefes, ein bodenloses Loch fiel. Dieser Absturz dauerte fast fünfzehn Jahre. Zum ersten Mal habe ich Mineralwasser mit sechzehn probiert. Es machte mir überhaupt nichts aus. Von meinem jetzt distanzierten Standpunkt aus glaube ich, dass ich abhängig wurde, weil meine Freunde ebenfalls tranken. Nach Schulschluss anderthalb Liter miteinander zu teilen, gab uns das Gefühl, so zu sein, wie wir gerne gewesen wären, und nicht, wie wir in Wirklichkeit waren."

Elf Seiten lang hält Pàmies das Tremolo menschenfreundlicher Besorgtheit, die er schon zu Beginn der Erzählung als Sozialkitsch entlarvt hat. Er verspottet das konventionelle Handlungsmuster, während er uns zugleich mit unserer Gier nach Mitleidsgeschichten ködert. Am Ende hat er einen alten, sattsam bekannten Text mit einem neuen überschrieben und den kaum zu widerlegenden Beweis erbracht, dass nicht nur Begriffe ins Wörterbuch der Gemeinplätze gehören können, sondern auch Ereignisse, Glücks- oder Unglücksfälle und vor allem so genannte "Schicksale". Nebenbei: Vielleicht war es an der Zeit, dass jemand auf den Gedanken kam, gegen die Anonymen Alkoholiker die Anonymen Abstinenzler aufzubieten.

Nicht alle Erzählungen dieses Bandes funktionieren reibungsfrei. Dann steht zu befürchten, dass der Autor seinen Witz unwiderstehlich findet. Doch in den meisten Texten sind das Tempo, die Wahl der abstrusen Details und eine Komik, bei der man an die Mundwinkel von Buster Keaton denkt, so bestechend, dass Pàmies auch noch mit Stoffen durchkommt, die beim Nacherzählen in müde Satire zurücksacken und sich bei allzu heftiger Deutungsanstrengung wahrscheinlich verflüchtigen würden. Daher nur noch der Hinweis, dass die Übersetzerin Elisabeth Brilke, deren Katalanisch wir nicht überprüfen können, in jedem Fall über ein hervorragendes Deutsch verfügt.

Sergi Pàmies: "Der große Roman über Barcelona". Aus dem Katalanischen übersetzt von Elisabeth Brilke. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1999. 127 S., geb., 29,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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