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“Jorge Volpis Zeit der Asche ist das klügste Buch, das ich seit langem gelesen habe, und da fragt man sich ja sofort: kann oder muss ein Buch klug sein? Ach was, es muss gut geschrieben sein, eine gute Geschichte erzählen, es muss uns unterhalten, und wenn wir dabei auch noch klüger werden, (...) kann das doch wohl nicht schaden.“ Elke Heidenreich
Drei Frauen - drei Schicksale Eine sowjetische Biologin bezeugt aus nächster Nähe den Zusammenbruch des Kommunismus und den Tod ihrer Tochter. Am anderen Ende der Welt hat eine amerikanische Ökonomin mit ihrem skrupellosen Mann und ihrer
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Produktbeschreibung
“Jorge Volpis Zeit der Asche ist das klügste Buch, das ich seit langem gelesen habe, und da fragt man sich ja sofort: kann oder muss ein Buch klug sein? Ach was, es muss gut geschrieben sein, eine gute Geschichte erzählen, es muss uns unterhalten, und wenn wir dabei auch noch klüger werden, (...) kann das doch wohl nicht schaden.“ Elke Heidenreich

Drei Frauen - drei Schicksale
Eine sowjetische Biologin bezeugt aus nächster Nähe den Zusammenbruch des Kommunismus und den Tod ihrer Tochter. Am anderen Ende der Welt hat eine amerikanische Ökonomin mit ihrem skrupellosen Mann und ihrer globalisierungskritischen Schwester zu kämpfen. Und schließlich ist da eine begnadete Computerwissenschaftlerin, entschlossen, das Geheimnis der Intelligenz zu lüften. Alle drei finden sich im Fadenkreuz eines sonderbaren Söldners wieder ... Virtuos und schwungvoll erzählt "Zeit der Asche" von den großen Umbrüchen des ausgehenden 20. Jahrhunderts: von Tschernobyl, dem Fall der Berliner Mauer, dem Niedergang des Sowjetreiches, von bakteriologischer Kriegsführung und dem Humangenom-Projekt.
Autorenporträt
Jorge Volpi, geb. 968 in Mexiko Stadt, studierte dort Jura und Literatur und promovierte im spanischen Salamanca. Seit 1992 ist er freier Schriftsteller. Er ist Gründungsmitglied von 'Crack', eines aufsehenerregenden literarischen Zirkels von Autoren, deren Manifest eine Abkehr vom magischen Realismus fordert. Sein letzter Roman 'Das Klingsor-Paradox' wurde zum Weltbestseller.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2009

Ohne Ringelschwänzchen
Der mexikanische Schriftsteller Jorge Volpi scheucht drei Frauen durchs 20. Jahrhundert
Dieses Morgengrauen muss Irina Nikolajewna Granina in einem Moskauer Leichenschauhaus durchstehen. Aufgescheucht von Ärzten, denn die russische Wissenschaftlerin soll in der Pathologie eine Leiche identifizieren. Nein, antwortet Irina den Medizinern in den tadellos weißen Kitteln, dies sei nicht ihre verschwundene Tochter. „Eine Mutter irrt nie. Es sind nicht ihre Augen”, sagt sie. Am selben Morgen stärkt sich Jennifer Moore in New York dafür, ihrem Neffen den Tod seiner Mutter zu erklären. Mit einem Schluck Mineralwasser, nicht mit einer Zigarette, auch wenn sie sich jetzt eine wünscht. Und am selben Morgen urteilt das Gericht in Rockville nicht weit von Washington über eine Anklage wegen Mordes. Tot ist die in Ungarn geborene Biologin Éva Halász.
Das Los von drei Frauen verknüpft der Schriftsteller Jorge Volpi am Anfang seines Romans „Zeit der Asche”. Auf den folgenden Seiten erspart er seinen Hauptdarstellerinnen kaum einen Weltschicksalstag. Vom Jahr 1929 bis in dieses Jahrtausend schlägt der Mexikaner einen Bogen, von der Weltwirtschaftskrise hin zu russischen Oligarchen. Tschernobyl, Berliner Mauerfall und Zusammenbruch der Sowjetunion: Nichts lässt er aus in seinem dritten Buch, das im März auf Deutsch erscheint und aus dem er heute Abend im Instituto Cervantes vorliest. „Die Umstürze des späten 20. Jahrhunderts haben mein Leben geprägt”, sagt Volpi, ruhig, im singenden Spanisch der Mexikaner. „Ich wollte sie aus der Sicht von drei Frauen beschreiben, die aus drei Generationen stammen und in den USA und im heutigen Russland leben.”
Volpi ist ein chilango, ein Hauptstädter Mexikos. Die lauten, stinkenden Ecken der Metropole, die Fixer, Ganoven und Nutten überlässt er aber Kollegen wie seinem Landsmann Guillermo Fadanelli. Volpi hat Jura und Literaturwissenschaft studiert, er war Kulturattaché der mexikanischen Botschaft in Paris. Seine Liebe gilt der Naturwissenschaft. „Ich habe immer bereut, nicht Physik studiert zu haben”, sagt der Mann mit dem kleinen Mund und der runden Brille. „Die Wissenschaft ist zweifellos eine der größten Errungenschaften der Menschheit.” Also machte er Forscher zu Helden und Bösewichtern in seinen Romanen. Im ersten, „Das Klingsor-Paradox”, schickte er einen Physiker und einen Mathematiker auf die Suche nach einem Wissenschaftler, der für die Nationalsozialisten Juden zu Experimenten missbrauchte.
Auch Volpis drittes Buch ist ein Thriller und Historienroman, wie ein Hexenkessel aus Tatsachen und Erfundenem. Als den einzigen Schriftsteller, der besser sei als er selbst, soll der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez einmal Volpi bezeichnet haben. Mitte der neunziger Jahre gründete Jorge Volpi mit sechs anderen mexikanischen Schriftstellern die Generación del Crack. Crack wie Bruch, nicht wie die Droge. Denn in einem Manifest wandten sie die jungen Autoren gegen einen überdehnten, entstellten „magischen Realismus”, den fabelhaften Schreibstils des auch von ihnen verehrten García Márquez. „Wir wollten mit Zwang brechen, auf exotische Weise zu schreiben”, erklärt Volpi. Kein Blumenregen also, keine fliegenden Teppiche, keine Kinder mit Ringelschwänzchen wie der verfluchte Nachkömmling der Familie Buendía im Roman „Hundert Jahre Einsamkeit” von García Márquez.
Die damaligen Revoluzzer sind älter geworden. Heute ist Volpi gefragter Essayist und leitet den staatlichen Kultursender Canal 22. Ein genauer Beobachter, ja, akribisch und bekannt für seine monatelangen Recherchen für seine Bücher. Der wie ein Forscher Natur und Liebe beschreibt. Oder das grausame Geheimnis der drei Frauen in „Zeit der Asche”. STEFFEN HEINZELMANN
Jorge Volpi liest aus „Zeit der Asche”, 26. Februar 2009, 18 Uhr, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Straße 7.
Volpi legt 80 Jahre auf den Seziertisch – hier der des rechtsmedizinischen Instituts Bonn. Fotos: privat, Magunia/ddp
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.2009

Trost im Hotelaufzug
Jorge Volpis schicksalhaftes Endzeitszenario

Was ein Jahrhundertroman ist, entscheidet üblicherweise die Nachwelt. Ragt ein Werk aus den Kunststücken seiner Zeitgenossen heraus, weil Form und Inhalt den Nerv von mehr als einer Generation treffen, so wird es kanonisiert als epochemachende Meisterleistung. Nicht alle Autoren, die etwas auf sich halten, wollen so lange warten. Ein Jahrhundertroman, so sagen sie sich, wird sich doch wohl auch ohne den Umweg über die Rezeptionsgeschichte herstellen lassen. Beim jungen Mexikaner Jorge Volpi, der vor und während seiner Schriftstellerkarriere schon Politiker, Jurist und Medienmanager war, handelt es sich um solch einen Ungeduldigen. Seine Überlegung scheint es zu sein, dass ein Jahrhundertroman auch dann entsteht, wenn man die wesentlichen Strömungen eines Jahrhunderts identifiziert und ihre Schlüsselbegriffe zusammenschreibt.

Mit dem Klingsor-Paradox, einem Wissenschaftsthriller, der die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts als Synopse aus Quantenphysik und Nationalsozialismus darstellt, hat er sich damit zuletzt auch auf dem deutschen Buchmarkt einen Namen gemacht. In seinem neuesten Buch knöpft Volpi sich nun die wissenschaftlichen und politischen Eckdaten der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts vor - mit dem erkennbaren Ehrgeiz, damit zugleich ein Menetekel für die Zeit nach der Jahrtausendwende zu liefern. Das Rezept ist das gleiche, nur dass es diesmal darum geht, Gentechnik und Kapitalismus miteinander zu verknüpfen - um abermals ein geradezu schicksalhaftes Endzeitszenario zu entwerfen.

Den Erzähler haben die Zeitläufte zum Mörder gemacht. Seine Erinnerungen aus der Zeit der Asche will er als "Abrechnung" verstanden wissen, als Abrechnung mit einer Epoche, in der sich die Menschen vom Leben entfremdet und zu Handlangern ihrer Wissenschaften geworden sind. Die Frau, die er geliebt und im Affekt getötet hat, wurde ihm zum Symbol einer unerträglichen Einstellung dem Leben und der Liebe gegenüber. Sie sei, so sinniert er im Gefängnis, das intelligenteste Mädchen auf der Welt und gleichzeitig das dämlichste gewesen: einerseits Expertin für künstliches Leben, andererseits unfähig, sich für einen geeigneten Partner zu entscheiden und lebenskluge Entscheidungen zu treffen.

Diese Konstellation aus Intelligenz und Unfähigkeit führt Volpi noch an einer ganzen Reihe von Figuren vor, deren Geschichten über Verwandtschafts- und Bekanntschaftsbeziehungen letztlich alle miteinander verbunden sind. Fast alle machen Karriere, sind erfolgreiche Forscher, Politiker, Händler und Banker, und fast alle offenbaren in ihren Lebensläufen blinde Flecken oder schwarze Löcher. Dass die Abgründe des Erfolgs tief sein können, wird im Milieu der Börsenspekulanten illustriert; dass sie nichts weniger als das Schicksal der Menschheit bedrohen, suggeriert der Roman, indem er vorführt, wie auch die Entschlüsselung der Genome zum Gegenstand von Finanzjongleuren werden kann.

Mit seinen über den ganzen Globus verstreuten und bis zum Börsencrash der zwanziger Jahre zurückreichenden Biographien zeichnet Volpi eine Epoche der Selbstermächtigung und -überschätzung nach und veranschaulicht dabei seine These, dass in Ost und West selbstzerstörerische Eliten wirken. Das erste Kapitel ist der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gewidmet und profiliert den homo sovieticus als Prototypen: von Kindheit an zum Fortschritt dressiert wie Millionen "Versuchskaninchen im Dienste dieses Traums, Teil eines gigantischen Experiments, das die Theorien der Partei beweisen sollte". Die wichtigste Übung besteht in der Selbsttäuschung, alles im Griff zu haben - und im konsequenten Vertuschen, sobald diese Selbsttäuschung nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Der Rest des Romans besteht aus der Globalisierung dieses homo sovieticus über ein insbesondere weibliches Netzwerk geblendeter Karrieristinnen. Sie finden ihr Glück in den Scheinwelten verspiegelter Hotelaufzüge, und wenn das Risiko ihres geschäftlichen Handelns nicht mehr als Aphrodisiakum taugt, werden sie von Melancholie und Schwermut befallen, in einigen Fällen finden sie Trost in der Poesie.

Mehrfach hebt der Erzähler hervor, wie ungern er diese Geschichten aufbereitet. Nachdem er sich einst einen Namen mit Erinnerungen aus Afghanistan und Enthüllungen über Korruption in Russland gemacht hat, empfindet er sich nun als einen glücklosen Kartographen von Unfällen. Wenig mitreißend ist daher auch sein Erzählduktus. Aus jeder Zeile spricht weniger der Versuch, eine plastische Vorstellung des zwanzigsten Jahrhunderts zu vermitteln, als die Anstrengung, auf intelligent konstruierte Weise den Roman zu einem Medium politischer Anklage im Zeitalter des Posthumanismus werden zu lassen. Jorge Volpi unterstreicht diesen Anspruch in Interviews. Doch seine littérature engagée ist eine Prosa der Kapitulation: so zweidimensional und unsinnlich wie die Charaktere selbst, so klinisch und oberflächlich wie der beklagte Lebensbegriff der Herrscher über Petrischalen und Aktienkurse. Sie liest sich wie ein Best-of der "Tagesschau".

ROMAN LUCKSCHEITER

Jorge Volpi: "Zeit der Asche". Roman. Aus dem Spanischen von Catalina Rojas Hauser und Kirstin Bleiel. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2009. 512 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sieht so ein Jahrhundertroman aus? Für Roman Luckscheiter jedenfalls nicht. Da kann Jorge Volpi noch so sehr der Meinung sein, es genüge, die Schlüsselbegriffe eines Jahrhunderts "zusammenzuschreiben". Aus dem Clash von Kapitalismus und Gentechnik wird noch kein Menetekel unserer Zeit, findet der Rezensent, der mit Skepsis in die Abgründe der von Volpi vorgeführten Figuren hinabschaut. Volpis destruktive Eliten, allen voran Banker, die in Melancholie verfallen, sobald der Kick verschwindet, rühren ihn wenig. Der Roman bleibt für ihn "zweidimensional und unsinnlich" wie seine Akteure. Eine politische Anklage im Prosahemdchen. Litterature engagee sieht für Luckscheiter aber anders aus.

© Perlentaucher Medien GmbH