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Produktdetails
  • Fischer Taschenbücher Bd.15974
  • Verlag: FISCHER Taschenbuch
  • Seitenzahl: 185
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 144g
  • ISBN-13: 9783596159741
  • ISBN-10: 3596159741
  • Artikelnr.: 12202222
Autorenporträt
Anke Stelling, geboren 1971 in Ulm, aufgewachsen in Stuttgart und Berlin, studierte in Leipzig und lebt heute mit Mann und drei Kindern in Berlin. Sie arbeitet als Prosa- und Drehbuchautorin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2004

Was hat sie bloß so ruiniert?
Balladen von S.: Anke Stellings Heldinnen suchen das Unglück

Es geht ihnen nicht gut: den Frauen, deren Namen in den neuen Erzählungen von Anke Stelling immer mit einem "S" beginnen. Sie leiden stark. Vordergründig unter Liebeskummer, hintergründig unter einer seltsamen Lähmung, die sie ausgerechnet in der Mitte ihres Lebens ereilt. In der festen Überzeugung, daß alles Schöne zwangsläufig "nach und nach zu Ende ging", hegen alle diese Frauen um die Dreißig keine besonderen Interessen - außer an Fernsehen und Männern. Da aber der Fernseher oft streikt und die Liebhaber sich noch öfter zieren, gerät die Existenz von "Silke" und "Sandra", von "Saskia" und "Sonja", von "Svenja" und sogar von "Simone" ins Trudeln und wird zu einer "schleichenden Verwahrlosung".

Obwohl es doch zumindest Simone eigentlich ganz passabel getroffen hat mit ihrem Freund Hannes, der "gut und klug und immer frisch rasiert" ist und für "das späte Mädchen" eine richtig "glückliche Fügung" bedeutet, wie es in der Titelgeschichte heißt. "Da hast du ja wirklich ein Goldstück erwischt", gratuliert die Freundin, weil Hannes sich zu Simone bekennt, obwohl sie für ihn nur ein One-night-stand mit Folgen war. Denn Simone wurde versehentlich schwanger dabei. Hannes jedoch läßt sie nicht nur nicht sitzen, sondern kauft ihr sogar ein Auto und zieht zu ihr ins Reihenhaus mit Garten. Alles zum Besten für die werdende Mutter und ihr Kind. "Alles, was man sich nur wünschen konnte", wie auch Simone selbst verblüfft feststellt. Nur, daß sie eben nicht der Typ Frau ist, der nicht trotzdem ein Haar in der Suppe findet. Ihrem Hannes hängt sie prompt eine Affäre mit der Nachbarin an. Als sich dieser Verdacht nicht bestätigt, möchte sie ihren Mann dennoch verlassen. Schließlich, davon ist Simone überzeugt, ist Hannes einfach "zu gut" für sie.

Tatsächlich klingt Stellings Buch leider nicht nur an dieser Stelle wie ein Prosanachklapp zu Paul Watzlawicks "Anleitung zum Unglücklichsein". Denn auch Sandra, Sonja, Svenja und Saskia halten sich stur an Simones Devise, lieber an einem alten Unglück festzuhalten, als sich auf neue Chancen einzulassen, die womöglich Enttäuschungen bergen. Stellings Königsweg für Frauen, nicht glücklich werden zu müssen, besteht darin, sich stets penibel nur in solche Männer zu verlieben, die garantiert nicht zum Prinzen taugen. Genau das tun ihre Protagonistinnen geflissentlich: Sandra belagert jemanden, der sich "von vorneherein weigerte". Svenja läuft einem Schwerenöter hinterher, der nicht treu sein kann. Sonja kommt von einem Bibelfanatiker nicht los, für den Frauen und Sex sowieso Sache des "Teufels" sind. Saskia heult sich die Augen für einen Künstler aus dem Kopf, der bei ihr "das Geheimnis in der Frau" vermißt. Und Silke schließlich hängt erfolglos ihrem Exfreund hinterher.

Statt auf den plumpen Optimismus heutiger Boy-meets-girl-Märchen setzt Stelling, Absolventin des Literaturinstituts Leipzig, in puncto Geschlechterliebe strikt auf Schwarzmalerei. Schnell gewinnt man den Eindruck, als wollte die zuletzt als "Popliteratin" gelobte Autorin mit ihrem ersten eigenständigen Buch unbedingt einmal Ernsthaftigkeit beweisen. Schmerz allein aber bürgt noch nicht für Tiefgründigkeit - mag er auch noch so detailliert und gekonnt nüchtern erzählt sein.

Hatte sich Stelling (zusammen mit dem Koautor Robby Dannenberg) in den zwei vorigen Romanen noch als einfühlsame Chronistin jugendlicher Liebesdebakel bewährt, gönnt sie ihrem Personal diesmal einfach zuwenig Grund für das Leiden. Alle ihre merkwürdig mutlosen Frauen haben im neuen Band bereits jede Hoffnung aufgegeben, bevor ihre Geschichte überhaupt anfängt. Ihr Liebeskummer wirkt entsprechend nur noch wie herbeizitiert. Wie ein willkommener Anlaß, sich endlich vollends der Lust am eigenen Untergang hinzugeben. Schließlich wissen Stellings Heldinnen generell nicht so recht, was sie sonst mit ihrem Leben anfangen sollten. Oder, wie Saskia es einmal ausdrückt: "Irgendwas muß (man) ja tun den lieben, langen Tag."

Schon bald schwelgen die Figuren dann allerdings derart in Düsternis, daß es ihren Episoden nicht nur an Überraschungen mangelt, sondern die Trostlosigkeit stellenweise auch arg konstruiert wirkt. Im Supermarkt "heult" sehr oft in diesem Buch "irgendwo ein Kind". Und selbst die Klospülung muß sinnschwer versagen: "Es krachte und fauchte, Wasser kam keins." Die Umgebung paßt stets zu einer zerrütteten Seelenlandschaft. Kein Wunder, daß sich eine namenlose Defätistin an anderer Stelle da gleich den Big Bang wünscht: "Wenn doch nur mal wieder Krieg wäre mit Bomben, die das hier ratzfatz wegknallen würden", räsoniert sie bitter. Besonders schockierend oder gar spannend aber lesen sich solche Jammerbekenntnisse nicht. Eher wie Bankrotterklärungen ehemals verwöhnter Wohlstandskinder, die sich nach Führung und Abwechslung sehnen - und denen die Hamburger Band "Die Sterne" einst eine Pophymne schrieb: "Warst du nicht fett und rosig, warst du nicht glücklich?" heißt es in diesem Song, der auf den Refrain endet: "Was hat dich bloß so ruiniert?" Diese Frage würde man Stellings jungen larmoyanten Frauen auch einmal gern stellen.

GISA FUNCK

Anke Stelling: "Glückliche Fügung". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004. 186 S., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.03.2004

In Aspik
Anke Stellings Erzählungen „Glückliche Fügung”
Anke Stelling, Jahrgang 1971, ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig. Bisher hatte sie mit ihrem Kommilitonen Robby Dannenberg zwei Bücher veröffentlicht. „Glückliche Fügung”, ein Erzählungsband, ist jetzt ihre erste eigenständige Publikation.
In der Erzählung „Unbeständig und kalt” (die ansonsten davon handelt, dass Saskia und Werner nicht glücklich miteinander werden) hat Saskia die Abschlussarbeit ihres Kunststudiums damit bestritten, aus farbigen Kartons kleine Quadrate auszuschneiden und diese mit Kleister zu Bildern anzuordnen. Das Ganze war mangels besserer Ideen eine Notlösung, an die sie selbst nicht glaubte. Dann aber kam ihr Professor und zeigte sich beeindruckt, es folgte ein Stipendium und schließlich ein vierhundertseitiger Katalog. Seither muss Saskia Quadrate kleben. Und irgendwann wird einer kommen und rühmen, die junge Künstlerin habe das untergründig Quadratische unserer Welt kongenial abgebildet.
Was in Saskias Oeuvre die Quadrate, das sind in Stellings Erzählungen die Stimmungslagen melancholischen Stillstands. Nichts passiert. Keine Veränderung, kein Umschwung, keine Überraschung. Die Geschichten sind in eine Atmosphäre apathischer Bewegungslosigkeit eingelegt wie in Aspik. Die Ödnis und Sinnleere, unter der Stellings Figuren leiden, weht wie ein erschlagender Föhnwind durch die Seiten dieses Buches. Man könnte zur Verteidigung dieser Ödnis sagen: Ja, das ist nun mal ein bestimmendes Lebensgefühl vieler Autoren dieser Generation, diese existentielle Verlorenheit, die sich als Tatschwäche ausdrückt. Aber man hat doch sehr stark den Eindruck, dass es – wie bei den Quadraten – eher ein Trick ist, die imaginative Einfallslosigkeit der Autorin zu verdecken. Weil ihr zu ihren flachen Figuren nichts an Entwicklungsmöglichkeiten einfällt, übergibt sie sie dem Schicksal mit kunsthandwerklicher Tristesse aufgepumpter Handlungslosigkeit. (Natürlich gibt es dieses Genre erzählerischer Ereignislosigkeit, und es ist ein durchaus ehrwürdiges. Es muss sich aber ästhetisch beglaubigen und mehr sein als die Ausstellung einer Zeitstimmung.)
Wenn aber auf jeden Plot verzichtet wird, muss etwas anderes für Dramatik sorgen. Diese Funktion – so scheint uns – erfüllen in den meisten Fällen kaputte Dinge. In der Erzählung „Was, wenn nicht das?” (die ansonsten davon handelt, dass Sonja und Micha nicht glücklich miteinander werden) spricht die Protagonistin von „schleichender Verwahrlosung”. Und tatsächlich ist in dieser Erzählung der Fernseher kaputt, die Dusche, die Waschmaschine und die Heizkörper. Die kaputte Infrastruktur ist hier wie ein Hauch von Abenteuer: Wenn sonst schon nichts passiert, soll wenigstens das ächzende, uralte Außenklo für ein wenig Unheimlichkeit sorgen. Daraus ergibt sich mit ziemlicher Notwendigkeit, dass die Geschichten sehr häufig in Berlin spielen müssen. Denn nur dort wird hin und wieder noch mit Kohle geheizt und gibt es ächzende Außenklos, die zugleich als Signatur einer Umbruchsepoche gedeutet werden können.
In der Erzählung „So klein” (die ansonsten davon handelt, dass Svenja und Chrisse nicht glücklich miteinander werden) fahren Svenja und Chrisse zu einer Party. Während Svenja die Gäste und das eigene Verhalten beobachtet, schaltet die Erzählerin in Klammern immer einen Satz dazwischen, den sie „Regel” nennt („Regel: Du bist auf dem Prüfstand. Immer und immer wieder”). Das sind aber allenfalls Merksätze, nie Regeln. Und weil einen sonst so wenig an dieser Erzählung hält, stellt man sich vor, wie der Lektor über dem Manuskript brummelt: „Mit Regeln hat das zwar nichts zu tun, aber wenn ich ihr das streiche, bleibt von der Geschichte rein gar nichts übrig.”
IJOMA MANGOLD
ANKE STELLING: Glückliche Fügung. Erzählungen. Collection S. Fischer, Frankfurt am Main 2004. 186 S., 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Um Frauen, "die nicht mehr jung sind, die aber auch noch nicht erwachsen werden wollen", geht es in Anke Stellings zwölf Erzählungen. "Subtil" schildert die Autorin ihre Figuren, die sich so häuslich in jenem Provisorium zwischen "Nichtmehr und Nochnicht" eingerichtet haben, dass sie es nur unter größten Schwierigkeiten wieder verlassen können, berichtet Susanne Messmer durchaus wohlwollend von Stellings Erstling.

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