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Mit viel Humor blickt die 15-jährige Doria auf ihr Leben. Und das ist eigentlich alles andere als lustig. Zusammen mit ihrer analphabetischen Mutter lebt sie in einer tristen Pariser Vorstadtsiedlung. Der Vater ist mit einer jüngeren Frau nach Marokko abgehauen. Seitdem beschränken sich Dorias Shopping-Ausflüge auf die Altkleiderkammer. Und einmal die Woche geht sie zu einer Therapeutin, die sie nicht versteht, aber nett ist. Nett ist auch Hamoudi, den Doria heimlich verehrt...

Produktbeschreibung
Mit viel Humor blickt die 15-jährige Doria auf ihr Leben. Und das ist eigentlich alles andere als lustig. Zusammen mit ihrer analphabetischen Mutter lebt sie in einer tristen Pariser Vorstadtsiedlung. Der Vater ist mit einer jüngeren Frau nach Marokko abgehauen. Seitdem beschränken sich Dorias Shopping-Ausflüge auf die Altkleiderkammer. Und einmal die Woche geht sie zu einer Therapeutin, die sie nicht versteht, aber nett ist. Nett ist auch Hamoudi, den Doria heimlich verehrt...
Autorenporträt
Faiza Guene, in Frankreich geborene Tochter einer algerischen Einwandererfamilie, studiert in Paris Soziologie. Sie hat bereits mehrere Kurzfilme gedreht. ""Paradiesische Aussichten"", ihren ersten Roman, veröffentliche sie mit zwanzig Jahren. Das Buch sorgte weltweit für Aufmerksamkeit und wurde in Frankreich zum Bestseller.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2006

Träume der Vorstadtmädchen
"Paradiesische Aussichten" erzählt vom Leben in den Banlieues

Der Handlungsort dieses Romans ist uns bekannt, wenn auch nur von weitem. Wir sahen ihn im letzten Herbst im Fernsehen: monotone Wohnsiedlungsriegel, herumhängende Jugendliche, halb Franzosen, halb Nordafrikaner, und viele brennende Autos. Hier brennt kein Auto, es verschwindet höchstens mal eins, der Opel Vectra der Sozialarbeiterin etwa, der nach ihrem Besuch bei einer Problemfamilie einfach nicht mehr unten steht. Auch sonst sind die Figuren dieses Romans insgesamt eher sympathisch, manchmal vielleicht etwas nervend in ihrer umständlichen Gutmütigkeit. Doch über dem ganzen Geschehen liegt ein reizvoll aufgekratzter Humor. Der kommt von der fünfzehnjährigen Doria, der Ich-Erzählerin, die schon im ersten Kapitel in einem einzigen lockeren Erzählschlenker ihre Situation umreißt.

Der Vater hat sich mit einer anderen Frau wieder nach Marokko verzogen. Doria bleibt mit ihrer des Lesens unfähigen Mutter allein in der Sozialwohnung der Pariser Vorstadt zurück. Pubertätserfahrung mit sozialer Problemkiste: in der Schule, beim Gratis-Shoppen im Altkleiderlager, bei den absonderlichen Persönlichkeitstests der Therapeutin, zu Hause bei der überforderten Mutter. Und doch sind der dealende, Rimbaud zitierende Tagedieb Hamoudi, der Geschichtslehrer Werbert, der Lebensmittelhändler Aziz, sind die Schule, das Sozialamt und überhaupt der Staat im etwas klebrigen Bemühen um Besserung ziemlich in Ordnung. Die Mutter lernt im Fortbildungskurs schließlich lesen, Doria kommt - ohne Begeisterung, aber immerhin - zur Friseursausbildung ins Berufsgymnasium, und selbst aus der Beziehung zu dem letztlich gar nicht so ätzenden Nabil könnte etwas werden. Schöne, wenn auch nicht unbedingt paradiesische Aussichten.

Dieser Erstlingsroman der aus einer algerischen Einwandererfamilie stammenden Französin Faïza Guène wurde, als die französischen Vorstädte brannten, mitunter als Beispiel angeführt. Er bietet eine gelungene Innenschau dazu, wie es sich da lebt: ähnlich wie anderswo, nur drücken die kleinen Mühseligkeiten oft mehr als die großen. Der Chef vom Billighotel, wo die willfährige Mutter arbeitet, ist auch als Ausbeuter von der ganz billigen Sorte. Das Frausein ist gewiß ein Problem, wo die Männer im Alter entweder als Hausdiktatoren herumschreien oder mit jüngeren Frauen abhauen. Doch das Problem läßt sich mit der Zeit lösen. Dorias Cousins und Freunde geraten zwar, von der Polizei permanent gefilzt, in die Spirale des Kleinverbrechens und mitunter auch ins Gefängnis, sind aber im Grund keine üblen Gesellen. Nur ist die Zauberfee des Träumens in diesem Milieu fast ausschließlich das Fernsehen mit seinen Talkshows und Billigserien, selbst wenn die Romanheldin gelegentlich auch zu einem Buch von Tahar Ben Jelloun greift.

Denn sie ist keineswegs dumm. Sie weiß über ihre Lage sogar sehr genau Bescheid - das ist ihr Glück. Ihre Verschlossenheit, ihr Aufbegehren gegen die Welt und ihre Unaufmerksamkeit in der Schule sind hingegen manchmal ihr Unglück. Hätte sie im Englischunterricht besser aufgepaßt, brauchte sie sich jedenfalls nicht in der Klasse verlachen zu lassen, weil ihr neuer Pulli aus dem Gratisklamottenlager mit der Aufschrift "Sweet dreams" sich als Oberteil eines Schlafanzugs herausstellt. Natürlich ist das Frau-werden noch etwas komplizierter, wenn keine kundige Mutter hilfreich daneben steht. Bevor die erste Menstruation kam, glaubte die kleine Doria, das Menstruationsblut sei blau wie in der Werbung von Always, die immer gerade lief, wenn man abends bei Tisch saß.

Von der bloß kratzbürstig motzenden Lebenshaltung findet die Heldin allmählich zu einem Profil mit eigenen Persönlichkeitsansätzen. Diese Entwicklung der Figur gehört zu den gelungensten Seiten des Buchs, mag es auch in dem Stadium innehalten, in dem sich das Mädchen in seinem ziellosen Hilfeleistungsbedürfnis als künftige Organspenderin vorstellt. Die lebendige und immer ironisch federnde Erzählweise ohne Zerrbilder macht den Roman auch für deutsche Leser anregend, zumal die hervorragende Übersetzung den Eindruck verschafft, die Handlung spiele trotz der zahlreichen Versatzstücke aus dem französischen Alltag direkt vor unserer Tür.

JOSEPH HANIMANN

Faïza Guène: "Paradiesische Aussichten". Aus dem Französischen übersetzt von Anja Nattefort. Carlsen Verlag, Hamburg 2006. 141 S., br., 12,- [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als gelungene Innenansicht aus den Pariser Banlieues lobt Rezensent Joseph Hanimann diesen Jugendroman über ein marokkanisch-französisches Mädchen, das mit seiner Mutter in einem Sozialblock in einer Pariser Vorstadt lebt. Die Schilderung des Milieus und der Figuren findet der Rezensent realistisch und trotzdem liebevoll. Besonders gelungen sei die Entwicklung der "kratzbürstig motzenden" Heldin Doria zu einer jungen Frau "mit eigenen Persönlichkeitsansätzen", so Hanimann. Die "lebendige und immer ironisch federnde Erzählweise" macht das Buch seiner Ansicht nach auch für junge deutsche Leser anregend. In diesem Zusammenhang wird besonders Anja Nattefort hervorgehoben, deren "hervorragende Übersetzung" bei Hanimann den Eindruck erweckte, die Handlung spiele direkt "vor unserer Tür".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2006

Verdammt miese Aussicht
Als Marokkanerin in der Vorstadt von Paris
Verdammt miese Aussichten für junge Menschen in den Vorstädten von Paris. Für diese Feststellung reichte vor kurzem ein Blick in die Abendnachrichten. Die Banlieues brannten. „Zukunft” - ein Hasswort. Aus diesem Milieu hören wir nun in Paradiesische Aussichten, dem Debütroman von Faiza Guène. Die junge französische Autorin algerischer Abstammung legt ihrer Heldin Doria folgende Worte in den Mund, lange vor den Ereignissen im vergangenen Spätherbst: „Und ich werde die Revolte der Cité du Paradis anführen. In den Zeitungen stehen dann Schlagzeilen wie ,Doria entflammt die Cité‘ oder ‚Die Pasionata der Vorstadt bringt das Pulverfass zum Explodieren’. Es wird eine intelligente Umwälzung, ohne jede Gewalt, in der die Leute nur aufbegehren, weil sie wahrgenommen werden wollen, und zwar alle.”
Und wieder einmal rauft man sich die Haare darüber, dass Literatur zwar Herz und Verstand Einzelner anregen kann, aber nicht rebellierende Massen.
Faiza Guène schickt die 15-jährige Doria auf einen äußerst schmalen Grat zwischen Schwarz- und Weißmalerei. Das Mädchen, deren Eltern aus Marokko stammen, erzählt seine Geschichte und benennt die Verhältnisse im Milieu selbst in Details ohne jede Beschönigung. Der persönliche Ausweg aus Depression, Zukunftsangst und Hass, den Doria mühsam beschreitet, er scheint dennoch realistisch. Selbst die kämpferische Ironie, die sich aus anfänglich bitterem Sarkasmus entwickelt, kann der einer 15-Jährigen sein, die es satt hat, in Schmerz und Wut zu versumpfen. Dabei hätte Doria allen Grund dazu. Sie lebt mit ihrer Mutter, einer Analphabetin, in einem dieser mausgrauen Wohnblocks. Ihr Vater hat sich nach Marokko abgesetzt. Doria versagt in der Schule und beginnt eine Ausbildung als Friseuse. Die erste Liebe - zum Heulen! Die Nachbarschaft - Idioten. Die Tussi vom Sozialamt - eine Heuchlerin? Und Madame Burland, ihre Therapeutin - stinkt nach Läuseshampoo.
Das Leben in der Vorstadt, meint Doria, „das ist so was wie das Drehbuch eines Films, in dem wir mitspielen. Das Problem ist nur, dass unser Drehbuchbuchautor nichts taugt.” Der vielleicht nicht, aber die Autorin dieses tragikomisch hoffnungsvollen Romans umso mehr. (ab 14 Jahre).
SIGGI SEUSS
FAIZA GUÈNE: Paradiesische Aussichten. Aus dem Französischen von Anja Nattefort. Carlsen 2006. 142 Seiten, 12,00 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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