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Walter Laqueur, einer der renommiertesten Historiker unserer Zeit, wendet sich den einschneidenden Veränderungen zu, mit denen Europa konfrontiert ist: Schwund von Arbeitsplätzen, Vergreisung, verstärkter Zuwanderungsdruck, begleitet von verschärften Integrationsproblemen, unbezahlbare Sozialsysteme, Abwanderung der Eliten, Wohlstandseinbußen. Mit einem Wort: der Kontinent verändert dramatisch sein Gesicht, das alte Europa gehört der Vergangenheit an. Viel zu lange haben die Europäer vor dieser unabwendbaren Entwicklung die Augen verschlossen. Wollen sie in der globalisierten Welt bestehen, so…mehr

Produktbeschreibung
Walter Laqueur, einer der renommiertesten Historiker unserer Zeit, wendet sich den einschneidenden Veränderungen zu, mit denen Europa konfrontiert ist: Schwund von Arbeitsplätzen, Vergreisung, verstärkter Zuwanderungsdruck, begleitet von verschärften Integrationsproblemen, unbezahlbare Sozialsysteme, Abwanderung der Eliten, Wohlstandseinbußen. Mit einem Wort: der Kontinent verändert dramatisch sein Gesicht, das alte Europa gehört der Vergangenheit an. Viel zu lange haben die Europäer vor dieser unabwendbaren Entwicklung die Augen verschlossen. Wollen sie in der globalisierten Welt bestehen, so das Fazit dieses hellsichtigen Essays, müssen sie sich in kürzester Frist von liebgewonnenen Traditionen und Selbstbildern verabschieden und eine grundlegende Neuordnung ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse auf den Weg bringen.
Autorenporträt
Walter Laqueur, geboren 1921 in Breslau, 1938 nach Palästina emigriert, lebt heute in London und Washington. Von 1964 bis 1991 war er Direktor des angesehenen Londoner Institute of Contemporary History and Wiener Library. Seit 1973 ist er zugleich Vorsitzender des International Research Council im Washingtoner Center for Strategic and International Studies.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2007

Falscher Alarm
Walter Laqueur verwechselt Umbau mit Untergang

Wenn ein langjähriger Beobachter des Zeitgeschehens wie Walter Laqueur die Alarmglocke läutet, horcht man natürlich auf. Ist Europa im Niedergang begriffen, steuert es gar auf eine existentielle Krise zu? Laqueur behauptet es, und er zeichnet gleich zu Beginn seines Essays ein Zukunftsszenario, das mit dem Europa seiner Kindheit in der Tat nur noch wenig zu tun hat: ein Europa, in dem weit mehr Stadtviertel und Landstriche als heute geschlossene Siedlungsgebiete islamischer Einwanderer darstellen und das im Übrigen wohlhabenden Besuchern aus China und Indien als kultureller Themenpark im großen Maßstab dient - eine "Art Disneyland auf kulturell hohem Niveau". Gewiss schränkt er gleich wieder ein, dass es nicht so kommen muss. Laqueur weiß als Historiker um die Offenheit der Geschichte und die vielfachen Interdependenzen in der globalisierten Welt. Aber mehr als einen bescheidenen Platz in der sich abzeichnenden neuen Weltordnung möchte er Europa auch im günstigsten Fall nicht zutrauen. Insgesamt hat er wenig Hoffnung und weiß auch eingestandenermaßen wenig Rat.

Zwei Entwicklungen sind es, die Laqueur offenkundig Sorge bereiten: die demographische Auszehrung und Überalterung der europäischen Gesellschaften und die Präsenz unterschiedlicher islamischer Gruppen, die sich nicht in ihre europäische Umwelt integrieren lassen. Laqueur zitiert Schätzungen, wonach etwa die Bevölkerung Deutschlands von gegenwärtig 82 Millionen bis zum Jahr 2050 auf 61 Millionen sinken wird und - wenn der Trend sich nach der Jahrhundertmitte nicht umkehren sollte - auf vielleicht noch 32 Millionen im Jahr 2100. In den osteuropäischen Ländern und in der Russischen Föderation sind die absehbaren Bevölkerungsverluste noch weit dramatischer. Sodann skizziert er überaus kenntnisreich und differenziert die Lage der Einwanderer aus islamischen Ländern im westlichen Europa. Dabei wird deutlich, dass unterschiedliche Integrationspraktiken weder die Entstehung gewaltbereiter Jugendbanden verhindern konnten noch die Ausbreitung radikalislamistischer Gruppen und terroristischer Netzwerke. Nimmt man hinzu, dass sich die verschiedenen Immigrantengemeinschaften, Pakistani in Großbritannien, Türken in Deutschland und Österreich und Nordafrikaner in Frankreich und Spanien, durch hohe Geburtenraten auszeichnen, ergibt sich daraus schon ein beunruhigendes Bild.

Zum Katastrophenszenario, wie es den Autor umtreibt, taugt es freilich nicht. Laqueur weist selbst auf die Differenzierungsprozesse hin, die die muslimischen Gemeinschaften in der Konfrontation mit der europäischen Moderne erleben, und sagt als Langzeittrend eine Erosion des muslimischen Glaubens voraus. Wenn die Anstrengungen zur Bildung im Kindesalter intensiviert werden - wofür der Autor nachdrücklich plädiert und wofür gegenwärtig auch Vieles spricht -, dann könnte es durchaus sein, dass sich die mangelnde Integrationsbereitschaft islamischer Immigranten als ein vorübergehendes Krisenphänomen entpuppt, das die notwendige Erneuerung der europäischen Gesellschaften nicht auf Dauer behindert. So allgemein, wie Laqueur an anderer Stelle behauptet, ist die Integrationsverweigerung jedenfalls nie verbreitet gewesen, und sie ist es auch jetzt nicht. Laqueur beklagt zu Recht mangelndes Selbstbewusstsein mancher Freunde des Multikulturalismus, er sieht aber nicht, dass diese Haltung schon seit geraumer Zeit auf dem Rückzug ist.

Um die These vom Niedergang Europas zu retten, müssen daher noch zwei andere Entwicklungen bemüht werden: der wirtschaftliche Abstieg und das Scheitern des europäischen Einigungswerks. Laqueur verweist auf die Verlangsamung des europäischen Wirtschaftswachstums in den letzten drei Jahrzehnten und konfrontiert sie mit den Wachstumsraten in den asiatischen Staaten, besonders in China (jährlich 10 Prozent) und Indien (7,3 Prozent). Angesichts zunehmender Importe höherwertiger Waren aus billig produzierenden Ländern sieht er das europäische Sozialstaatsmodell als gefährdet an. Gleichzeitig beklagt er mangelnde Einigkeit der Europäer in Fragen der Außenpolitik, gepaart mit mangelndem Realismus in der Sicherheitspolitik. Offensichtlich zustimmend zitiert er John Gillinghams Diktum, die Zukunft Europas und der europäischen Integration sei in Gefahr.

Hier fällt die Analyse jedoch noch viel ungenauer aus als im Hinblick auf die Probleme der muslimischen Integration. Abgesehen davon, dass der Übersetzer mit der Verwechselung von Europarat und Europäischem Rat Verwirrung stiftet und die Erklärung des europäischen Einigungsprozesses als vornehmlich ökonomischer Notwendigkeit geschuldet wesentliche Faktoren außer Acht lässt, verdeckt die Deutung der gegenwärtigen Verfassungskrise als verdientes Ergebnis Brüsseler Träumereien nur die tatsächlichen Probleme. Zudem wird nicht klar, wieso der zweifellos notwendige Umbau der europäischen Wohlfahrtsstaaten notwendigerweise mit einem wirtschaftlichen Niedergang einhergehen sollte.

Im Kern stellt Laqueurs Essay ein Plädoyer für höhere Bildungsinvestitionen dar, für eine selbstbewusstere Einwanderungspolitik, mehr Mut beim Umbau des Sozialstaats und größere Bereitschaft zu gemeinsamen europäischen Lösungen. Es wäre überzeugender ausgefallen, wenn der Pessimismus den Blick des Autors nicht so stark getrübt hätte.

WILFRIED LOTH

Walter Laqueur: Die letzten Tage von Europa. Ein Kontinent verändert sein Gesicht. Propyläen Verlag, Berlin 2006. 254 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Wenig informiert und wenig überzeugend findet Joachim Fritz-Vannahme Walter Laqueurs Essay über den Abstieg Europas. Er liest Laqueurs Ausführungen als eine pessimistische Antwort auf Jeremy Rifkins Europa-Enthusiasmus. Laqueur prophezeit, dass Europa angesichts der Überalterung seiner Bevölkerung, der scheiternden Integration von Migranten und seiner sonstigen gegenwärtigen Probleme eine Zukunft als Disneyland für asiatische Kulturtouristen blüht. Dabei argumentiere der Autor allerdings undifferenziert und zeige insbesondere in der europäischen Institutionengeschichte zuviel Meinungsfreude bei zuwenig Wissen. "Kritik ohne Kenntnis im Detail, wie ärgerlich", entfährt es dem missgelaunten Rezensenten. Mit seiner pessimistischen Zukunftsvision für Europa kann ihn Laqueur ebenso wenig überzeugen wie Rifkin mit seiner Europa-Euphorie.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Laqueur gehört zu den fruchtbarsten und einflußreichsten Zeitgeschichtlern der westlichen Welt." DIE ZEIT "Die Ikone der norafrikanischen Ethno-Pop-Szene, Natascha Atlas, kommt in dem Werk ebenso vor, wie die französischem Hip-Hopper IAM. Nicht selbstverständlich für einen 85-jährigen, aber ganz normal für Walter Laqueur ..." DER SPIEGEL "Was ihm gelingt ist eine klare, manchmal dramatische Schilderung von Widersprüchen und Konflikten, auf die Europa zusteuert. Weil er diese Beschreibung in einem stets erzählenden und niemals belehrendem Stil abfasst, weil er nüchterne Daten und Fakten immer wieder mit kleinen Alltagsgeschichten kombiniert, dürfte Walter Laqueur weit über den akademischen Bereich hinaus Leser finden, die sich für eine Debatte über die Zukunftsperspektiven europäischer Einwanderungsgesellschaften interessieren." DEUTSCHLANDRADIO "So könnte sein Buch ... ein wichtiges Buch sein, wenn es ihm gelingt, die Leser wach zu rütteln." RADIO AKTIV "Laqueur liefert eine bestürzende Beurteilung der Entwicklung Europas. Aber er zeigt auch, wo angesetzt werden muss, wenn das Abendland die sich abzeichnende Entwicklung nicht einfach tatenlos über sich ergehen lassen will." SCHWEIZERZEIT "Laqueurs Analysen bestechen durch ihre unaufgeregte und sachliche Art, er stellt unbequeme Fragen und liefert wichtige Anregungen für die politischen Debatten." HANDELSBLATT "Eine Lagebeurteilung von einer Brisanz, die unter die Haut geht." SCHWEIZERZEIT, 05.04.07