Marktplatzangebote
53 Angebote ab € 1,98 €
  • Gebundenes Buch

Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs - bis heute eines der schmerzlichsten Traumata der Deutschen. Dieses Buch der Historiker und Osteuropaforscher Hans Lemberg und K. Erik Franzen, entstanden als Begleitband zu einer dreiteiligen ARD-Dokumentation, verbindet die historisch fundierte Darstellung mit ergreifenden Zeitzeugnissen und zahlreichem Bildmaterial.

Produktbeschreibung
Flucht und Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs - bis heute eines der schmerzlichsten Traumata der Deutschen. Dieses Buch der Historiker und Osteuropaforscher Hans Lemberg und K. Erik Franzen, entstanden als Begleitband zu einer dreiteiligen ARD-Dokumentation, verbindet die historisch fundierte Darstellung mit ergreifenden Zeitzeugnissen und zahlreichem Bildmaterial.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.04.2001

Schlesien war unser
Noch immer ist die Vertreibung ein Trauma für viele Deutsche
HANS LEMBERG; K. ERIK FRANZEN: Die Vertriebenen. Hitlers letzte Opfer, Propyläen Verlag, Berlin/München 2001. 288 Seiten. 39,90 Mark.
Über das Schicksal der nach 1945 aus dem östlichen Europa vertriebenen Deutschen zu schreiben, bleibt auf absehbare Zeit ein Politikum. So wird es sich auch mit dem Begleitband zur ARD-Dokumentationsreihe „Die Vertriebenen” verhalten. Kritisch zu Wort melden werden sich diejenigen unter den Vertriebenen, die ein Monopol auf die Deutung dieses Teils der Geschichte zu besitzen meinen und die Vorgeschichte der Vertreibung allzu oft ausblenden.
Denn „Hitlers letzte Opfer” heißt es im Untertitel des Buches wie der Serie. Nicht die Osteuropäer stehen hier am Anfang der Tragödie, sondern die Verbrechen des NS-Staates. Dieser Zusammenhang wird nicht immer gesehen. Doch dass der Verweis auf Ursache und Wirkung keine Verharmlosung oder gar Rechtfertigung des Leides nach 1945 bedeutet, belegt gerade dieses für ein breiteres Publikum verfasste Buch.
Die menschliche Dimension der Vertreibung durchzieht die Darstellung wie ein roter Faden – die Erfahrung von Schmerz, Erniedrigung und Verlust. Nach einer Einführung des Marburger Osteuropa-Historikers Hans Lemberg, der das Thema in die Geschichte der ethnischen Säuberungen und Vertreibungen des 20. Jahrhunderts einordnet, geht der Zeitgeschichtler K. Erik Franzen Flucht, Vertreibung und Neubeginn nach. Er schildert die NS-Besatzungs- und Rassenpolitik, die Aufteilung Polens zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion 1939 sowie die Flucht vor der vorrückenden Roten Armee 1944/45 und befasst sich danach mit den „wilden” und organisierten Vertreibungen der Nachkriegszeit an den Beispielen Polens und der Tschechoslowakei. Zuletzt analysiert Franzen die Integration in den vier Besatzungszonen beziehungsweise später in den beiden deutschen Staaten. Zudem zitiert er ausgiebig aus Zuschriften zahlreicher Menschen, die dem Mitteldeutschen Rundfunk für die TV- Sendung ihre Geschichte schilderten, und veranschaulicht so die Erfahrungen der Vertriebenen.
Einige Leser werden sich denn auch an persönlich Erlebtes erinnern: an den endlosen und gefährlichen Weg Richtung Westen, die Übergriffe von Angehörigen der Roten Armee und von selbst ernannten Rächern aus den Vertreiberstaaten, die Spannungen mit den alteingesessenen Bewohnern der deutschen Aufnahmegebiete, die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, unter denen sie noch lange leben mussten.
Rund 14 Millionen Deutsche waren von der durch Flucht und Vertreibung erzwungen Massenwanderung betroffen, viele von ihnen waren damals erst Kinder und Jugendliche. Für Millionen ist dies zudem ein Stück Familiengeschichte, über deren Einzelheiten viele Eltern und Großeltern nicht oder nur ungern redeten.
Wunder des Wohlstands
In der Bundesrepublik begann für die meisten von ihnen mit Lastenausgleich und Wirtschaftswunder der Neuanfang, während sich vor allem die zahlreichen Vertriebenenorganisationen dazu berufen fühlten, in ihrem Namen zu sprechen – und zu fordern: das Schlagwort „Schlesien bleibt unser” ist in diesem Zusammenhang unvergessen. Andere wiederum sahen in den Deutschen in erster Linie Täter und keine Opfer; sie wollten von dem an Deutschen begangenem Unrecht nichts wissen. In der DDR stellte angeblich eine sozialistische Gesellschaftsordnung die Gleichberechtigung der beschönigend als „Umsiedler” bezeichneten Menschen sicher, die freilich ihre Bedürfnisse niemals öffentlich artikulieren durften. Diese Zusammenhänge schildert Franzen kenntnisreich. Die Darstellung des Neubeginns in der neuen Heimat in West- und Ostdeutschland ist denn auch ein Höhepunkt dieses Buches. Am Ende vergisst Franzen auch nicht die Polen, die infolge der Verschiebung der polnischen Grenzen nach 1945 ihren Weg in die von Deutschen verlassenen neuen Gebiete des polnischen Staates antreten mussten – ihre alte Heimat war nun Teil der Sowjetunion geworden.
Es bleibt zu wünschen, dass dieses Thema zukünftig auch in der deutschen Öffentlichkeit so unvoreingenommen behandelt wird wie in diesem Band, der sich auch an die richtet, die dieses Schicksal nicht selbst erfahren haben. Exkurse zu historischen Entwicklungen wie der Ostsiedlung und Regionen wie Schlesien erläutern gerade diesen Lesern historische Zusammenhänge; Fotografien und Karten erlauben eine Orientierung in den europäischen Gebieten, die für viele jüngere Bundesbürger im wahrsten Sinne des Wortes böhmische Dörfer sind.
VOLKER ZIMMERMANN
Der Rezensent ist wissenschaftlicher Assistent am „Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa” an der Universität Düsseldorf.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Volker Zimmermann ist außerordentlich angetan von dem Buch, das als Begleitband der ARD- Dokumentationsreihe "Die Vertriebenen" erschienen ist. Der Rezensent betont, dass die Behandlung des Themas stets ein "Politikum" ist, und er lobt die Autoren, dass es ihnen gelungen ist, sowohl "Ursache und Wirkung" der Vertreibung darzustellen als auch die "menschliche Dimension" nicht außer Acht zu lassen. Damit würden sie weder die NS-Verbrechen verharmlosen noch die Leiden der Vertriebenen ignorieren, so Zimmermann zustimmend. Besonders Franzen lobt er für seine "kenntnisreiche" Vermittlung der Zusammenhänge. Insbesondere die Ausführungen zur weiteren Entwicklung in der Nachkriegszeit preist er als "Höhepunkt" des ganzen Buches. Das Buch sei auch hervorragend geeignet, denjenigen, die selbst nicht zu den Vertriebenen gehören, dieses Kapitel der Geschichte näher zu bringen, wobei Zimmermann auch die vielen Fotos und Karten lobt, die, wie er meint, die geografische Orientierung sehr erleichtern.

© Perlentaucher Medien GmbH