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Produktdetails
  • Verlag: Marion von Schröder
  • Seitenzahl: 731
  • Abmessung: 45mm x 165mm x 240mm
  • Gewicht: 1252g
  • ISBN-13: 9783547773606
  • ISBN-10: 3547773601
  • Artikelnr.: 24293157
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.05.2000

Vicky vs Bismarck
Eine Kronprinzessin in Berlin
Es ist nicht allein die Fülle biografischer Daten und Fakten, die uns an den Lebengeschichten gekrönter Häupter und ihrer Umgebung interessiert – immer suchen wir auch die Auseinandersetzung mit den menschlichen, allzumenschlichen Qualitäten und Eigenschaften derer, die, vom Nimbus der Herrscher geprägt, die Geschicke ihrer Untertanen lenken. Wir alle möchten, neugierig und voyeuristisch, historisch Relevantes darüber erfahren, was die da oben tun und (nicht) lassen – und uns auf manche Identifikations- und Vergleichsspiele dabei einlassen.
Die breit angelegte Biografie von Hannah Pakula über Victoria, Gemahlin des preußischen Kronprinzen Friedrich und Mutter des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. , bedient dieses doppelte Interesse. Sie enthält unendlich viel Material – das Erhabene und das Banale finden Platz zwischen den Buchdeckeln. Die Korrespondenz zwischen der königlichen Mutter, der Queen Victoria, und ihrer Tochter Vicky – wie sie im Familienkreis genannt wurde – umfasst 7 000 Briefe: Das Quellenstudium Pakulas, die sich als Rechercheurin einen Namen gemacht hat, war Fleißarbeit im besten Sinn.
Mit unermüdlicher Detailgenauigkeit zieht Hannah Pakula chronologisch die Bilanz eines Lebens, das an Dramatik einiges bietet – angefangen mit den dauernden Ressentiments, denen die „Engländerin” ausgesetzt war. Durch ihre Heirat mit dem deutschen Kronprinzen nach Berlin verpflanzt, blieb sie den konservativ und reaktionär eingestellten Zirkeln ihrer neuen Landsleute stets suspekt. Die hunderttägige Regentschaft des an Kehlkopfkrebs erkrankten Kronprinzen als Kaiser Friedrich III. sowie die Vorgeschichte und Behandlung dieser Krankheit bilden den spannendsten und politisch-psychologisch sehr aufschlussreichen Höhepunkt der Biografie. Soap Opera, Ärzteserie, Saga beruflicher und politischer Eitelkeiten, Kabinettstückchen mit raffinierten und unverhohlenen Intrigen – viele Genres mischen sich da. Und hinter all dem bleibt die spekulative Frage: Was wäre gewesen, wenn der kranke Kaiser Friedrich, aufgeschlossen und liberal wie er war, nicht so früh gestorben, wenn der bornierte und selbstverliebte Sohn Wilhelm nicht so schnell auf den Thron gekommen wäre?
Dem problematischen Verhältnis zwischen Mutter Victoria und Sohn Wilhelm weicht Pakula keineswegs aus, sie spricht die Versäumnisse und manche Uneinsichtigkeit deutlich an, die die Erziehung des Sohnes Wilhelm prägten. Entscheidend für die Perspektive der Kronprinzessin und späteren Kaiserin ist aber, wie der politische Machtspieler Bismarck und seine Anhänger obrigkeits- und ständestaatliches Denken umsetzten und nutzten zum Widerstand gegen die liberalen Tendenzen Friedrichs. Die Auswirkungen dieser Machtkonstellationen auf das politische Leben und Denken im Berlin dieser Jahre, waren, so wird plausibel dargelegt vorhersehbar – für die, die sehen wollten. Doch die politischen Einstellungen in großen Teilen der Presse und der Justiz, der antiintellektuelle Trend, verbunden mit antisemitischen Strömungen, setzten sich durch und bereiteten den Boden für den Ersten Weltkrieg.
Die Schilderung deutschen Demokratieverständnisses im preußischen Staat, exemplifiziert an der Rolle eines Ehepaares, seines Lebens als Kronprinzen-Paar und einer kurzen Regentschaft von kaum mehr als drei Monaten enthält also reiches Anschauungsmaterial dafür, wie Macht und Moral, Politik und Utilitarismus vernetzt sind und ausgenutzt werden können.
BIRGIT WEIDINGER
HANNAH PAKULA: Victoria. Aus dem Amerikan. von Waltraud Kolb und Brigitte Rapp. Marion von Schröder Verlag, München 1999. 730 S. , 58 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Birgit Weidinger weiß von der Faszination, die die Biographien "gekrönter Häupter" ausüben: Wir Leser seien Voyeure, die wissen wollen, "was die da oben tun und lassen". Die Biographie über Victoria, Gemahlin des preußischen Kronprinzen Friedrich und Mutter des letzten deutschen Kaisers Wilhelm, erntet in dieser Hinsicht viele Loorbeeren in der SZ-Rezension. Das Buch der Amerkanerin Hannah Pakula sei ein Vorbild an gewissenhafter Recherche und ein gutes Beispiel wie zwischen zwei "Buchdeckeln" das "Banale" und das "Erhabene" ihren Platz finden. Die Biographie biete eine fundierte chronologische "Bilanz" eines Lebens, dem es weder an "Dramatik" noch an geschichtlicher Relevanz gefehlt hätte. Die aus England nach Berlin eingeheiratete Victoria sei immer ein Dorn im Auge der konservativen "Zirkel" in Deutschland gewesen. Die Autorin Pakula gehe auch auf das problematische Verhältnis zwischen Mutter und Sohn Wilhelm ein. Obzwar eine Mischung aus "Soap opera, Ärzteserie" und Geschlechtersaga, wird dem Buch ein gebührender Plaz unter den belletristischen Zeugnissen deutscher Geschichte bescheinigt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine brillante Darstellung des preußischen Hofes und der geistreichen, intelligenten und letzten Endes tragischen Kaiserin. Die erhellende Biographie einer faszinierenden Persönlichkeit." Henry Kissinger