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Die Levis sind eine angesehene Familie in Ellwangen. Doch mit der Machtergreifung Hitlers ändert sich das Klima in der Kleinstadt auf schleichende Weise ... Jeglicher Überlebensgrundlage entzogen, bleibt der Familie 1938 nichts anderes übrig, als ihre Heimat Deutschland zu verlassen. Basierend auf ausführlichen Interviews mit Zeitzeugen und Nachfahren Erich Levis sowie umfangreichen Recherchen in verschiedenen Archiven, Briefwechseln und Zeitdokumenten beschreibt der Roman das aufwühlende Schicksal einer jüdischen Familie bis zu deren Auswanderung.

Produktbeschreibung
Die Levis sind eine angesehene Familie in Ellwangen. Doch mit der Machtergreifung Hitlers ändert sich das Klima in der Kleinstadt auf schleichende Weise ... Jeglicher Überlebensgrundlage entzogen, bleibt der Familie 1938 nichts anderes übrig, als ihre Heimat Deutschland zu verlassen.
Basierend auf ausführlichen Interviews mit Zeitzeugen und Nachfahren Erich Levis sowie umfangreichen Recherchen in verschiedenen Archiven, Briefwechseln und Zeitdokumenten beschreibt der Roman das aufwühlende Schicksal einer jüdischen Familie bis zu deren Auswanderung.
Autorenporträt
Inge Barth-Grözinger, geboren 1950 in Bad Wildbad im Schwarzwald, unterrichtet seit vielen Jahren am Peutinger-Gymnasium in Ellwangen die Fächer Deutsch und Geschichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.09.2004

Grausame Idylle
Zum Beispiel Ellwangen: Wie ein schwäbisches Städtchen seine Juden erniedrigte
Ellwangen war mit Sicherheit nicht am schlimmsten. Bei den März-Wahlen 1933 stimmten in der schwäbischen Kleinstadt mehr als 2000 Bürger für das katholische Zentrum, für die NSDAP votierten gut 800. Dennoch wurde das Leben nach der „Machtergreifung” der Nazis auch in der vermeintlichen Idylle für alle Unangepassten, vor allem aber für die wenigen hier lebenden Juden, zunehmend unerträglich. Inge Barth-Grözinger, Lehrerin am alterwürdigen Peutinger-Gymnasium, schildert in ihrem packenden „Roman”, der eher eine materialreiche Doku-Fiction ist, wie für den zwölfjährigen Erich Levi allmählich eine Welt zusammenbricht. Erich, sein zwei Jahre jüngerer Bruder Max und sein Cousin Erwin sind die einzigen Schüler „mosaischen Glaubens”, wie die Nazis bald höhnen werden, in der Stadt.
Das ist keine Fiktion, die Levis haben hier wirklich gelebt, bis 1933 hoch geachtet, dann immer mehr isoliert, bedroht, attackiert und schließlich, wie die übrigen jüdischen Familien in die Emigration getrieben. Fast 70 Jahre später haben Schüler des Peutinger-Gymnasiums für eine Ausstellung („Spurensuche”) das Leben der Ellwanger Juden erforscht und zur Eröffnung den Sohn Erich Levis, den in New York lebenden Professor Michael Levi, eingeladen, der bis dahin die Geschichte seiner Familie selbst nur bruchstückhaft kannte.
Immerhin, so könnte man heute abgeklärt sagen, blieben die Ellwanger Juden vom Holocaust verschont, sie konnten noch einige Jahre in vergleichsweise guten Bedingungen überleben. Die schleichende und dann immer rabiatere Ausgrenzung der wenigen Juden in dem „gutbürgerlichen” Städtchen, die Wandlung von harmlosen, freundlichen Handwerkern, Arbeitern und Beamten zu fanatischen Judenhassern ist umso erschreckender. Gerade jüngere Leser, die von der Bestialität der Vernichtungslager und den millionenfachen Morden eher abgeschreckt werden, sich weiter mit dem Thema Nationalsozialismus zu befassen, können hier ermessen, wie der Alltag im Dritten Reich aussah: nicht so blutig, aber kaum weniger grausam.
Der kleine Erich, der bis dahin sich kaum über seine Religionszugehörigkeit Gedanken gemacht hat, bekommt die Veränderungen am Peutinger-Gymnasium unmittelbar zu spüren. Plötzlich darf er in der Schulaula nicht mehr neben seinen Klassenkameraden stehen, sondern muss sich wie sein Vetter Erwin am Ende, noch hinter den Kleinsten von der Sexta, aufstellen. „Um die fremden Elemente als solche kenntlich zu machen und auszusondern”, wie der Lehrer „Senftleben” (alle nichtjüdischen Namen wurden von der Autorin geändert) den beiden ins Gesicht sagt.
Doch das ist erst der Anfang. Sein bester Freund Kurt wird immer distanzierter und schließlich zu einem der überzeugtesten „Jungvolk”- und später HJ-Mitglieder. Erichs Vater, der Viehhändler Julius Levi, „von dem die Leute sagten, er sei ein guter Geschäftsmann und auch ein feiner Kerl”, kann, wenn überhaupt, bald seine Tiere nur noch zu Schleuderpreisen verkaufen. Mehrere Kühe und Kälber werden, ohne dass sich die Polizei darum kümmert, in der Jagst ersäuft. Immer weniger Ellwanger wollen noch etwas mit der Familie zu tun haben, ihr geliebtes Kindermädchen Fanny wird angepöbelt und quittiert irgendwann den Dienst. Der jüngere Max ist völlig verstört, seit er in der Volksschule als „Judensau” beschimpft wurde. Und die Mutter Melanie, die wegen ihrer Schönheit gerade noch von den Männern angehimmelt wurde, wird zur Unperson, ihre beste Freundin bittet sie, in der Öffentlichkeit sie nicht mehr zu grüßen.
Der neue Lehrer „Dr. Gremm” setzt Erich und Erwin in die letzte Bank, „wo normalerweise nur die schwächsten Schüler sitzen mussten”. Mit Gremm wird das Leben der jungen Levis endgültig zur Hölle. Wenn sie nicht übersehen werden, werden sie verhöhnt („eine Antwort, wie ich sie von einem Angehörigen deiner Rasse erwartet habe”).
Erwin verliebt sich ausgerechnet in die Nichte Gremms, Gertraud. Das Techtelmechtel fliegt natürlich auf. Gertraud wird in ein Internat im Schwarzwald verbannt, Erich von den Jung-Nazis in seiner Klasse zusammengeschlagen. Bald werden Erich und Erwin dazu gezwungen, das Gymnasium ganz zu verlassen.
Der Autorin gelingt es überzeugend und gewiss realitätsnah, die allmählich und dann immer rascher sich anbahnende Katastrophe zu veranschaulichen. Sie macht aus den Opfern keine Heroen, vor allem, wenn sie die inneren Kämpfe Erwins schildert, der anfängt seinen „schwachen” Vater zu verachten und vorübergehend sogar auch die Eltern für sein Elend verantwortlich macht. (ab 13 Jahre)
RALF HUSEMANN
INGE BARTH-GRÖZINGER: etwas bleibt. Thienemann Verlag, Stuttgart. 448 Seiten, 18 Euro.
Stolz und traditionsreich: Ellwangen mit seiner Stiftskirche St. Veit. Hier lebten bis 1938 auch die Levis und einige wenige andere jüdische Familien. An ihr Schicksal haben Schüler des Peutinger-Gymnasiums erinnert.
Foto: Hubertus Kanus
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ralf Husemann lobt dieses Buch für Kinder ab 13 Jahre von Inge Barth-Grözinger als "packenden `Roman´" - wobei er Roman in Anführungsstrichen setzt, da es sich für ihn hier eher um eine "materialreiche Doku-Fiction" handelt. Es geht, erfährt man, um das Schicksal einer jüdischen Familie in der schwäbischen Kleinstadt Ellwangen nach der "Machtergreifung" der Nazis. Diese Familie, die Levis, haben dort tatsächlich gelebt, und Schüler des dortigen Peutinger-Gymnasiums hatten ihre Geschichte wie den Alltag im Dritten Reich in Ellwangen auch schon einmal für eine Ausstellung recherchiert. Husemann lobt, es gelinge Barth-Grözinger, Lehrerin an besagtem Gymnasium, hier überzeugend "und gewiss realitätsnah", die allmählichen und dann immer rascher sich anbahnende Katastrophe anschaulich zu schildern, die die Levis schließlich in die Emigration trieben - vor allem die inneren Konflikte des Sohnes Erwin. Gerade jüngere Leser, die die Bestialität der Vernichtungslager von einer Beschäftigung mit dieser Zeit eher abschrecken würde, findet Husemann, könnten hier ermessen, wie der Alltag im Dritten Reich aussah: "nicht so blutig, aber kaum weniger grausam".

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