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Liberto heißt die Bauchrednerpuppe, die das in Worte fassen kann, was sich ein junger Mann seiner Angebeteten nicht zu sagen traut. Ein einsamer Seemann, in einem Sturm umgekommen, steht am Tresen und bestellt wortlos noch ein Bier. "Bumm, du bist tot, Papa", ruft der Sohn des Greenpeace-Anhängers mit gezücktem Regenschirm, denn Nichts soll bleiben. Modern und gleichzeitig der mündlichen Erzähltradition seiner galicischen Heimat verhaftet, verbindet Manuel Rivas Magie mit Schrecken und Menschlichkeit mit einer feinsinnigen Ironie.

Produktbeschreibung
Liberto heißt die Bauchrednerpuppe, die das in Worte fassen kann, was sich ein junger Mann seiner Angebeteten nicht zu sagen traut. Ein einsamer Seemann, in einem Sturm umgekommen, steht am Tresen und bestellt wortlos noch ein Bier. "Bumm, du bist tot, Papa", ruft der Sohn des Greenpeace-Anhängers mit gezücktem Regenschirm, denn Nichts soll bleiben.
Modern und gleichzeitig der mündlichen Erzähltradition seiner galicischen Heimat verhaftet, verbindet Manuel Rivas Magie mit Schrecken und Menschlichkeit mit einer feinsinnigen Ironie.
Autorenporträt
Elke Wehr, 1946 in Bautzen geboren, studierte Französisch und Italienisch in Paris und Heidelberg und ist literarische Übersetzerin Spanisch schreibender Autoren wie Manuel Rivas, Javier Marias oder des Nobelpreisträgers Octavio Paz. 2006 erhielt sie den Paul-Celan-Preis für ihr Gesamtwerk.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2003

Das Gold des Onkels
Manuel Rivas’
galicische Geschichten
Bei „magischem Realismus”, dem ewigen Zauberwort der lateinamerikanischen Literatur, fällt dem spanischen Schriftsteller Manuel Rivas zuerst eine nackte Glühbirne ein. Als Kind saß er nämlich im profan- elektrischen Lampenschein und hörte heimlich die „modernen” Geschichten der Erwachsenen mit, wie er im Nachwort zu seinem neuen Erzählband erklärt. „Modern” heißt vor allem, dass keine Kobolde vorkamen, sondern das wahre Leben in seiner Mischung aus Sex, Crime und schwankender Elektrizität, wenn draußen der Sturm heulte.
Aber es sind gerade die zeitlosen, fossilhaften Figuren, die den neunzehn brillant aus dem Galicischen übersetzten Erzählungen ihre unverwechselbare Prägung verleihen. Wenn sich auch ein paar moderne Details wie Tetra Paks, Philologiestudenten und Skateboard fahrende Supermarktangestellte einschleichen – im Grunde geht es um Archetypisches, um Seemannsgarn und Bauernschläue, um Dorffeste und Rivalitäten, die sich über Generationen hinweg fortsetzen. Selbst der Abtransport der Republikaner zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs ist ein unendlich trauriges Gleichnis von der Schwäche des Menschen.
In diesem galicischen Mikrokosmos hat der nach „Amerika” ausgewanderte Onkel, der in Havanna auf Kuba landet und es dort bis zum Friedhofsobergärtner bringt, seinen festen Platz: „Was für Nächte auf dem Friedhof von Havanna! Indios, Neger, Galicier! Wir hatten da eine Katze, die in der Nacht sehr groß wurde, Ozelot oder Jaguar, und Ratten groß wie Hasen fraß, he he. La Habana, Habanita mía, wie schön ist alles in Havanna! Selbst Totengräber sein war schön in Havanna!” Zurück in der Heimat spezialisiert sich Onkel Amaro aufs Sterben und inszeniert seinen Tod mindestens achtmal, bevor er wirklich stirbt. Weil ihm niemand mehr glaubt, geht am Ende der echte Tod ohne Pomp vonstatten, aber dem Neffen und Icherzähler bleibt die tröstliche Vorstellung, dass „sein Goldzahn wie ein kostbares Maiskorn auf seinem Handteller liegt”, um ihm die Rückkehr auf den geliebten Friedhof zu erkaufen.
Wie ein geschickter Taschenspieler schüttelt Manuel Rivas, geboren 1957 in La Coruña und mit dem Roman „Der Bleistift des Zimmermanns” international bekannt geworden, skurrile Alte, feurige Verliebte und plärrende Papageien aus dem Ärmel, die ihre Federn lassen, wenn sie die Anarchie ausrufen. Und ehe man sich‘s versieht, hat wieder ein spanischer Schriftsteller seinen Leser, der eigentlich ein Zuhörer ist, mit einer hintergründig funkelnden, vom Maiskorn bis zur Schwanzfeder reichenden Naturaliensammlung in die Tasche gesteckt.
JUTTA PERSON
MANUEL RIVAS: Die Nacht, in der ich auf Brautschau ging. Erzählungen. Mit einem Nachwort des Autors. Aus dem Galicischen von Elke Wehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 157 Seiten, 8 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2003

Schmetterlingskuß am Herdfeuer
Manuel Rivas' Erzählungen zwischen Mündlichkeit und Moderne

Inmitten von grünen Hügeln ertönen Dudelsäcke oder zuweilen auch "Ein Saxophon im Nebel" und weiden "Eine Million Kühe" in scheckigen Herden. Am Tresen der Hafenkneipe spinnt "Der einsame Seemann" oder ein heimgekehrter Auswanderer mit Namen O'Lis, O'Chanel oder O'Mero sein Garn von Amerika und der Frau, die er in fernen Landen zurückließ. Wer nun lediglich noch das Kleeblatt einer bitteren irischen Schwarzbiermarke vermißt, hat sich getäuscht. Gründlicher als durch das Spanien des Manuel Rivas ist das Klischee des heißblütig-mediterranen iberischen Südens kaum zu brechen. Nach Flamencotänzern und Stierkämpfen sucht man bei diesem Erzähler, der dennoch zu den erfolgreichsten und repräsentativsten seines Landes gehört, ebenso vergeblich wie nach almodovaresken Stadtneurotikern und schrägen Nachtgestalten eines neonschillernden Madrid. Galicien, die Heimat von Manuel Rivas, ist die rückständige, bis heute landwirtschaftlich geprägte nordöstlichste Region Spaniens und nicht nur dank keltischer Wurzeln sowie ihrer dem Portugiesischen verwandten Sprache eine Welt für sich. Stolz widersetzt sie sich jeder stereotypen Klassifikation.

Ähnliches läßt sich auch vom Erzählstil des 1957 in der galicischen Hafenstadt La Coruña geborenen Autors sagen. Ein gewisses Befremden löst die Lektüre seiner schwer in das Gros der gegenwärtigen Literaturpublikationen einzuordnenden Prosa aus. Rivas ist ein Heimatschriftsteller, und zwar in der vollen Tragweite dieses Begriffs. Seine einfachen, rustikalen und dennoch ohne jede Schwerfälligkeit gezeichneten Charaktere und Handlungsplots sind weder ironisch durchbrochen, noch suchen sie, wie hierzulande etwa die Prosa des Franz Xaver Kroetz, die Abgründe der trügerischen trauten Heimat zu eröffnen. Eingestandenermaßen verdankt der Autor seine schriftstellerische Initiation der mündlichen Tradition, der Erinnerung an Omas Erzählungen aus Kindertagen. "Am Herdfeuer wurden jeden Abend Geschichten erzählt. Ich könnte sagen, daß meine literarische Neigung an diesem Feuer begann, wo die rotweingefärbten Wörter der Erwachsenen knisterten", so äußert sich Rivas über seine literarischen Vorbilder.

Ein verklärte heile Welt oder kitschig-unzeitgemäße Postkartenromantik sucht man dennoch vergeblich. Die Fischer trinken ihren Wein aus dem Tetrapak, der Pferdekutscher weicht den Pfützen aus wie ein Super-Mario "bei einem winterlichen Videospiel". Im traditionell von Auswanderungswellen geprägten Galicien wird der Traum vom Glück in der Neuen Welt durch den Schichtarbeiterposten bei einem Leverkusener Chemiefabrikanten oder in einer Schweizer Tunnelbaufirma ersetzt, und aus dem Arbeitsexil in Paris bringen junge Mädchen Angstneurosen mit, unheilbare Krankheiten und die melancholische Erinnerung an Jacques Préverts "Les feuilles mortes". Trotzdem sind diese jegliche Landidylle zunichte machenden Insignien der Moderne nicht als Elemente des ästhetischen Bruchs eingesetzt, sondern fügen sich mit unbeschwerter Natürlichkeit in die sich wandelnde Realität ein. Ähnlich selbstverständlich wechselt das historische Szenario von Erzählung zu Erzählung. Der Molekularbiologe, der sich als überzeugter Greenpeace-Aktivist weigert, seinem Sohn Waffen als Spielzeug zu schenken, steht nahtlos neben dem fortschrittlichen Dorfschullehrer, der für die Anschaffung eines Mikroskops kämpft, um seinen Schülern zu zeigen, daß auch Schmetterlinge eine Zunge besitzen, und dafür von Francos Truppen zur Exekution abgeholt wird. Bald darauf tauscht ein Bauern-Beatnik namens Yeah-Yeah den Dudelsack gegen die Stratocaster, um zwischen summenden Bienenstöcken "Obladi-Oblada" zu spielen.

"Die bebende Erinnerung der Wörter, die dem Sinn auf der Spur sind", versucht Rivas in einer von unnötigem Zierat völlig befreiten Knappheit einzufangen. Wie sehr es ihm gelingt, ein komplexes Ambiente in großer Dichte zu komprimieren, zeigt sich daran, daß diese kurzen Geschichten das stoffliche Potential für die Adaption zu langen Spielfilmen besitzen. Eindrucksvoll beweist das die schöne spanische Verfilmung der Erzählung "Die Zunge der Schmetterlinge". Seine Stilsicherheit verliert Rivas allerdings zuweilen, wenn er für die mündliche Erzähltradition typische phantastische Elemente in die moderne Realität einbaut. Daß der "einsame Seemann" dem Anschwemmen seiner eigenen Leiche im Kneipenfernseher zusieht, gewinnt immerhin noch einen Reiz durch die stoische Gelassenheit ("Sieh mal hier, dieser Herr ist tot"), mit der die übrigen Gäste das Eindringen des Jenseits in ihre Bierseligkeit quittieren. Wenn jedoch ein jugendlicher Bankräuber, von Polizeigeschossen durchlöchert, tot im Sarg seine Tat rekonstruiert und dabei die Angebetete beobachtet, ob sie zumindest beeindruckt ist, bevor er sich einem romantischen Erguß hingibt ("Ich träume von der ersten Kirsche des Sommers"), ist ein Gefühl der Peinlichkeit nicht zu vermeiden. Zu ernsthaft für eine Groteske und zu grotesk, um ernst genommen zu werden, hat Rivas' schlichte Erzählprosa hier die Möglichkeit eines Genres überschritten, das jedoch in der Mehrzahl dieser neunzehn Erzählungen Abwechslungsreichtum und Poesie entwickelt.

FLORIAN BORCHMEYER

Manuel Rivas: "Die Nacht, in der ich auf Brautschau ging". Erzählungen. Aus dem Galicischen übersetzt von Elke Wehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 160 S., br., 8,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bei aller "Modernität" der Schauplätze und Ereignisse, so die Rezensentin Jutta Person, steht Manuel Rivas doch in der Tradition des viel beschworenen "magischen Realismus", denn im Grunde geht es um "Archetypisches, um Seemannsgarn und Bauernschläue, um Dorffeste und Rivalitäten, die sich über Generationen hinweg fortsetzen". Und ehe man sich versieht, so die Rezensentin, ist man schon von den "zeitlosen, fossilhaften Figuren" dieser neunzehn "brillant übersetzten" Erzählungen gefangengenommen, vom "geschickten Taschenspieler" Rivas mit seiner "hintergründig funkelnden" Skurrilitätensammlung in die Tasche gesteckt, und nicht zum gebannten Leser, sondern vielmehr zum gebannten "Zuhörer" geworden.

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