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Metaphern und Gleichnisse gelten seit Aristoteles als legitime Form der Mitteilung eigener Art, nämlich der Poesie. Daß Bilder auch in der Philosophie auftreten, war in der aristotelischen Metaphorologie nicht vorgesehen, jedoch auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Nun ist die europäische Philosophie von den Vorsokratikern bis Derrida nicht eben sparsam mit Gleichnissen und Metaphern umgegangen. Wird der philosophische Diskurs dadurch gestört oder befördert? Wie sind Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie pragmatisch und semantisch zu beurteilen? Diese Fragen können nur im Rahmen…mehr

Produktbeschreibung
Metaphern und Gleichnisse gelten seit Aristoteles als legitime Form der Mitteilung eigener Art, nämlich der Poesie. Daß Bilder auch in der Philosophie auftreten, war in der aristotelischen Metaphorologie nicht vorgesehen, jedoch auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Nun ist die europäische Philosophie von den Vorsokratikern bis Derrida nicht eben sparsam mit Gleichnissen und Metaphern umgegangen. Wird der philosophische Diskurs dadurch gestört oder befördert? Wie sind Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie pragmatisch und semantisch zu beurteilen? Diese Fragen können nur im Rahmen einer Philosophiegeschichte und Systematik verbindenden Konzeption gestellt und beantwortet werden. Trotz verschiedener Forschungen steht so etwas wie eine kritische Ikonologie der Philosophie noch aus. Die nun erscheinende Untersuchung will ein erster Versuch einer solchen Ikonologie sein.
Autorenporträt
Prof. Dr. Bernhard H. F. Taureck, geb. 1943, ist Professor für Philosophie an der TU Braunschweig. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2004

Wir denkenden Schilfrohre lieben's bildtrunken
Privileg für Metaphysiker: Bernhard Taureck über den Gebrauch von Metaphern in der Philosophie

Stellen wir uns vor, es hätte in der Philosophiegeschichte kein Höhlengleichnis gegeben und keinen unbewegten Beweger, kein Bild der Sonne als des Guten, keinen Geist als Tabula rasa, nicht Hirt und Herde und nicht Herr und Knecht. Nie hätte man versucht, im Buch der Natur zu lesen, und die unsichtbare Hand hätte ihr staunenswertes Werk so wenig verrichtet wie der universelle Verblendungszusammenhang. Nie hätten wir also auf der Leiter der Metaphern und Gleichnisse zur begrifflichen Erkenntnis hinaufsteigen können.

Auch wenn es seit Aristoteles immer wieder Versuche gegeben hat, die Bildlichkeit aus der Philosophie auszubürgern und in den schönen Gefilden der Poesie einzuschließen, würden sich die meisten Philosophen ihre so vielgestaltige Disziplin ohne diese wirkmächtigen Bilder wohl kaum denken können. Die unterschiedlichsten Metapherntheorien treffen sich ja zumindest in diesem Punkt, die gelungene Metapher als lebendige Metapher, als semantisch reichen Quell neuer Bestimmungen zu sehen. Und wie sollte eine Disziplin, die, wie auch immer sie ihr Tun jeweils versteht, ihre Gedanken doch sprachlich ausdrücken muß, gut auf diesen kreativen Pool figurativer Rede verzichten können?

Gleichwohl muß die nicht dingfest zu machende Bildlichkeit doch als Stachel im Fleische einer Disziplin sitzen, die auf Begriffe, auf rationale Überprüfbarkeit, auf Universalisierung zielt. Bernhard Taurecks gut fünfhundertseitige Studie exemplarischer Metaphern und Gleichnisse der gesamten europäischen Philosophiegeschichte setzt denn auch mit einem Staunen ein. Staunen darüber, wie allgegenwärtig die Metaphern in philosophischen Texten sind, ohne daß deren Autoren sich allzuhäufig den Kopf darüber zerbrächen, was denn der bildliche Einsatz für den philosophischen Ertrag und ob dieser von der Vernunft gedeckt ist.

Taurecks Verdienst ist es, eine sich auf dem gemeinsamen Nenner der Kreativität ausruhende friedliche Koexistenz von Metapher und Philosophie aufzustören. Er tut dies, indem er sich dem Thema im wörtlichsten, im unmetaphorischsten Geiste nähert. Daß dies in einer ausgesprochen unbeflügelten, die Grenze zum Lapsus mehr als einmal überschreitenden Sprache geschieht, steht auf einem anderen Blatt. Hatte sich Taurecks großer, hier eigentümlich stiefmütterlich behandelter metaphorologischer Vorgänger Hans Blumenberg mit Arbeiten wie "Schiffbruch mit Zuschauer" oder "Die Lesbarkeit der Welt" gewissermaßen noch selbst in den Horizont einst wirkungsmächtiger Bilder gestellt, so faßt Taureck die Metaphern mit spitzeren Fingern an, als etwas Fremdes.

Die Leitfrage lautet: Wozu dienen Metaphern und Gleichnisse in philosophischen Texten? Zunächst einmal unterbrechen sie das Geschäft des begrifflichen Bestimmens. Wenn der Mensch für Pascal nicht einfach nur vernunftbegabtes Wesen ist, sondern ein "denkendes Schilfrohr", dann führt die wörtlich falsche Zuschreibung zunächst zu einer Unterbrechung der Definition (der Mensch ist . . .), ohne es jedoch beim Unbestimmten zu belassen. Eine Vielzahl von möglichen Bestimmungen wird vielmehr aktiviert, die sich jedoch nicht im Beliebigen verläuft. "Infinition" oder "Ent-Begrenzung" nennt der Verfasser diesen Prozeß, der den in Frage stehenden Begriff in seiner Bedeutung entgrenzt, dieser Entgrenzung aber zugleich Grenzen setzt.

So weit, so vertraut. Seiner Grundorientierung an der Evidenz gelungener Sprachbilder, seiner Weigerung, die Arbeit der Metapher als eine Suche nach "Ähnlichkeiten" in einer ontologisch vorsortierten Welt zu verstehen, seiner Absage auch an eine Theorie der "metaphorischen Bedeutung" (die man ohnehin nur für tote, ins Lexikon eingegangene Metaphern angeben könnte) - all dem stimmt man gerne zu. Neu an seiner Studie, die nicht weniger sein will als Programm und erste Durchführung einer "kritischen Ikonologie" der Philosophie, ist ihre historische These: Kernaufgabe der Metaphern sei die Abgrenzung der Philosophie von dem, was ihr Außen, was nicht Philosophie ist. Und auch dort, wo der Einsatz der Metaphern nicht ersichtlich einem solchen Zweck dient, ließen sie sich immerhin so lesen.

Metaphern kommen demnach zum Einsatz, um Philosophie in einem Absoluten, in Gott, im Einen, im Sein zu gründen. Von ihm will die Metaphysik sprechen, von dem sie doch nicht ohne weiteres und vielleicht ja auch gar nicht begrifflich sprechen kann; aus ihm bezöge sie ihre Wahrheit, wenn es ihr doch gelänge. Anhand der in Philosophie wie Poesie vielfältig eingesetzten Metapher des "Blitzes" zeichnet Taureck nach, wie sich die Weisheitsleere von der Dichtkunst unterscheidet. Die philosophischen Blitzmetaphern, der "Blitz des Gedankens" etwa, der bei Marx in den naiven Volksboden des Proletariats einschlagen soll, sind stets schon begrifflich vorentschieden: Man weiß schon, wofür sie stehen sollen. Poetische Blitzmetaphern hingegen zucken abrupt auf, illuminieren und verdunkeln ohne diskursive Vorbereitung den dichterischen Text.

Daß Taurecks philosophiehistorischer Durchgang durch die Metaphern-Welt in der Regel bei Nietzsche endet, legt die Frage nahe, ob nicht doch die Epoche der abendländischen Metaphysik die Blütezeit philosophischer Metaphorik gewesen ist. Ist Nietzsche etwa, in der rhetorischen Abundanz seiner Metaphysikkritik, ihr großer Totengräber? Vielleicht liegt diese Ausblendung des Großteils der Gegenwartsphilosophie aber auch nur daran, daß Taureck sich zum Schluß auf eigene Faust einfach einmal einen kräftigen Schluck aus der Metaphernpulle gönnen möchte. Das Beste, was ein Philosoph werden kann, ist für ihn offensichtlich immer noch ein Transzendentalphilosoph. Einen "Grund der Möglichkeit" zu finden, etwas, das etwas anderes bedingt, ohne selbst bedingt zu sein, verspricht nun einmal einen Platz auf dem Königsthron des Denkens. Taurecks unbewegter Beweger ist die "Bildlichkeit", der zu guter Letzt transzendentale Weihen zugesprochen werden.

Die reichlich bildtrunkene Annahme, daß unser neuronales System mit Hilfe von Metaphern und Gleichnissen auf seine Umgebung Bezug nimmt, spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Taureck nennt diesen "Image-Fact" eine von ihm "eingeführte Tatsache". Das "Einführen" von Tatsachen ist in der Philosophie eigentlich nicht als Standardoperation zur Grundlegung metaphysischer Thesen bekannt. Hinzu tritt eine Reihe von beherzten strukturellen Analogien zwischen der "Bildlichkeit", unserem insgeheimen "Todesbezug" und unserem "Gegenstandsbezug". Alle drei seien dadurch ausgezeichnet, daß sich in ihnen die Aneignung von etwas Fremdem vollziehe, das auch als Angeeignetes fremd bleibe. Am Ende ist die Bildlichkeit verantwortlich für die Möglichkeit unserer "Gegenstandsbezogenheit". Damit scheint ein würdiger Schlußstein gesetzt für eine in vielen Details beeindruckend vorgeführte kritische Ikonologie der Philosophie. Dieser Schlußstein ist freilich zugleich auch ein unfreiwilliger Beweis für die Notwendigkeit eines solchen Unternehmens.

MICHAEL ADRIAN

Bernhard H. F. Taureck: "Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie". Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 503 S., br., 17,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine "in vielen Details beeindruckend vorgeführte kritische Ikonologie der Philosophie" hat Bernhard H. F. Taureck mit diesem Werk vorgelegt, urteilt der Rezensent Michael Adrian, auch wenn er des Verfassers Annahme, "dass unser neuronales System mit Hilfe von Metaphern und Gleichnissen auf seine Umgebung Bezug nimmt", für "reichlich bildtrunken" hält. Der Metapher werden "zu guter Letzt" sogar "transzendentale Weihen zugesprochen". Außerdem wundert sich der Rezensent, dass der "philosophiehistorische Durchgang durch die Metaphern-Welt" bei Nietzsche endet. Die Kernthese der Studie laute, dass Metaphern die Philosophie "von dem, was ihr Außen, was nicht Philosophie ist", abgrenzen sollen. Die Metaphern aktivierten eine "Vielzahl von möglichen Bestimmungen", "die sich jedoch nicht im Beliebigen verläuft". Mit ihrer Hilfe wolle sich die Philosophie "in einem Absoluten, in Gott, im Einen, im Sein" gründen. Taurecks Verdienst, so der Rezensent, sei es, "eine sich auf dem gemeinsamen Nenner der Kreativität ausruhende friedliche Koexistenz von Metapher und Philosophie aufzustören". Leider tue er dies "in einer ausgesprochen unbeflügelten, die Grenze zum Lapsus mehr als einmal überschreitenden Sprache". Taureck fasse die Metaphern "mit spitzeren Fingern" an als etwa Hans Blumenberg, sein metaphorologischer Vorgänger, er behandele sie "als etwas Fremdes".

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