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Die Documenta 2002 hat gezeigt, daß Installationen ein immer mehr in den Vordergrund tretendes künstlerisches Phänomen der Gegenwart sind. In diesem Band wird - längst überfällig - die philosophische Ästhetik dieser Kunstform vorgestellt.

Produktbeschreibung
Die Documenta 2002 hat gezeigt, daß Installationen ein immer mehr in den Vordergrund tretendes künstlerisches Phänomen der Gegenwart sind. In diesem Band wird - längst überfällig - die philosophische Ästhetik dieser Kunstform vorgestellt.
Autorenporträt
Juliane Rebentisch, geboren 1970, ist Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. 2017 erhielt sie den Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2003

Schnauf, schnauf, Theatralik muß sein

Echte Urviecher sind unausrottbar, so auch die des Kunsterlebens. Mehr als hundert Jahre Avantgarde hat es für sie nicht gegeben; in Scharen laufen sie nach wie vor auf den einschlägigen Großausstellungen herum und freuen sich an Schwulst und Schinken ebenso wie an zarter Kreide oder sanften Schlieren. Es sind dem Kritiker oder Fachgelehrten wundersame Wesen, die wohl für immer glauben werden, Kunst sei notwendig die selektive Nachahmung des Naturschönen nach Maßgabe der metaphysischen Werturteile einzelner Genies. Von "Kunst nach der Philosophie", wie ein Aufsatztitel des Konzeptkünstlers Joseph Kosuth von 1969 heißt, wollen sie nichts wissen, und zeigt man ihnen Claas Oldenburgs "The Store" von 1961, halten sie die nach dem mixed-media-Prinzip organisierte Zurschaustellung von allerlei Kram und Gerätschaften brummend für eine Einkaufspassagenwerbemaßnahme.

Juliane Rebentisch ist Philosophin, also weder Museumspädagogin noch Kunstgeschichtlerin, ihre "Ästhetik der Installation" (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 301 S., br., 11,- [Euro]) will die Urviecher also nicht belehren noch bekehren. Ästhetik, klagt sie im Vorwort des Werkes, lehne sich heute allzuoft an Erfahrungsphänomenologie oder -soziologie der Kunst an, die Werke, einst das Wichtigste, wurden mit der lauwarmen Lauge "Werkästhetik" aus dem Repertoire geschüttet; was aber not tue, sei gerade im Hinblick auf eine Kunstpraxis, die den Werkcharakter von Kunst ebenso wie die daran sich festsaugende Warenhaftigkeit angreifen will, eine "antiobjektivistische Fassung" jenes Werkbegriffs - statt dessen verschämter Entsorgung. Als jene Praxis aufkam - "die sechziger Jahre" sind da keine allzu ungenaue Datierung -, lehnten allmählich zu Moderno-Klassizisten erstarrende Modernisten sie im Namen der Kunstautonomie ab, während ihre bald auf den Plan tretenden postmodernen Antagonisten die Autonomiebegrifflichkeit liebend gern der neuen Praxis opferten, zum Teil mit viel Getöse und vaterfresserischen Kannibalenallüren, die König Ödipus beschämt hätten.

Die "Entgrenzung der Künste in immer neue intermedial-hybride Bereiche" (Rebentisch) brachte es mit sich, daß die Hervorbringungen der Entgrenzer "weniger Werke denn Modelle ihrer Möglichkeit" wurden. Den Modernisten und den Postmodernen gleichsam dialektisch unrecht zu geben, wo sie recht haben, ist so etwas wie der Plan dieses Buches; dessen Beweggrund aber ist auch die Absicht einer "Wiedereröffnung des ästhetischen Diskurses als Streit". Polemik also, aber qualifizierte: "Kein anderer Begriff fällt in kunsttheoretischen oder kunstkritischen Beschreibungen von Installationskunst wohl so oft wie derjenige der Theatralität" - ein Streit, in dem man Behauptungen noch mit "wohl" moduliert, wird vermutlich nicht allzu blutig ausgetragen werden, dafür aber womöglich erkenntnisfördernd. Vieles im Buch ist genaue Lektüre von Begleitern, Antizipatoren oder Gegnern der Kunstpraxis, um die es geht. Stanley Cavell und Michael Fried werden um des Theatralitätsbegriffs willen gelesen, Derrida und Lessing wegen Raum und Zeit herangezogen, Adorno wird fürs Politische paraphrasiert - "close reading" muß nicht "long reading" heißen, lernt man da, man kann Texte, zeigt sich, auch einfach benutzen, ohne unangemessen dekonstruktiv in ihnen zu schwelgen oder auf ihren jeweiligen Standpunkten seitenlang herumzuhopsen.

Der Duktus der eigenen Ausführungen der Autorin ist nicht immer so dynamisch wie im Zuge der reichen programmatischen Stellen am vorderen und hinteren Ende des Buches. Ein Satz wie "Was zwischen den Künsten liegt, ist nicht theatral, sondern intermedial" leidet an einer Berufskrankheit: Die Wörter sind häßlich, der Gedanke ist trotzdem wahr. Im Kapitel über "Medium und Form", nämlich über zwei Deuter von deren Antinomien, Greenberg und Luhmann, streifen einige Postulate sehr weitreichende, aber leider unausgesprochene Thesen über das Verhältnis der nicht allein künstlerischen Moderne zu ihren Voraussetzungen; wenn der Rezensent sie nicht falsch errät, dürften sie am Ende einiges mit dem Geschichtsbild des späten Panajotis Kondylis und dessen Gegenüberstellung von einerseits "liberaler Moderne" und andererseits "massendemokratischer Postmoderne" zu tun haben. Bloß daß hier als offener Prozeß gehandhabt wird, was bei Kondylis finsteres Schicksal war.

Ansonsten findet man: Prächtige Fußnoten von sage und schreibe einunddreißig Zeilen über Musik und deren Interpretation, nahrhafte Schwarzwälder Fruchtschnitten aus dem Picknickkorb eines ehemaligen Freiburger Universitätsrektors mit unvorteilhaften politischen Neigungen sowie ein kunstpolitisches Programm, bei dem es stark darauf ankommt, Sachverhalte zu verändern, statt sie bloß verschieden zu interpretieren oder zu erleben - das wird immer wieder gern genommen.

Es gibt auch philosophische Urviecher; sie meiden moderne Ästhetiken und halten's mit Aristoteles; es genügt ihnen, zu wissen, daß Kunst nicht zeigt, wie es ist, sondern wie es sein könnte, sollte oder bitte niemals dürfe. Vielleicht kommt jede Ästhetik, wenn sie ihren Reflexionslauf durchgestanden hat, da wieder an - auch diese ist keine Ausnahme. Aber wenn man sie gelesen hat, wird einem vielleicht auffallen, wie in letzter Zeit öfter auch beim Betrachten von neuer Kunst: Wir sind vielleicht wieder genau da, wo wir schon mal waren, aber was war das doch für eine lange, seltsame Reise.

DIETMAR DATH

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach der Lektüre dieser Ästhetik von Juliane Rebentisch werde einem vielleicht auffallen, meint Dietmar Dath, "wie in letzter Zeit öfter auch beim Betrachten neuer Kunst", dass wir "vielleicht wieder genau da" sind, "wo wir schon mal waren" - aber "was war das doch für eine lange, seltsame Reise." Denn Rebentisch geht es darum, wie man erfährt, den "Werkbegriff" mit Hilfe einer "antiobjektivistischen Fassung" gegen seine modernen Liebhaber wie gegen seine postmodernen Verächter gleichermaßen zu verteidigen. "Den Modernisten und den Postmodernen gleichsam dialektisch unrecht zu geben", schreibt Dath, "ist so etwas wie der Plan dieses Buches". "Nicht immer so dynamisch" wie im Zuge der, wie er lobt, "reichen programmatischen Stellen" am vorderen und hinteren Ende des Buches fand der Rezensent dabei den Duktus der Philosophin Rebentisch. Ihre Ausführungen würden dann gelegentlich an einer Berufskrankheit leiden: "Die Wörter sind hässlich, der Gedanke ist trotzdem wahr." Uneingeschränkt gefallen dagegen haben Dietmar Dath Rebentischs "kunstpolitisches Programm, bei dem es stark darauf ankommt, Sachverhalte zu verändern", einige "prächtige Fußnoten" sowie "die genaue Lektüre" von Cavell, Derrida, Fried und Adorno, Gegnern bzw. Antizipatoren jener die Werkästhetik überwindenden Kunstpraxis also, um die es geht.

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