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An einem Vormittag 1982 sitzt in Teheran ein älterer Schriftsteller allein zu Hause. Ihm fehlt ein schwarzer Anzug für die nächste Trauerfeier. Dabei häufen sich die Anlässe durch Irak-Krieg und Folter. Aber die Revolutionsanhänger tragen Schwarz...Er wird verhaftet, verhört, ausgepeitscht. Im Gefängnis tröstet er Todeskandidaten mit Gedichten der persischen Tradition und eigenen. Eine der alten Verserzählungen berichtet von einem König der in eine chinesische Stadt gerät, in der alle Bewohner schwarz gekleidet sind. Der König versucht hartnäckig, den Grund herauszufinden - und wird…mehr

Produktbeschreibung
An einem Vormittag 1982 sitzt in Teheran ein älterer Schriftsteller allein zu Hause. Ihm fehlt ein schwarzer Anzug für die nächste Trauerfeier. Dabei häufen sich die Anlässe durch Irak-Krieg und Folter. Aber die Revolutionsanhänger tragen Schwarz...Er wird verhaftet, verhört, ausgepeitscht. Im Gefängnis tröstet er Todeskandidaten mit Gedichten der persischen Tradition und eigenen. Eine der alten Verserzählungen berichtet von einem König der in eine chinesische Stadt gerät, in der alle Bewohner schwarz gekleidet sind. Der König versucht hartnäckig, den Grund herauszufinden - und wird schließlich wunderbar und schmerzlich belehrt. Genau nach einem Jahr kehrt der Schriftsteller weißhaarig zurück. Muß er nicht noch zu dieser Trauerfeier? Jetzt sollte er sich wirklich einen schwarzen Anzug kaufen. Ein starkes Stück Literatur, das der Wahrheit der Poesie verpflichtet ist und eine in allen Schrecken, die berichtet werden, erstaunliche Hoffnung ausstrahlt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2002

Endspiel in Teheran
Der iranische Schriftsteller Huschang Golschiri bleibt zu entdecken

1998 erschien in der "Neuen Orientalischen Bibliothek" des Beck-Verlags der Erzählungenband "Der Mann mit der roten Krawatte" des iranischen Schriftstellers Huschang Golschiri. Es war das erste in Deutschland publizierte Buch des damals Einundsechzigjährigen. Golschiri, den Lesern dieser Zeitung aus zahlreichen Essays und Reportagen bekannt, wurde in Isfahan geboren. Als junger Mann arbeitete er als Lehrer auf dem Dorf, studierte erst und lehrte dann Literatur. Schon früh war er politisch aktiv und kam dafür unterm Regime des Schah Reza Pahlewi ins Gefängnis. Nach der Machtergreifung der Mullahs wurde ihm Anfang der achtziger Jahre der Lehrauftrag für Literatur an der Teheraner Hochschule der Künste entzogen, also unterrichtete er junge Schriftsteller daheim.

Golschiri lebte bis zu seinem Tode im Jahre 2000 als freier Schriftsteller, Kritiker und Herausgeber von Literaturzeitschriften in Teheran und gehörte zu jenen Intellektuellen, die mit ihrem "Aufruf der 134" für die Meinungsfreiheit in Iran eintraten und die Gründung eines unabhängigen beziehungsweise die Anerkennung des alten Schriftstellerverbands von 1967 forderten. Golschiri war einer der wenigen säkular-oppositionellen Intellektuellen, die trotz Verhaftungen, Verboten und Mordanschlägen im Lande geblieben sind.

Golschiri hat mit seiner Literatur eine neue Epoche in der iranischen Literatur begründet. Was er schrieb, hat nichts mehr zu tun mit dem Klischee des opulenten orientalischen Geschichtenerzählers. Golschiris Literatur ist durch und durch modern, er hat von Anfang an die modernen Strömungen der Weltliteratur aufgenommen und in seinem Werk eigenständig umgesetzt. Den besten der jüngeren Schriftsteller in Iran gilt er als Vorbild, viele von ihnen, die unmittelbar seine Schüler waren, beziehen sich ausdrücklich auf ihn.

Gleichwohl ist Golschiris literarisches Werk im Westen weithin unbekannt. Immerhin sind in Deutschland zwei seiner zentralen Texte zugänglich: Golschiris in Iran bereits 1969 veröffentlichter Roman "Prinz Ehtedschab" eröffnet den Band "Der Mann mit der roten Krawatte", der nun bei dtv als Taschenbuch greifbar ist, und wurde im vergangenen Jahr bei Beck noch einmal als eigenständiges Buch herausgebracht. Und die 1990 außerhalb Irans in englischer Übersetzung publizierte politische Parabel "Der König der Schwarzgewandeten", die wegen ihrer offen regimekritischen Bezüge auch 1998 in der "edition suhrkamp" nur unter dem Pseudonym Manuchehr Irani erscheinen konnte.

"Der König der Schwarzgewandeten" erzählt die Geschichte eines Schriftstellers, der nach der "islamischen Kulturrevolution" für ein Jahr inhaftiert, verhört und gefoltert wird. Die Ideale haben sich verkehrt, die Revolution gegen das Schah-Regime fraß auch hier ihre Kinder. Im Gefängnis trägt der Schriftsteller ("Ich bin nur ein Dichter, das ist alles.") seinen Mitgefangenen eigene Gedichte vor und erzählt ihnen alte iranische Geschichten - darin manifestiert sich seit jeher die Macht der Poesie gegen die despotische Gewalt. Als der Schriftsteller nach einem Jahr aus der Haft entlassen wird, ist für ihn die Zeit stehengeblieben: "Wie viele Jahre und Jahrhunderte waren über ihn hinweggegangen in diesem schwarzen Hemd, daß sein Haar weiß geworden war, Strähne für Strähne."

Der kurze Roman "Prinz Ehtedschab" entstand unter dem Regime des Schah und machte Golschiri auf Anhieb berühmt. Er erzählt von einer Welt wie bei Beckett, im verkommenen, endzeitlichen Stadium - eine düstere Geschichte vom Verfall dynastischer Macht, die noch immer mißbraucht wurde für Verbrechen, die in der Öffentlichkeit als Heldentaten erscheinen.

Der kranke Prinz Ehtedschab hockt in einem alten Sessel, im modrig stinkenden Zimmer eines verfallenden Palasts, hustend, notdürftig versorgt von seiner Frau Fachronessa und der Dienerin Fachri. Der Prinz entstammt der Dynastie der Qadscharen, die in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Macht verlor, der Dynastie der Pahlewis weichen mußte und ihr fortan diente. Nun, im Sterben, betrachtet er Bilder aus den vergangenen Zeiten. Und in seinen fiebrigen Phantasien changieren diese Bilder, werden lebendig, und die Bilder seiner Vorfahren und ihrer Taten ziehen an ihm als lebendig gewordene Ereignisse vorüber.

All diese Erinnerungsbilder verwandeln sich, während Prinz Ehtedschab sie anschaut; hinter den glorifizierten großen Taten der Vergangenheit tauchen die Verbrechen auf, aus den gefeierten Helden werden Schurken, auch die eigenen Väter und Großväter erscheinen plötzlich in einem anderen Licht: als Feiglinge, Meuchelmörder, machtgierige Despoten. Wie ein Kind sticht Prinz Ehtedschab ihnen die Augen aus, die ihn von den Bildern anstarren, um sich von ihnen zu befreien.

Golschiris Parabel von der Fragwürdigkeit und vom Verfall der Macht ist für westliche Leser nur schwer nachzuvollziehen. Seine Assoziationen, seine historischen Anspielungen, seine literarische Transformation authentischer Hintergründe in Bilder und Metaphern ergeben ein bewegtes buntes Kaleidoskop, das zu entschlüsseln sechs magere Anmerkungen dieser neuen Ausgabe nicht ausreichen. Aber nachvollziehbar ist die erzählerische Modernität, mit der Golschiri dieses Kaleidoskop arrangiert hat: Die schnellen, fast unmittelbaren Wechsel der Perspektiven, das Oszillieren des Erzählers zwischen Ich und Er, die ständigen Rollenwechsel der aufgerufenen Figuren machten die unmittelbare Übertragbarkeit des Erzählten, die in ihm steckende radikale Kritik an einem dynastischen System zwar erkennbar, aber nicht beweisbar. Wer lesen oder hören konnte, verstand freilich die immanente Kritik.

Die Neuausgabe des Romans wird beschlossen von einer Nachbemerkung des Islamwissenschaftlers Navid Kermani, der mit Golschiri befreundet war und auch von seiner letzten, kurzen Reise nach Teheran berichtet, die er unternahm, um von Huschang Golschiri Abschied zu nehmen, der dort am 5. Juni 2000 gestorben war.

In jedem Falle sollte man, um den Schriftsteller Golschiri besser kennenzulernen, außer dem Roman unbedingt auch die schönen Erzählungen aus "Der Mann mit der roten Krawatte" lesen - etwa "Die vierzehn Heiligen", "Der Wolf" und "Mein Gegner in düsteren Nächten", die sich leichter erschließen. Vor allem aber die großartige Parabel "Der König der Schwarzgewandeten" - ein Meisterwerk der politischen Literatur.

HEINZ LUDWIG ARNOLD.

Huschang Golschiri: "Prinz Ehtedschab". Roman. Aus dem Persischen von Anneliese Ghaharaman-Beck. Mit einer Nachbemerkung von Navid Kermani, C. H. Beck Verlag, München 2001. 140 S., geb., 17,90 [Euro].

Manuchehr Irani (Pseudonym): "Der König der Schwarzgewandeten". Erzählung. Aus dem Persischen von Zana Nimadi. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 106 S., br., 7,50 [Euro].

Huschang Golschiri: "Der Mann mit der roten Krawatte". Aus dem Persischen von Anneliese Ghaharaman-Beck. dtv, München 2001. 304 S., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine "neue Epoche der iranischen Literatur" begründet habe der äußerst moderne politische Autor Huschang Golschiri, der sich hinter dem Pseudonym Manuchehr Irani verbirgt, schwärmt Rezensent Heinz Ludwig Arnold, und er wünscht dem Werk dieses im letzten Jahr verstorbenen Schriftstellers im Westen mehr Aufmerksamkeit. Die Erzählung über einen iranischen Autor, der nach der "islamischen Kulturrevolution" gegen den Schah für ein Jahr im Gefängnis verhört und gefoltert wird und den anderen Inhaftierten Gedichte und alte iranische Geschichten erzählt, hält Arnold für eine "großartige Parabel". Dieses "Meisterwerk der politischen Literatur" ist für ihn am besten geeignet, um sich dem Werk von Golschiri zu nähern.

© Perlentaucher Medien GmbH