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Kesselring, Priebke, Max Simon, Kappler, Reder und von Mackensen: Namen, die für deutsche Kriegsverbrechen in Italien stehen. Wie sich diese Kriegsverbrechen in das historische Bewußtsein zweier Nationen eingebrannt haben und welchen Einfluss sie in der aktuellen politischen Diskussion hatten und haben, untersucht dieses Buch.

Produktbeschreibung
Kesselring, Priebke, Max Simon, Kappler, Reder und von Mackensen: Namen, die für deutsche Kriegsverbrechen in Italien stehen. Wie sich diese Kriegsverbrechen in das historische Bewußtsein zweier Nationen eingebrannt haben und welchen Einfluss sie in der aktuellen politischen Diskussion hatten und haben, untersucht dieses Buch.
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Autorenporträt
Joachim Staron, geboren 1969, Promotion 2001 an der Freien Universität Berlin aufgrund vorliegender Arbeit, ist Chefredakteur Bühne und Kino bei einem Online-Kulturportal.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rudolf Lill bescheinigt Joachim Starons Studie über deutsche Kriegsverbrechen in Italien und ihre Folgen für die Nachkriegsbeziehungen der beiden Länder solides Handwerk. Detailreich und exakt untersuche die Arbeit deutsche Kriegsverbrechen im Jahr 1944 und verfolge anschaulich die später einsetzende "Umformung der damaligen Fakten zu Geschichtsbildern". Starons Arbeit hat für Lill großen Quellenwert, da sie erstmals auf die umfangreichen Akten der Nachkriegsprozesse gegen die Verantwortlichen zurückgreife. Ein wenig bemängelt Lill die unzureichende Verknüpfung der Quellen mit der bereits vorhandenen Forschungsliteratur. Mit Einschränkungen überzeugt hat Lill Starons Einordnung des Stellenwerts der Verbrechen im Bewusstsein der Nachkriegsöffentlichkeit. Nicht hinreichend gewürdigt findet der Rezensent die pragmatischen Motive der italienischen Regierungen, auf eine umfassende Verfolgung der Verbrechen verzichtet zu haben. Gravierend unterschiedlich bewerten Autor und Rezensent die nachträglichen Prozesse (1996-1998) gegen Erich Priebke. Deren Ausgang mit der "von den Moralisten gewünschten Verurteilung" ist für Lill Ausdruck einer Justiz, "die mit größerer Entfernung von den Fakten und ihren Umständen zu immer härteren Urteilen gelangt". Lill wünscht dieser Problematik eine "ernsthaftere Erörterung".

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Massaker des Jahres 1944
Die deutschen Kriegsverbrechen in Italien und die Nachkriegsbeziehungen / Von Rudolf Lill

Ende Juli 1943 war der italienische Diktator Benito Mussolini durch eine Fronde aus dem eigenen Regime gestürzt worden, sechs Wochen später kapitulierte die von Marschall Pietro Badoglio geführte Regierung gegenüber den Alliierten. Die große Mehrzahl der Italiener wollte aus dem Krieg heraus. Doch das nationalsozialistische Deutschland zwang ihnen zwei weitere Kriegsjahre auf und diffamierte sie pauschal als Verräter. Schnell besetzte die Wehrmacht unter Generalfeldmarschall Albert Kesselring Mittel- und Norditalien. Hitler installierte einen neofaschistischen Satellitenstaat, die "Repubblica Sociale Italiana" mit Mussolini als Staatschef und mit dem Regierungssitz in Salò. Erst jetzt wurden Juden deportiert, dazu viele Italiener in Deutschland interniert und zur Arbeit gezwungen.

Gegen Deutsche und Neofaschisten erhob sich die Resistenza. Zwar traten ihr höchstens fünf Prozent der Bevölkerung bei, aber zum Krieg der Deutschen gegen die Anglo-Amerikaner kam jener der Partisanen, gegen Kriegsende zudem der Bürgerkrieg zwischen links und rechts. Die deutsche Wehrmacht hat sich zumeist korrekt verhalten. Aber schon bei der Entwaffnung einiger italienischer Truppenteile und mehr noch bei der Bekämpfung der Partisanen verübte sie Repressalien, welche das kriegsrechtlich leider erlaubte Maß überstiegen und als Kriegsverbrechen zu qualifizieren sind. So wurden die Jahre 1943 bis 1945 zum dunkelsten Kapitel der deutsch-italienischen Beziehungen.

Joachim Staron hat aus der bald einsetzenden Umformung der damaligen Fakten zu Geschichtsbildern sehr viele Details akribisch nachgezeichnet. Im Mittelpunkt stehen die beiden - durch ein blutiges Attentat und durch Kampfaktionen von Partisanen provozierten - Massaker des Jahres 1944: die Erschießung von 335 Geiseln in den Fosse Ardeatine bei Rom und die Tötung von circa siebenhundert Zivilisten in der Gemeinde Marzabotto unweit von Bologna. Er erschließt erstmals die umfangreichen Akten der Prozesse, die 1946, 1947 und 1951 gegen die Hauptverantwortlichen, in den neunziger Jahren dann gegen Mittäter geführt worden sind. Jedes Argument der Anklage wie der Verteidigung wird sorgfältig aufgeführt, dabei auch aufgezeigt, daß die Gerichte der unmittelbaren Nachkriegszeit den Angeklagten mehr mildernde Umstände zubilligten als die des letzten Jahrzehnts.

Wegen der Fosse Ardeatine wurde Herbert Kappler und wegen Marzabotto Walter Reder, letzterer Österreicher, zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Sie sollten zu negativen Symbolfiguren der Resistenza werden. Unter dem steten Rekurs auf die Quellen leidet freilich die Verknüpfung mit der schon vorhandenen Literatur. Über Kesselring zum Beispiel informiert man sich besser in der 2000 publizierten Kurzbiographie von Peter Herde, und die nur kurz zitierten Artikel des römischen F.A.Z.-Korrespondenten Josef Schmitz van Vorst zum Prozeß des Jahres 1951 sind in einem 1997 erschienenen Band nachzulesen.

Was die Rezeption der damaligen Fakten angeht, erklärt Staron vor allem die beiden Geschichtsbilder, die mehr als dreißig Jahre gewirkt haben. In Deutschland wollte man von Verbrechen der Wehrmacht überhaupt nichts wissen, in Italien schuf die linke Publizistik den Mythos der Resistenza als Volksbewegung und Grundlage der Republik. Die Regierungen in Bonn und Rom haben sich freilich mit solchen Mythen nie identifiziert, mußten aber Rücksicht auf sie nehmen. Bundeskanzler Konrad Adenauer und der italienische Ministerpräsident Alcide de Gasperi zogen aus den Erfahrungen der Diktaturen vor allem die Konsequenz des demokratischen Wiederaufbaus im neuen europäischen Bündnis, und dieser war ihnen wichtiger als die Beschwörung von Schatten der Vergangenheit.

Bei de Gasperi kam die Einsicht hinzu, daß jeder Rekurs auf die Resistenza der starken kommunistischen Opposition zugute käme. An einer Verfolgung eventueller weiterer deutscher Kriegsverbrecher war man in Rom auch deshalb nicht interessiert, weil diese den Blick auf vergleichbare Taten von Italienern in Äthiopien, Albanien und Jugoslawien lenken mochte. Man brauchte und wollte Ruhe, was von Staron nicht hinreichend gewürdigt wird. Schon Bundespräsident Theodor Heuss ging aber bei seinem römischen Staatsbesuch 1957 an die Gräber der erschossenen Geiseln. Andererseits bemühte sich Bonn diskret um eine Begnadigung Kapplers, was von der DDR zur Diffamierung der Bundesrepublik als Beschützerin von Nazis ausgenutzt worden ist.

Bundeskanzler Willy Brandt trat energischer auf und ebenso Österreichs Regierungschef Bruno Kreisky zugunsten Reders. Als Kappler 1977 aus einem römischen Militärhospital fliehen konnte, inszenierte die seit dem Centro Sinistra der sechziger Jahre weiter erstarkte Linke Italiens einen Sturm der Empörung, der sich aber schnell legte. Man brauchte die Symbolfiguren nicht mehr - doch erst 1985 wurde Reder begnadigt. Die neunziger Jahre haben auch in Italien jene "neue Sensibilität" erbracht, welche Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus anders behandelt als alle übrigen Straftaten und auch das Rechtsprinzip der Verjährung völlig aufgibt. In Argentinien machte man 1994 einen 1946 freigesprochenen Mittäter Kapplers, Erich Priebke, aus, erreichte seine Auslieferung und führte von 1996 bis 1998 in Rom drei Prozesse gegen ihn, deren letzter die von den Moralisten gewünschte Verurteilung des fünfundachtzig Jahre alten Angeklagten zu lebenslanger Haft erbrachte.

Staron bescheinigt dem Gericht Mut und distanziert sich vom derzeitigen römischen F.A.Z.-Korrespondenten Heinz-Joachim Fischer, der die historische und rechtliche Problematik eines solchen Prozesses diskutiert und einen Vergleich zwischen dem Töten durch Partisanen und durch Soldaten gewagt hatte. Doch diese Problematik verdiente ernsthafte Erörterung - und vielleicht helfen die von Staron nur kurz erwähnten italienisch-deutschen Versöhnungsinitiativen in und um Marzabotto zum Abtragen der historischen Hypotheken mehr als eine Justiz, die mit größerer Entfernung von den Fakten und ihren Umständen zu immer härteren Urteilen gelangt. Hatten Adenauer und de Gasperi nicht doch den richtigeren Weg eingeschlagen? Immerhin hat dieser Weg zu so engen und vielfältigen deutsch-italienischen Beziehungen geführt, wie sie zuvor nie bestanden hatten.

Joachim Staron: Fosse Ardeatine und Marzabotto: Deutsche Kriegsverbrechen und Resistenza. Geschichte und nationale Mythenbildung in Deutschland und Italien (1944-1999). Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2002. 392 Seiten, 40,- [Euro].

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