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Querschnitte durch das kirchlich-katholische Leben in SBZ und DDR zwischen 1945 und den 1970er Jahren bieten hier junge Fachwissenschaftler auf der Basis von bislang unveröffentlichten Archivquellen. Ein einleitender Beitrag über Ergebnisse, Thesen und Forschungsperspektiven sowie eine mehr als 400 Titel umfassende abschließende Bibliographie ermöglichen eine rasche Orientierung über den aktuellen Diskussionsstand.
Die Existenz der katholischen Kirche in der SBZ und DDR war von zwei Faktoren entscheidend bestimmt: dem Status als konfessionelle Minderheit und dem totalitären
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Produktbeschreibung
Querschnitte durch das kirchlich-katholische Leben in SBZ und DDR zwischen 1945 und den 1970er Jahren bieten hier junge Fachwissenschaftler auf der Basis von bislang unveröffentlichten Archivquellen. Ein einleitender Beitrag über Ergebnisse, Thesen und Forschungsperspektiven sowie eine mehr als 400 Titel umfassende abschließende Bibliographie ermöglichen eine rasche Orientierung über den aktuellen Diskussionsstand.

Die Existenz der katholischen Kirche in der SBZ und DDR war von zwei Faktoren entscheidend bestimmt: dem Status als konfessionelle Minderheit und dem totalitären Weltanschauungsanspruch der SED-Diktatur. Diese Lebenswirklichkeiten beeinflußten die "Politik" der Bischöfe gegenüber den sozialistischen Machthabern, das gesellschaftliche Engagement einer "verkirchlichten" Caritasorganisation, das Spektrum der kirchlichen Presse, pastoraltheologische Konzeptionen und nicht zuletzt den seelsorgerlichen Alltag "vor Ort".

Die Verweigerung gegenüber allen Versuchen politischer Vereinnahmung ging phasenweise einher mit scharfer, auch öffentlicher Kritik an der sozialistischen Religions- und Kirchenpolitik. Die nach außen "politisch abstinente" Diasporakirche war jedoch kein geschlossener Block: die rücksichtslose Umsetzung der sozialistischen Utopie in den 50er Jahren einschließlich der gewaltsamen Unterdrückung kirchlichen Lebens, die Auswirkungen des Mauerbaus 1961 oder der durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965) eingeleitete kirchliche Wandel führten jeweils zu unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft einer "Katholischen Kirche in der DDR".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2006

Feindliche Umwelt
Die katholische Kirche in der SBZ und der DDR

Nie hat die katholische Kirche in der Sowjetischen Besatzungszone und in der DDR zur Zeit der deutschen Teilung jenes öffentliche Interesse gefunden wie die evangelische Kirche. Das ist für eine Kirche in der Diaspora nicht ungewöhnlich. Hier aber kommt hinzu, daß die katholische Kirche sich zwar in einem fundamentalen Gegensatz zur weltanschaulich intoleranten, atheistischen DDR befand. Aber sie mußte ihr möglichst unbeschädigtes Überleben in dieser feindlichen Umwelt bewahren, ohne sich dem SED-Staat ideologisch oder organisatorisch anzunähern, ohne ihre eigene "Zersetzung" und letztlich ihr Absterben zu provozieren. Kardinal Bengsch, Bischof von Berlin zwischen 1961 und 1979, hat zur Charakterisierung dieser Situation auf die biblische Geschichte von Daniel in der Löwengrube verwiesen. Für seine Amtszeit als Oberhirte der katholische Kirche in der DDR zog er daraus den Schluß, es sei gleichermaßen gefährlich, den Löwen zärtlich kraulend um den Bart zu gehen oder sie zornig am Schwanz zu ziehen.

Die vollständige wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der katholischen Kirche Ost- und Mitteldeutschlands in der Zeit der deutschen Teilung ist 15 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht beendet. Noch sind nicht alle in kirchlichen und staatlichen Archiven - nicht nur des Ostens, sondern auch des Westens und nicht zuletzt des Vatikans - verwahrten einschlägigen Dokumente zugänglich und erforscht; auch fehlt eine systematische Untersuchung der Religionspolitik der DDR. Hinzu kommt, daß wichtige kirchliche Entscheidungen oft nur in mündlichen Absprachen unter strenger, auch innerkirchlicher Geheimhaltung getroffen wurden und sich allein aus den Akten nicht erschließen lassen. Die Forschung ist daher auf Zeitzeugenbefragungen und vor allem für die frühe Zeit auf publizierte "Erinnerungen" damals handelnder Personen angewiesen. Unerläßlich ist die kritische Konfrontation der Akten und Dokumente aus den Archiven mit den Zeugnissen der Zeitgenossen.

Die vorliegende Aufsatzsammlung versucht einen großen Teil der auf diese Art gewonnenen bisherigen Forschungsergebnisse zu bilanzieren. Der Band bietet kein abschließendes historisches Gesamtbild, sondern eine Zwischenbilanz, die freilich eine ganze Reihe von wichtigen Themen und Aspekten bewußt außer acht läßt. Der Beitrag der katholischen Kirche in der DDR zur Ökumene und zur "friedlichen Revolution" im Herbst 1989 fehlt ebenso wie eine objektive Darstellung des Problems der von der Stasi gewonnenen inoffiziellen Mitarbeiter (IM) aus dem Bereich der katholischen Kirche auf der einen und der vom Vorsitzenden der Berliner Ordinarien- beziehungsweise Bischofskonferenz und den Bischöfen mit offiziellen Kontakten zur Stasi beauftragten Kirchenvertreter auf der anderen Seite. Das Verhältnis von Kirche und Katholiken zur Ost-CDU wird nicht thematisiert.

Der Hauptteil des Bandes befaßt sich mit den Beziehungen zwischen Kirche und Staat, den kirchenpolitischen Entwicklungslinien von 1945 bis - leider nur - zum Tod von Bengsch im Dezember 1979. Dabei steht das Bistum Berlin im Mittelpunkt, das West- und Ost-Berlin sowie weite Gebiete in der DDR umfaßte und dessen Oberhirten als Vorsitzende der 1950 konstituierten, für die DDR zuständigen regionalen Bischofskonferenz die nach dem "Preysing-Erlaß" einzig legitimierten Gesprächs- und Verhandlungspartner der katholischen Kirche mit dem DDR-Staat waren. In gesonderten Kapiteln wird die Kirchenpolitik der Berliner Bischöfe Konrad von Preysing (1935 bis 1950), Wilhelm Weskamm (1951 bis 1957), Julius Döpfner (1957 bis 1961) und Alfred Bengsch (1961 bis 1979) bilanziert. Dabei werden ihre unterschiedlichen kirchenpolitischen Akzente herausgearbeitet, so daß ein bisher so nicht wahrgenommenes differenzierteres Bild entsteht. Ob sie nun scharfe öffentliche Kritik an der SED übten - wie die Kardinäle Preysing und Döpfner, der seit 1958 seine Diözesangebiete außerhalb Berlins nicht mehr besuchen durfte -, sich wie der "Seelsorgebischof" Weskamm öffentlicher Proteste enthielten und dafür auf "Eingaben" und offene Gespräche mit Grotewohl setzten oder sich wie Bengsch, der einzige Berliner auf dem Bischofsstuhl, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern in Ost-Berlin residierte, der Kirche strengste politische Abstinenz verordnete, einen eigenen "modus vivendi" zwischen Kirche und Staat praktizierte und so die Einheit des Bistums erhalten konnte - alle waren sie sich einig in der grundsätzlichen Opposition zum DDR-Staat und in dem Streben, Eigenart, Geschlossenheit und Eigenständigkeit der Kirche zu bewahren, niemals "Kirche im Sozialismus" zu werden.

Ruth Jung, die das umfangreiche Kapitel "Alfred Bengsch, das Bistum Berlin und die katholische Kirche in der DDR" verfaßte und unter die Überschrift "Eine Politik der Skepsis" stellte, schildert den erfolgreichen Kampf von Bengsch um die strikte Abgrenzung zum SED-Staat, die Bewahrung innerkirchlicher Freiräume für Pastoral und Caritas und die Einheit seines Bistums, einer wichtigen organisatorischen Klammer zwischen den beiden Teilen Deutschlands, sowie seine Konfrontation mit Paul VI. wegen der befürchteten Auswirkungen der vatikanischen Ostpolitik auf die katholische Kirche in der DDR und ihre Bindungen an die Kirche in der Bundesrepublik. Sie stellt zudem die innerkirchlichen Probleme im politisch geteilten Berlin dar.

Zwei Aufsätze sind Einzelaspekten des kirchlichen und religiösen Lebens - wie Begründung und Aufbau einer mitteldeutschen Diasporaseelsorge oder Caritas in der SBZ/DDR - und "katholischen Milieus" (katholische Sorben in der Oberlausitz, widerspenstige Katholiken im Eichsfeld) gewidmet. Lobend hervorzuheben ist eine umfassende Bibliographie, die den gegenwärtigen Stand der zeitgeschichtlichen Katholizismusforschung dokumentiert. Leider fehlt ein Verzeichnis, das Aufschluß über die Autoren gibt.

PETER JOCHEN WINTERS

Christoph Kösters/Wolfgang Tischner (Herausgeber): Katholische Kirche in SBZ und DDR. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2005. 415 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit einem Hinweis auf den allgemeinen Forschungsstand zum Thema erklärt Peter Jochen Winters die Vorläufigkeit dieser bilanzierenden Aufsatzsammlung und den Umstand, dass wichtige thematische Aspekte, wie die Rolle der katholischen Kirche in der DDR bei der '89er Revolution, nicht behandelt werden. Winters schätzt die Differenziertheit, mit der die Beiträger die Beziehungen zwischen Kirche und Staat und die Rolle der Berliner Bischöfe erörtern. Den behandelten Zeitraum 1945-1979 findet er allerdings viel zu kurz. Besonders interessiert hat ihn ein Aufsatz über den Berliner Bischof Bengsch und die innerkirchlichen Probleme im geteilten Berlin sowie die "umfassende" Bibliografie zur Katholizismusforschung. Mit einem Autorenverzeichnis hätte man dem Rezensenten eine zusätzliche Freude machen können.

© Perlentaucher Medien GmbH