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Sie waren wie Vizekönige in Deutschland, wie privilegierte Prokonsuln oder - wie Adenauer formulierte - "in gewisser Weise (die) Herren" über die junge Bundesrepublik. Gestützt auf ein Besatzungsstatut, das teils über, teils neben dem Grundgesetz den Verfassungsrahmen bildete, förderten und steuerten die Hohen Kommissare die Eingliederung der Bundesrepublik in die westliche Staaten-, Werte-, Wirtschafts- und Verteidigungsgemeinschaft. Bisherige zeitgeschichtliche Arbeiten weisen ihnen zu Unrecht Nebenrollen zu. In dieser durch Archivstudien ergänzten Zusammenschau stehen die Hohen Kommissare…mehr

Produktbeschreibung
Sie waren wie Vizekönige in Deutschland, wie privilegierte Prokonsuln oder - wie Adenauer formulierte - "in gewisser Weise (die) Herren" über die junge Bundesrepublik. Gestützt auf ein Besatzungsstatut, das teils über, teils neben dem Grundgesetz den Verfassungsrahmen bildete, förderten und steuerten die Hohen Kommissare die Eingliederung der Bundesrepublik in die westliche Staaten-, Werte-, Wirtschafts- und Verteidigungsgemeinschaft. Bisherige zeitgeschichtliche Arbeiten weisen ihnen zu Unrecht Nebenrollen zu. In dieser durch Archivstudien ergänzten Zusammenschau stehen die Hohen Kommissare und ihre Apparate im Mittelpunkt. Vertraut mit den Anfänge unseres Staates, seinen kleinräumigen Schauplätzen in der kleinen Stadt am Rhein und dem zuweilen skurrilen Personal, zeigt der Autor die Probleme und Widersprüche des Kontrollregimes auf, das Experiment, einen amerikanischen Bankier, einen französischen Diplomaten und einen britischen General zu einer arbeitsfähigen Trinität zu vereinen, die durch Siegerrecht verordnete Einübung der Deutschen in die Demokratie. Das Dilemma, den Respekt der Besiegten und Besetzten zu erringen und gleichzeitig die auch untereinander unterschiedlichen Interessen der Entsenderstaaten zu wahren, sowie Ausgleich zu schaffen zwischen deutschem Souveränitätsdrängen und alliiertem Wunsch nach perfekter Absicherung. Die überaus anschaulich geschriebene Darstellung läßt jenseits der Politik- und Diplomatiegeschichte immer wieder auch den menschlichen Faktor durchscheinen. Ironisch-distanziert, behutsam im Urteil wird mit diesem Buch ein zu Unrecht vergessenes Macht- und Entscheidungszentrum 1949/1955 erhellt.
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Autorenporträt
Helmut Vogt, geb. 1951, Dr. phil., zahlreiche Veröffentlichungen zur Regionalgeschichte und zur Frühgeschichte der Bundesrepublik. Er unterrichtet an einem Kölner Gymnasium.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.04.2005

Sekt oder Champagner?
Kleinkariertes über die Alliierten Hohen Kommissare

Helmut Vogt: Wächter der Bonner Republik. Die Alliierten Hohen Kommissare 1949-1955. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004. 305 Seiten, 29,90 [Euro].

Die Geschichte der Alliierten Hohen Kommission in der Bundesrepublik ist für beide Seiten eine Erfolgsgeschichte gewesen. Sie zeigt auf alliierter Seite einen Lernprozeß. Es galt die richtige Linie gegenüber den Besetzten einzuschlagen - vom hohen Roß der Sieger, das der französische Hochkommissar François-Poncet besonders würdevoll zu reiten verstand, herunterzukommen und in Adenauer und seiner Regierung mehr und mehr den Partner zu schätzen, mit dem man zurechtkommen konnte, ohne dabei die eigenen Interessen aus dem Auge zu verlieren. Ihr gegenseitiges Verhältnis wurde vor allem durch den Korea-Schock bestimmt. Denn die damit verbundene Aufwertung der Bundesrepublik zu einem, wenn auch zuerst noch "besetzten Verbündeten" begrenzte zunehmend den alliierten Durchsetzungsanspruch. Über das Verhältnis von Konrad Adenauer zu den Hohen Kommissaren sind wir durch Quelleneditionen gut informiert. Sie zeigen, mit welcher Härte mitunter die Auseinandersetzungen geführt wurden.

Zugleich bildete sich im Bonner Raum ein alliierter Mikrokosmos der verschiedenen Dienststellen mit einer Fülle von Mitarbeitern und Bediensteten aus, die von der jeweiligen Tradition und dem bürokratischen Stil der Herkunftsländer bestimmt waren. Über das Miteinander wie das Nebeneinander der Kommissare, ihres Personals und ihrer Gepflogenheiten bis hin zur Freizeitgestaltung werden wir gründlich informiert - etwa über die verschiedenen Dienstwagen, die Sonderzüge, aber auch über ihre Flugzeuge, die zugleich Statussymbole darstellten. Die Politik der Hohen Kommissare steht nicht im Vordergrund, sondern es geht um den Gesamteindruck, das tägliche Procedere auf verschiedenen Ebenen. Dazu gehörten die aufwendigen Neubauten ebenso wie die sportlichen Betätigungen, nicht zu vergessen das edle Waidwerk, das vornehmlich die Amerikaner - von jeder Art von Jagdschein unbeschwert - extensiv ausübten. Das Lokalkolorit ist daher von Wichtigkeit. Nicht umsonst weist Helmut Vogt darauf hin, daß im Stadtarchiv Bonn "noch mancher Schatz zur Frühgeschichte der Bundesrepublik schlummert".

Der Titel scheint nicht glücklich gewählt. Im Text ist häufig und richtiger von Tutoren die Rede, das soll heißen, die Hohen Kommissare hätten eine mehr assistierende Tätigkeit ausgeübt und mit den kooperationswilligen Deutschen zusammengearbeitet, ohne zu vergessen, wer letztlich das Sagen hatte. So ist die häufig verwandte Bezeichnung für McCloy als "US-Statthalter" ungenau. Er war zwar die beherrschende Figur in Bonn, nicht aber als Vertreter der stärksten Macht, sondern durch seinen persönlichen Einsatz, mit dem er schwierige Probleme wie den Schumanplan und den Vertrag mit Israel der Lösung entscheidend näher brachte. Bei seinem Nachfolger James B. Conant würde niemand auf die Idee kommen, in ihm einen Statthalter zu sehen, sondern eher einen Universitätspräsidenten, der sich in die Politik verirrt hatte.

Wir erleben also die Bonner Politik aus einem besonderen Blickwinkel. Da geht es nicht nur um die politischen Entscheidungen, sondern auch um die äußere Erscheinung, das Protokoll, die Autokolonnen und das militärische Begleitpersonal. Die unterschiedliche Perspektive zeigt sich besonders deutlich 1949 beim Besuch des gerade ernannten Bundeskanzlers bei den Hohen Kommissaren auf dem Petersberg. Da lernen wir, daß Adenauer durch ein Schreiben von Bundespräsident Theodor Heuss zu diesem Besuch "legitimiert" wurde. Nach dem Empfang habe es bei den Gesprächen auf der Terrasse "ein Glas Sekt - in alliierter Überlieferung Champagner" gegeben. Solche Details verfolgen den Leser gnadenlos.

Auf dieser Ebene kommt es sogar zu dem Versuch, das überlieferte Bild zu revidieren. So bei der berühmten Protokollwidrigkeit, die Adenauer sich auf dem Petersberg leistete, als er den Teppich betrat, auf dem die Kommissare standen. Das Foto, wie er auf der einen Ecke des Teppichs stand, ist eindeutig. Wer sich mit Adenauer beschäftigt hat, weiß, wie sehr ihn zeitlebens Diskriminierungen reizten. Hier ist Vogt aber ganz entschieden: "Nichts von der berühmten Teppich-Szene." Aber sogleich erfolgt die teilweise Rücknahme: "Wenn sie wirklich in der Form stattgefunden hat, hat die alliierte Seite die kleine Eigenmächtigkeit des deutschen Regierungschefs wohl nicht so ernst genommen." Denn die offizielle Geschichte der Hohen Kommission habe sie nicht erwähnt! Kleinkarierter geht es nicht. Auf die bemerkenswerte Ansprache Adenauers bei diesem Anlaß geht er kaum ein. Der Kanzler hatte auf das nun in Kraft tretende Besatzungsstatut Bezug genommen und bereits zum Zeitpunkt der Übergabe dessen Revision angemahnt und seiner Forderung dadurch Nachdruck verliehen, daß er auf den "Triebsand der Millionen Flüchtlinge" hinwies, die ohne rasche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage eine Gefahr für ganz Westeuropa darstellten. Gut wird jedoch bei der Darstellung der ersten Arbeitssitzungen auf dem Petersberg das Durchsetzungsvermögen Adenauers herausgearbeitet, wie dieser sich bei den Hohen Kommissaren Respekt verschaffte.

Bei dem ersten, gründlich mißlungenen Besuch des französischen Außenministers Robert Schuman geht Vogt der rheinische Patriotismus durch, als er dessen Fahrt aus dem besatzungsfreien Bonn in die selbstverständlich in der französischen Zone gelegene Residenz von François-Poncet schildert. Denn die deutsche Polizeiformation, die den Minister in Bonn eskortiert hatte, "behielt auch in der französischen Zone den Begleitschutz in der Hand, eine Geste des Souveränitätsanspruchs, der die altgedienten Besatzungsoffiziere in Schumans Delegation nicht wenig irritierte". Das ist Revisionspolitik aus der Polizistenperspektive. Sie wird der tatsächlichen Leistung dieser Politik kaum gerecht.

HENNING KÖHLER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erhellend, wenn auch teilweise etwas "kleinkariert" erscheint Rezensent Henning Köhler Helmut Vogts Untersuchung des Wirkens der Alliierten Hohen Kommissare in der frühen Bundesrepublik. Dabei steht laut Köhler nicht die Politik der Hohen Kommissare im Mittelpunkt, sondern der Gesamteindruck, das tägliche Procedere auf den verschiedenen Ebenen. So informiere Vogt "gründlich" über das Miteinander wie das Nebeneinander der Kommissare, ihr Personal und ihre Gepflogenheiten bis hin zur Freizeitgestaltung: "Wir erleben die Bonner Politik aus einem besonderen Blickwinkel". Etwas unglücklich erscheint Henning freilich der Titel des Buchs: "Wächter der Bonner Republik". Im Text spreche Vogt zutreffender von "Tutoren", und davon, dass die Hohen Kommissare mehr assistierende Tätigkeit ausgeübt und mit den kooperationswilligen Deutschen zusammengearbeitet hätten. In der Flut an Details droht der Rezensent aber stellenweise unterzugehen. Ob es bei einem Besuch Adenauers nun Sekt oder, wie Vogt festhält, nach der abweichenden "alliierten Überlieferung" Champagner gegeben hat, ist Köhler herzlich egal. Aber diese Kleinigkeiten "verfolgen den Leser gnadenlos".

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