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Lange bevor Auster mit seinen Romanen international berühmt wurde, veröffentlichte er einen Gedichtband. Hier liegt er nun in deutscher Übersetzung vor.

Produktbeschreibung
Lange bevor Auster mit seinen Romanen international berühmt wurde, veröffentlichte er einen Gedichtband. Hier liegt er nun in deutscher Übersetzung vor.
Autorenporträt
Paul Auster wurde 1947 in Newark, New Jersey, geboren. Er studierte Anglistik und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Columbia University und verbrachte nach dem Studium einige Jahre in Frankreich. International bekannt wurde er mit seinen Romanen Im Land der letzten Dinge und der New-York-Trilogie. Sein umfangreiches, vielfach preisgekröntes Werk umfasst neben zahlreichen Romanen auch Essays und Gedichte sowie Übersetzungen zeitgenössischer Lyrik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2001

Im Schrumpfiglu
Urworte, erdig: Auch Paul Auster hat einmal Gedichte geschrieben

"Wurzeln krümmen sich mit dem Wurm - das Rieseln / Der Uhr bewohnt des Spatzen Herz. / Zwischen Zweig und Turm - schmälert / Das Wort sein Nest, und die Saat, gewiegt / Von schlichteren Grenzen, will nicht gestehen. / Nur das Ei hat Schwerkraft."

Das ist Lyrik, keine Frage. Man merkt es gleich, nicht bloß am Zeilenumbruch: So klingen Wörter von Gewicht, wenn sie auf Papier fallen. Denn nicht nur das Ei hat Schwerkraft, auch die Sprache unterliegt in Paul Austers frühen Gedichten dem Gesetz der Gravitation. Ein Geist der Schwere zieht sie nach unten, hinab ins dunkle, warme und feuchte Erdreich. Jahrzehntelang hat die poetische Saat des weltbekannten Erzählers im verborgenen überwintert. Nun soll sie auf den fruchtbaren Boden fallen, den der Erfolg bestellt hat: Nachdem die zwischen 1970 und 1979 entstandenen Texte in den Vereinigten Staaten bereits 1988 veröffentlicht wurden, liegt Austers lyrisches Frühwerk jetzt auch in deutscher Übersetzung vor.

Es ist eine Unsitte, aus Klappentexten zu zitieren, doch treffender als der Rowohlt Verlag kann man den Inhalt des zweisprachigen Bandes "Vom Verschwinden / Disappearances" kaum umreißen: "Es sind dunkle, abgründige Gedichte eines Einsamen, unentwegt auf der Suche nach den letzten Dingen." Natürlich ist das Register von Lyrik, das mit dieser Einordnung gezogen wird, nicht ganz so einzigartig, wie der von Entdeckerstolz beseelte Verlag behauptet. Denn es hat nicht nur im Gattungssystem, sondern auch im Möbelsystem einen angestammten Ort: die Schublade.

Das Land der letzten Dinge findet sich in den meist kurzen Prosagedichten als semantische Urlandschaft kartographiert. Wie Felsblöcke aus grauer Vorzeit streut Auster eine Handvoll archaischer Substantive quer durch seine Texte: Sonne und Dämmerung, Schlaf und Traum, Stein und Feuer, vor allem aber die Erde als an Massivität nicht mehr zu überbietende Leitmetapher. "Deine Erde wird immer fern sein", heißt es einmal prophetisch; "Fülle deine Taschen mit Erde", lautet an anderer Stelle der lyrische Imperativ. Auster geht mit dem sprachlichen Rohstoff Erde derart verschwenderisch um, daß man fast glauben könnte, er habe noch eine zweite im Kofferraum.

Überhaupt erzeugt der üppige Zugriff auf ein klischeehaftes Vokabular, das offenbar für stärkste symbolische Strahlung bürgen soll, den Eindruck eines poetologischen Baukastenprinzips. "Wo die Nacht gesprochen hat, / streifen ungeborne Söhne durch die Leere / zwischen den Sternen." Man mag in diesem Universum der letzten Worte einen Nachhall von Austers Beschäftigung mit dem Surrealismus und mit Beckett vernehmen - schließlich sind nicht wenige der Gedichte in Frankreich entstanden, wo der Schriftsteller sich mehrere Jahre lang als armer Poet versuchte, bevor er ins epische Fach überwechselte. Doch gerade die lyrische Rückwendung der Sprache zu sich selbst - "Ich rede zu dir vom Reden" - bleibt bei Auster meist stereotype Wendung. Wo die Szene des Schreibens eingeblendet wird, da stets nur als ein Versatzstück jener auratischen Dingwelt, die mit gleich schwebender Hartnäckigkeit beschworen wird: "Der Stift fährt über die Erde." Soviel Kontakt zwischen Sein und Sprache war selten.

Jenseits dieser durchaus zeittypischen Psychedelik, die "im schrägen Schabelicht / unserer dunklen dünenzeugenden Hände" zumindest auf englisch einige brauchbare Songtexte abgeben könnte, wirft der Band kein überraschendes Schlaglicht auf Austers spätere Romane oder seine Filme. Das Talent für symbolkräftige Narrationen scheint in einer einzigen Passage durch, in der von einem Arktisforscher berichtet wird, dessen Iglu sich durch den an den Wänden festfrierenden eigenen Atem bedrohlich verengt. Im übrigen sind die Gedichte mit etwas Phantasie durchaus auch als Requisiten in Austers Film "Smoke" vorstellbar: ganz unten in der Schreibtischschublade des fiktiven Schriftstellers Paul Benjamin, der dem kleinen Tabakladen an der Ecke tagtäglich seinen Besuch abstattet.

ANDREAS ROSENFELDER

Paul Auster: "Vom Verschwinden/Disappearances". Gedichte/Poems. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Werner Schmitz. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2001. 219 S., br., 25,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schön ironisch macht sich Andreas Rosenfelder über die frühen Gedichte von Paul Auster her: "Das ist Lyrik, keine Frage", bekundet er gleich im ersten Satz seiner Rezension. Denn die Worte Austers haben Gewicht, sind erdenschwer, und seine Gedichte nach Rosenfelders Meinung schlichtweg überladen. Das liegt daran, meint der Rezensent, dass sich Auster eine Schubkarre poetologischen Urgesteins geschnappt und dieses archaisch anmutende Vokabular nach dem Baukastenprinzip über die Wortfelder gestreut hat . Nacht, Sterne, einsam, Erde, feucht, warm - so lauten die Schlüsselwörter aus der Zeit des "armen Poeten", denn ein Großteil der Gedichte entstand in Frankreich, wo sich der damals unbekannte Autor mehr schlecht als recht durchs Leben schlug. "Soviel Kontakt zwischen Sein und Sprache war selten", merkt Rosenfelder sarkastisch dazu an. Hinweise auf die narrative Kraft des Autors in späterer Zeit ergäben sich kaum. Für den Rezensenten gehören die Gedichte dorthin, wo sie Jahrzehnte lagen: in die Schublade.

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