Gebundener Preis 16,90 €**

Als Mängelexemplar:
7,99 €
inkl. MwSt.
**Frühere Preisbindung aufgehoben

Sofort lieferbar
payback
4 °P sammeln

minimale äußerliche Macken und Stempel, einwandfreies Innenleben. Schnell sein! Nur begrenzt verfügbar. Lieferung nur solange der Vorrat reicht!
  • Gebundenes Buch

TUSITALA: Auf dem Schiff, mit dem der niederländische Admiral Roggeveen 1721 aufbrach, um das Südland zu finden, reist der schottische Arzt Dr. Clark mit Freunden und Verwandten des Dichters nach Samoa, er will Robert Louis Stevenson besuchen. Ereignisse des 19. und des 18. Jahrhunderts spiegeln sich geheimnisvoll ineinander. TORNIAMO A ROMA: Winckelmann in Italien. Auf dem Vesuv "brieten wir Tauben an dem feurigen Flusse und nahmen unsere Abendmahlzeit nackt ein". CONCERT SPIRITUEL: "Stationen im Leben des Komponisten Antonio Rosetti - sein Requiem wurde bei der Trauerfeier für Mozart in Prag…mehr

Produktbeschreibung
TUSITALA: Auf dem Schiff, mit dem der niederländische Admiral Roggeveen 1721 aufbrach,
um das Südland zu finden, reist der schottische Arzt Dr. Clark mit Freunden und Verwandten
des Dichters nach Samoa, er will Robert Louis Stevenson besuchen. Ereignisse des 19. und des 18. Jahrhunderts spiegeln sich geheimnisvoll ineinander. TORNIAMO A ROMA: Winckelmann in Italien. Auf dem Vesuv "brieten wir Tauben an dem feurigen Flusse und nahmen unsere Abendmahlzeit nackt ein". CONCERT SPIRITUEL: "Stationen im Leben des Komponisten Antonio Rosetti - sein Requiem wurde bei der Trauerfeier für Mozart in Prag aufgeführt - in Wallerstein, Ludwigslust und leider nur beinahe in Berlin."
Die drei Erzählungen gehen ohne Sentimentalität und falsches Tremolo auf das Ende dreier Leben zu. Schädlichs Stil ist fast noch konziser geworden, kein Prunk, kein falscher Schmuck, kein Kokettieren mit dem Leser - klare, gute Sprache. Kein Zweifel, Schädlich ist einer der wichtigsten heute schreibendendeutschen Autoren.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Schädlich, Hans JoachimHans Joachim Schädlich, 1935 in Reichenbach im Vogtland geboren, arbeitete an der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin, bevor er 1977 in die Bundesrepublik übersiedelte. Für sein Werk bekam er viele Auszeichnungen, u. a. den Heinrich-Böll-Preis, Hans-Sahl-Preis, Kleist-Preis, Schiller-Gedächtnispreis, Lessing-Preis, Bremer Literaturpreis, Berliner Literaturpreis und Joseph-Breitbach-Preis. 2014 erhielt er für seine schriftstellerische Leistung und sein politisches Engagement das Bundesverdienstkreuz. Hans Joachim Schädlich lebt in Berlin.
Rezensionen
Eine Wieder-Entdeckungsreise

Knapper Stil, große Kunst: Hans Joachim Schädlichs Erzählungsband „Vorbei”

Scheint das Glück nah, steht Wunscherfüllung bevor, und glaubt man wenigstens zu wissen, wie man leben sollte, dann ist es meist zu spät und man muss gehen. Kalendersprüche, Schlagerverse und kitschig-komische Geschichten berichten davon. In der Braut, die vor dem Altar verstirbt, wie im Bettler, der in dem Augenblick, da er im Lotto gewann, einem Herzinfarkt erliegt, erkennen wir Bilder der conditio humana. Aber sie taugen nicht viel, sind zu grob und zugleich zu saftig. Nur sentimentale Gemüter oder larmoyante Köpfe erfreuen sich an derlei Schicksalsschlägen in pompöser Kostümierung. Sie sind für schwache Stunden. Literatur aber, die in bester Kitschvermeidungsabsicht über solche Erfahrungen schweigt, wird läppisch, Journalismus, S-Bahn-Lektüre.

„Vorbei” heißt das neue Buch des großen Romanciers Hans Joachim Schädlich. Der Titel ruft den Tod als ewigen Refrain des Lebens ebenso herauf wie er an das Verfehlen des Ziels erinnert. Für diese drei Erzählungen gibt man leichten Herzens zwei Dutzend „spannender”, „abgründiger”, „unterhaltsamer”, „brillant geschriebener” Romane hin. Die erste handelt von einer Reise in die Südsee, die zweite vom bestialischsten Mord der deutschen Geistesgeschichte, die dritte vom Leben und Sterben des Komponisten Antonio Rosetti, dessen einstiger Ruhm zu Unrecht verblasste.

Prinzen kamen zu ihm nach Rom

Schädlichs Helden haben wirklich gelebt, manches von dem, was sie sagen, ist Briefen und Reiseberichten entnommen. So beliebt historische Miniaturen und historische Romane auch sind, so gefährlich bleibt es für einen Autor, aus Quellen zu zitieren, der Sprache vergangener Zeiten ihr Recht werden zu lassen. Er holt sich damit die Konkurrenz in den eigenen Text. Viele erliegen ihr oder suchen den Unterschied zu verkleistern, mal durch das Pathos der Einfühlung, mal durch einen pseudo-historischen Sprachgestus oder die Allzweckwaffe gegenwartsstolzer Ironie.

Daher nimmt der Leser gerade die zweite Erzählung, „Torniamo a Roma”, skeptisch, unwillig beinahe, zur Hand. Eigentlich kann das nur schief gehen. Über das Ende Johann Joachim Winckelmanns, der am 9. Juni 1768 in Triest niedergestochen wurde, sind wir durch Gerichtsakten gut informiert, deren Präzision wenig Raum für literarische Phantasie lässt. Die Briefe des ermordeten Kunsthistorikers gehören zum schönsten, was je auf deutsch geschrieben wurde, körnichte Sätze, die man sich von keinem neueren Skribenten verwässern lassen will.

Schädlich aber besteht die Konkurrenz, indem er seine Prosa vollständig in den Dienst der Mitteilung stellt. Winckelmann, als Schusterssohn in Stendal geboren, ist als „päpstlicher Antiquar, Gesellschafter des Kardinals Albani” eine europäische Berühmtheit. Friedrich II. ruft ihn nach Berlin, aber man kann sich über das Gehalt nicht einigen. Schädlich braucht nur wenige Worte, um ein Bild der Lage zu entwerfen: „Zu seinen eigenen Studien kam Winckelmann kaum. Der Ärger über die Berliner Absage verflog. Er war nicht zu seiner Majestät nach Berlin gegangen. Durchlauchtige deutsche Prinzen kamen zu ihm nach Rom.” So berichtet, wer seiner Geschichte vertraut, wer sie nicht anpreisen muss und daher auf jeden Halt im Meinungshaften, auf werbende Effekte verzichten kann. Verstand und Einbildungskraft des Lesers erhalten auf diese Weise Freiraum und Material genug. Er steht vor dem Geschriebenen wie vor einer zweiten Wirklichkeit, die Sinn verspricht, aber auf die Frage „Wozu?” doch schweigt.

Viele Freunde des Antiquars werden in der Erzählung erwähnt, „sogar Lamprecht”, der Schüler, den Winckelmann aussichtslos liebte, ohne auf seine Werbungen aus Rom auch nur eine Antwort zu erhalten. Winckelmann reiste 1768 dann doch nach Deutschland, auch um Freunde zu treffen, kehrte aber, „von Schwermut befallen”, bald wieder um, und begegnete auf der Rückreise seinem Mörder Arcangeli. Dieser gestand die Tat und versuchte einen Teil der Schuld auf den Ermordeten abzuwälzen. Winckelmann habe seine Habgier geweckt, als er ihm wertvolle Münzen, Geschenke der Kaiserin Maria Theresia, zeigte, „und Freundschaft mit mir geschlossen hat”.

Der als Genie der Freundschaft galt, ihrer fähig und bedürftig, fiel eben dieser Gabe zum Opfer. Man kann solche Vermutungen anstellen, um den Schrecken zu domestizieren. Schädlich erzählt lediglich, was gewesen. Er zieht den Leser sanft in das Geschehen hinein und meidet Wertungen. Er betreibt eine Kunst, die nicht überreden will.

„Concert spirituel” liest sich wie eine knappe Schilderung aus dem Leben des Musikers Antonio Rosetti, der 1773 beim Fürsten zu Öttingen-Wallerstein angestellt wird, nach einer Paris-Reise zu einem der beliebtesten Komponisten avancierte, der besseren Bezahlung wegen nach Ludwigslust ging, schließlich ein verlockendes Angebot des preußischen Königs, Friedrich Wilhelms II. erhielt und vor dem Gipfel seiner Karriere verstarb: „Am 27. Juni mochte Rosetti nicht mehr essen. Am 28. Juni mochte Rosetti nicht mehr trinken. Am 29. Juni sagte er leise: ,Gott hat mich geschlagen. Die Anfälle bringen mich um den Sinn meines Lebens.’ Am 30. Juni morgens, drehte er sich zur Wand. Um sieben Uhr abends wurde ihm ums Herz leicht.”

Das ist zweifelsohne ein Schicksal aus dem 18. Jahrhundert. Wie unbequem, beschwerlich das Reisen in der Kutsche war, wird ausführlich beschrieben. Dennoch schwindet der Unterschied zwischen den Zeiten.

Zu spät in der Südsee

In der ersten seiner drei Meistererzählungen lässt Schädlich eine seltsame Gruppe in die Südsee aufbrechen, um dort Robert Louis Stevenson zu besuchen, der von den Einheimischen „Tusitala”, Geschichtenerzähler, genannt wird. Zu den Reisenden gehören der Arzt Dr. Clark, aber auch Carl Friedrich Behrens, der nur in der Traumzeit Literatur 1894 noch verreisen konnte, hatte er doch 1722 bereits die Osterinsel betreten. Man fährt auf dem Segelschiff, das damals die große Entdeckungsfahrt unternommen hatte. Die Gäste des 19. Jahrhunderts hadern mit den Sitten des 18. und kommen obendrein zu spät. Stevenson ist verstorben, als sie endlich ihren Bestimmungsort erreichen. Nun haben sie dort nichts mehr zu tun. Vergeblich, vorbei.

Literatur hat viele Konkurrenten, die gleichfalls versprechen, die Wirklichkeit des Menschen zu zeigen: Geschichtsschreibung, andere Künste, Journalismus, die Fülle der Bilder. Schädlich nimmt diesen Wettkampf auf und besteht in ihm durch Askese, durch den kunstvollen Verzicht aufs Üppige, „Künstlerische”. Er inszeniert „Wieder-Entdeckungsreisen”, erobert längst Beschriebenes, Gedeutetes zurück. Es wird wieder aufregend: „,Ach, wissen Sie’”, beginnt der Band, „Erzählen Sie doch nichts. Was verstehen Sie davon. Ich ein Abenteurer?” Der Tod ist die Grenze allen Sinns, aber nicht des Erzählens. JENS BISKY

HANS JOACHIM SCHÄDLICH: Vorbei. Drei Erzählungen. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. 160 Seiten, 16,90 Euro.

Robert Louis Stevenson (rechts) 1889 in Samoa Foto: Getty Images

SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH

…mehr