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Was wissen wir eigentlich darüber, wie Tiere empfinden und handeln? Wie finden zum Beispiel Graugänse ihren Weg nach Afrika und wieder zurück nach Lappland? Wie finden Lachse ihre Laichplätze? Eichhörnchen ihre versteckten Wintervorräte? Hunde ihren vor Wochen verbuddelten Knochen? Tiere vollbringen die erstaunlichsten geistigen Leistungen, ob wir sie nun "Denken" nennen oder nicht. Der Wissenschaftsjournalist Stephen Budiansky geht den eindrucksvollen Phänomenen tierlicher Intelligenz auf den Grund. Er räumt auf mit allen Verniedlichungen und Vermenschlichungen und präsentiert uns die…mehr

Produktbeschreibung
Was wissen wir eigentlich darüber, wie Tiere empfinden und handeln? Wie finden zum Beispiel Graugänse ihren Weg nach Afrika und wieder zurück nach Lappland? Wie finden Lachse ihre Laichplätze? Eichhörnchen ihre versteckten Wintervorräte? Hunde ihren vor Wochen verbuddelten Knochen? Tiere vollbringen die erstaunlichsten geistigen Leistungen, ob wir sie nun "Denken" nennen oder nicht. Der Wissenschaftsjournalist Stephen Budiansky geht den eindrucksvollen Phänomenen tierlicher Intelligenz auf den Grund.
Er räumt auf mit allen Verniedlichungen und Vermenschlichungen und präsentiert uns die faszinierenden Experimente und Resultate der modernen Kognitionspsychologie. Unser Staunen nimmt kein Ende. Plötzlich können wir uns in die Universen einer Fledermaus oder eines Delphins hineinversetzen - und beweisen damit die einzigartige Fähigkeit des Homo sapiens, nämlich sich Gedanken zu machen über das, was andere Lebewesen denken.
Autorenporträt
Stephen Budiansky Stephen Budiansky, Journalist und Buchautor, gehörte lange Zeit zur Redaktion der Zeitschrift Nature, ehe er zu The Atlantic Monthly überwechselte. Er lebt in Leesburg, Virginia. Seine bekanntesten Buchveröffentlichungen sind "Covenant of the Wild", "Nature's Keepers", "The Nature of Horses" und "The Truth About Dogs".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2003

Ihr Pferd, Madame, hat eine Eins in Mathe
Stephen Budiansky, ein selten schlauer Fuchs, weiß wie die anderen Tiere denken
Pferde sind bisweilen arg konservativ. Wenn es nach ihnen ginge, müsste ringsum alles beim Alten bleiben. Wird ein neuer Briefkasten aufgehängt oder ein Sonnenschirm aufgespannt, so verharren sie mitunter wie angewurzelt, äugen und schnauben, spitzen die Ohren und machen dann einen Bogen um das verdächtige Objekt. Stephen Budiansky weiß aus leidvoller Erfahrung, was ihn am Tag der Müllabfuhr erwartet, „wenn an den Einmündungen der diversen Zufahrtswege die Mülltonnen auftauchen und mein Reittier im Schlingerkurs mal auf die eine Straßenseite, mal auf die andere Straßenseite ausweicht”. Solch ein Ausritt kostet Nerven. Doch ist das Pferd deshalb ein dummes Tier? Ganz im Gegenteil, meint der Autor. Schließlich muss es über seine Umgebung genau im Bilde sein und unzählige Details in seinem Gedächtnis gespeichert haben sonst könnte es nicht an Kleinigkeiten Anstoß nehmen. Für diese an sich beachtliche Leistung erntet es wenig Anerkennung. Dass es in vertrautem Gelände zielsicher seinen Weg findet, scheint selbstverständlich.
Um uns zu beeindrucken, müssen Tiere uns überflügeln, so wie die Brieftauben, die auch dann zuverlässig heimfinden, wenn sie auf völlig fremdes Terrain verschleppt wurden. Wir Menschen neigen nun einmal dazu, Tiere nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen und sie dabei unwillkürlich zu vermenschlichen. Auch Wissenschaftler sind nicht völlig dagegen gefeit. Doch wer herausfinden will, wie Tiere tatsächlich denken, muss ihnen vorurteilsfrei begegnen. Für den Autor steht das außer Frage.
Als klassische Warnung für Leichtgläubige darf der „Kluge Hans” nicht fehlen. Anfang des vorigen Jahrhunderts machte in Berlin ein Pferd dieses Namens Schlagzeilen. Mit viel Geduld unterrichtet, schien es seine Lektionen gründlich gelernt zu haben. Zur Verblüffung des Publikums konnte es sogar Rechenaufgaben wie 153:9 oder 84:12 bewältigen: Nach der ersten Frage scharrte es 17 mal mit einem Vorderhuf, nach der zweiten nur 7 mal. Dabei war offenbar kein Betrug im Spiel, denn das Tier antwortete anderen Personen ebenso bereitwillig wie seinem Lehrer. Schließlich fühlte sich die Preußische Akademie der Wissenschaften bemüßigt, der Sache auf den Grund zu gehen. Es stellte sich heraus, dass das gelehrte Pferd wirklich über erstaunliche Fähigkeiten verfügte, allerdings nicht in Mathematik. Wenn keiner der Anwesenden die richtige Lösung wusste, musste es passen. Andernfalls verrieten ihm auch skeptische Prüfer unwissentlich, wann es mit dem Hufescharren genug war. Anscheinend hatte das Tier gelernt, auf subtile Veränderungen von Mimik und Körperhaltung zu achten.
Diese phänomenale Beobachtungsgabe lässt sich als Anpassung im Laufe der Evolution verstehen. Als Herdentiere leben Pferde in Gemeinschaften, die ihnen ein differenziertes Sozialverhalten abverlangen. Dass sie für unscheinbare Signale empfänglich sind, erspart ihnen unnötige Konflikte mit ihresgleichen und lässt sie Gefahr im Verzug rechtzeitig erkennen. Auf der anderen Seite mussten auch Raubtiere, die im Rudel leben und gemeinsam auf Jagd gehen, eine ausgeprägte soziale Intelligenz entwickeln. Kein Wunder also, dass sich wilde Wölfe, aber auch ihre gezähmten Verwandten auf dem Sofakissen einschlägig talentiert zeigen. Wenn ein Hund auf Stimmungslagen vertrauter Menschen erstaunlich sensibel reagiert, heißt das noch lange nicht, dass er deren Gefühle nachempfinden kann. Solches Einfühlungsvermögen setzt voraus, sich seiner selbst bewusst zu sein. Und für diese Art von Bewusstsein sieht der Autor bei Hunden ebenso wenig Anhaltspunkte wie bei Pferden, Ratten und Hühnern.
Wie aber kommt es dann, dass Tiere oft so einsichtsvoll wirken oder sogar mit List und Tücke zu agieren scheinen? Budiansky hat dafür eine simple Erklärung: Da sich Vorteilhaftes langfristig durchsetzt, führt die Evolution gewöhnlich zu sehr vernünftigen, nicht selten sogar höchst raffinierten Ergebnissen. So etwa, wenn ein Regenpfeifer einen Fuchs von seinem Nest fortlockt, indem er einen gebrochenen Flügel vortäuscht. Während er diese Show abzieht, braucht ihm keineswegs bewusst zu werden, dass er damit seinen Nachwuchs retten kann. Dass Füchse stets auf leichte Beute aus sind und deshalb auf den alten Trick hereinfallen, braucht er ebenfalls nicht zu wissen. Ein genetisch verankertes Verhaltensprogramm tut es auch. Es muss allerdings so flexibel und durch Lernen ausbaufähig sein, dass es jeweils situationsgerecht inszeniert werden kann.
Und wie steht es um unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die großen Menschenaffen? Ob zumindest sie bisweilen eine Spur von Einsicht zeigen, ist unter Fachleuten umstritten. Der Autor bleibt skeptisch. Zwar deutet einiges darauf hin, dass Schimpansen, Gorillas und Orang Utans ihr eigenes Bild im Spiegel erkennen. Doch für die Fähigkeit, sich in die Situation eines anderen hineinzuversetzen, gibt es bislang keine restlos überzeugenden Belege. Vielmehr fällt auf, wie wenig Menschenaffen geneigt sind, voneinander zu lernen. Während Menschen einander von Kindesbeinen an genau auf die Finger schauen, zeigen sich Schimpansen meist desinteressiert. Vor ein Problem gestellt, suchen sie auf eigene Faust eine Lösung. Was sie so herausfinden, ist manchmal bemerkenswert pfiffig, macht aber nie in größerer Runde Schule. Bezeichnenderweise fehlen den Menschenaffen dazu auch die passenden Gesten. So eifrig sie mitunter gestikulieren, einen vielsagenden Fingerzeig können sie ihresgleichen nicht geben.
Wie Pferd und Regenpfeifer scheinen also auch die Schimpansen geistig in einer ganz anderen Welt zu leben als unsereins. Was nicht heißen soll, dass sie nicht auf ihre Weise intelligent sind. Es kommt bloß darauf an, was wir intelligent nennen. Wenn es um Sprachvermögen und mathematisches Verständnis geht, schneiden Tiere eher kläglich ab. Nach Ansicht des Autors macht es aber wenig Sinn, ihnen hartnäckig jene Fähigkeiten entlocken zu wollen, auf die wir Menschen uns besonders viel zugute halten: „Was geben wir uns nicht für Mühe, um nachzuweisen, dass Schimpansen oder Affen oder Hunde oder Katzen oder Ratten oder Hühner oder Fische oder Frösche uns im Denken und Fühlen ähnlich sind, aber was tun wir damit anderes, als ihr wirkliches Wesen zu diffamieren?”
In diesem Sinne will Budiansky seine Leser dazu anregen, sich mit andersartigen Denkweisen auseinanderzusetzen. Ebenso informativ wie unterhaltsam, gibt er einen profunden Einblick in die einschlägige Forschungslandschaft. Einst Redakteur der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature”, weiß er kontroverse Themen pointiert darzustellen. Schade nur, dass sein erfrischend lebendiger Stil bei der Übersetzung ins Deutsche etwas gelitten hat. Zuweilen stolpert man über umständliche Formulierungen und Wortungetüme wie „Hahnreitum”. Doch das nur am Rande. Wer gelegentlich über das Denken nachdenkt, findet auf jeden Fall eine lohnende Lektüre.
DIEMUT
KLÄRNER
STEPHEN BUDIANSKY: Wenn ein Löwe sprechen könnte. Die Intelligenz der Tiere. Deutsch von Kurt Neff. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 352 S., 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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