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Renée Lannegrand war 17 Jahre alt, als sie sich in den deutschen Soldaten Heinz Rosentretter verliebte. 1941 kam Tochter Mylène auf die Welt. Nach dem Ende der deutschen Besatzung wurde sie von ihren Nachbarn kahlgeschoren und als »Deutschen-Hure« durch den Ort getrieben. Ihre Tochter war fortan der »Deutschen-Bastard«. Erstmals haben Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz die Schicksale der 200.000 Kinder erforscht, die während der deutschen Besatzung in Frankreich geboren wurden und als »Kinder der Schande« aufwuchsen, oftmals gedemütigt, ausgeschlossen und stigmatisiert. Viele von ihnen wollen…mehr

Produktbeschreibung
Renée Lannegrand war 17 Jahre alt, als sie sich in den deutschen Soldaten Heinz Rosentretter verliebte. 1941 kam Tochter Mylène auf die Welt. Nach dem Ende der deutschen Besatzung wurde sie von ihren Nachbarn kahlgeschoren und als »Deutschen-Hure« durch den Ort getrieben. Ihre Tochter war fortan der »Deutschen-Bastard«. Erstmals haben Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz die Schicksale der 200.000 Kinder erforscht, die während der deutschen Besatzung in Frankreich geboren wurden und als »Kinder der Schande« aufwuchsen, oftmals gedemütigt, ausgeschlossen und stigmatisiert. Viele von ihnen wollen bis heute unerkannt bleiben. Zur Demütigung kam mit dem Älterwerden noch der dringende Wunsch, den Vater kennenzulernen - meist vergeblich. Mylène Lannegrand allerdings hatte Glück: Sie fand zwar nicht mehr ihren Vater, aber ihre Halbgeschwister in Köln und damit eine neue Familie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2005

Vorboten der Versöhnung
Kinder von Wehrmachtsangehörigen und französischen Frauen

Jean-Paul Picaper/Ludwig Norz: Die Kinder der Schande. Das tragische Schicksal deutscher Besatzungskinder in Frankreich. Aus dem Französischen von Michael Bayer. Piper Verlag, München 2005. 462 Seiten, 22,90 [Euro]

Die Geschichte heimlicher Liebe im nationalsozialistischen Europa ist noch nicht geschrieben. Man vermutet, daß es ein bis zwei Millionen "Deutschenkinder" auf unserem Kontinent gibt. Allein in Frankreich rechnet man mit zweihunderttausend von ihnen, also Sprößlingen deutscher Soldaten und junger französischer Frauen. Allerdings ist man auch hier auf Schätzungen angewiesen, weil sie oft verheimlicht, versteckt, verschwiegen wurden, abgeschoben zu Fremden, freigegeben zur Adoption. Erst jetzt, nach Jahrzehnten, ins Rentenalter gekommen, treten die Deutschenkinder aus dem Schatten der Verfemung, melden sich zaghaft zu Wort. Die Kriegskinder wollen, daß man ihnen ihre Geburt verzeiht und ihr Leben damit einen Sinn bekommt. Denn ihre lange verheimlichte doppelte Abstammung hat traumatische Folgen gehabt, die psychologische Hilfen, psychiatrische Behandlungen notwendig machten.

Niemand leugnet, daß deutsche Besatzer und ihre Helfer Greueltaten begangen haben. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Die deutschen Truppen benahmen sich nicht wie mittelalterliche Söldner oder wie die Rote Armee 1944/45 in Ostmitteleuropa. Im besetzten Frankreich wurden Vergewaltigungen von der Wehrmachtsjustiz schwer geahndet. Wer vom Kriegsgericht nach 1942 verurteilt wurde, kam in ein Strafbataillon an vorderster Linie der Ostfront, was fast gleichbedeutend war mit dem sicheren Tod. Es waren also überwiegend Kinder der Liebe, die in Frankreich das Licht der Welt erblickten. Bisher hat man die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges weithin lediglich als freiwillige oder unfreiwillige Teile einer mörderischen Kriegsmaschinerie betrachtet. Jetzt muß das Bild der Wehrmacht ergänzt werden. In Norwegen, den Niederlanden und Dänemark erlaubte ein Führererlaß den deutschen Soldaten sogar die Heirat mit einheimischen, also "nordischen" Frauen. In Frankreich hingegen waren solche Verbindungen deutscherseits prinzipiell verboten. Hitler sah in Frankreich nie einen potentiellen Verbündeten.

Das einfühlsame, bewegende Buch der beiden Autoren besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden einzelne Lebensschicksale ausführlich geschildert, herzzerreißende Lebensläufe abgehandelt. Der mindestens ebenso lesenswerte zweite Teil erörtert detailliert die verschiedenen Faktoren, die deutsch-französische Verbindungen nahelegten.

Eheschließungen im damaligen Frankreich gingen deutlich zurück. Zwei Millionen französische Männer waren gefallen, kriegsgefangen oder arbeiteten teils freiwillig, teils als Zwangsarbeiter in Deutschland. Auf der anderen Seite gab es die Deutschen im Lande. Sie wirkten jung und dynamisch, selbstbewußt, siegesgewiß, zumindest am Anfang der Besetzung. Sie waren besser ernährt, besser in Form, körperbewußter als die Franzosen. Seit dem 18. Jahrhundert lernte man in Deutschland schwimmen, Turnvater Jahn hatte Anfang des 19. Jahrhunderts Freude am Gruppenturnen unter freiem Himmel geweckt. Die Deutschen waren gut erzogen. Es gab sogar Nazibroschüren mit Anstands- und Höflichkeitsregeln, die besonders gegenüber besetzten Völkern in Westeuropa zu beachten waren. "Die Geschichte vom deutschen Offizier, der einer Dame die Ladentür aufhält oder einer alten Französin die Einkaufstasche trägt, ist beileibe keine Legende. Solche Gesten entstammten einer deutschen Höflichkeitskultur, die lange vor dem Dritten Reich entstanden war und leider im heutigen Deutschland weitgehend verlorengegangen ist."

Simone de Beauvoir, die weltgewandte Großstädterin, hat anschaulich geschildert, welch tiefen Eindruck die selbstbewußten, gutaussehenden und dabei höflichen jungen Deutschen in Paris machten. Um so mehr ahnt man, wie attraktiv diese jungen Deutschen auf dem damals noch langweiligen platten Lande gewirkt haben müssen. Die meisten Franzosen lebten Anfang der vierziger Jahre in einem weitgehend dörflich geprägten Land. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie rückständig seinerzeit die französische Provinz war - ohne fließendes Wasser, ohne Telefon, manchmal sogar ohne Elektrizität. In diese primitiven Lebensverhältnisse brachen die Deutschen wie ein Wirbelsturm ein, verbreiteten aber keine Schrecken. Man hatte ihnen mit großer Angst entgegengesehen, war nun aber überrascht, wie angenehm sie auftraten. Es kam, jedenfalls anfangs, zu einem erträglichen Nebeneinander von Besatzern und Besetzten, ja zu einer Art deutsch-französischer Symbiose.

Nach der Befreiung sah die Sache ganz anders aus. Jetzt galt als "horizontale Kollaboration", was eben noch heimliche Liebe gewesen war. Die betroffenen jungen Frauen fielen öffentlicher Verachtung anheim. Man schor ihnen die Köpfe kahl. Sie wurden durch die Straßen getrieben, oft nackt zur Schau gestellt. Ihre Kinder, die doch wirklich schuldlos waren, wurden mitbestraft. Sie wurden zwar nie formell verurteilt, blieben aber lebenslang mit einem Makel behaftet. Sie verstanden nicht, warum sie die Prügelknaben ihres Umfelds wurden, meinten aber lange, die schlechte Behandlung verdient zu haben. Erst viele Jahre später ebbten die Ressentiments ihnen gegenüber ab.

Bis zum heutigen Tage haben es die französische wie die deutsche Regierung versäumt, diesen Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ja sie öffentlich als Vorboten deutsch-französischer Versöhnung anzuerkennen.

ARNULF BARING

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.09.2005

Soldaten am Stadtbrunnen
Eine eigenwillige Studie über Besatzungskinder in Frankreich
Im Frühjahr stellte der saarländische Ministerpräsident und Kulturbeauftragte des Bundes für die deutsch-französischen Beziehungen, Peter Müller, gemeinsam mit dem (inzwischen abgelösten) französischen Erziehungsminister François Fillon die Vorbereitung eines gemeinsamen Geschichtsbuches für die Abiturienten beider Länder vor. Dieses „politisch, kulturell und didaktisch einzigartige Projekt” soll laut Jacques Chirac und Gerhard Schröder „den besonderen Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland” Ausdruck verleihen und „der Vermittlung und Wahrnehmung der Vergangenheit aus Sicht der jungen Deutschen und Franzosen im zusammenwachsenden Europa” dienen.
Fast zeitgleich zur Präsentation dieses prestigeträchtigen Projekts einer gemeinsamen deutsch-französischen Geschichtsschreibung erscheint hier zu Lande der Band „Die Kinder der Schande”, in dem eines der letzten Tabus der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg gelüftet wird: das Schicksal der Kinder, die aus Liebesbeziehungen zwischen französischen Frauen und deutschen Soldaten im besetzten Frankreich hervorgegangen sind.
Der ehemalige Deutschland-Korrespondent von Le Figaro, Jean-Paul Picaper, und sein deutscher Co-Autor Ludwig Norz betreten mit ihrem umfangreichen Band nicht nur ein bisher gänzlich vernachlässigtes Terrain der deutsch-französischen Geschichte. Sie haben sich auch - und dafür gebührt ihnen Dank - erstmals dem dramatischen persönlichen Schicksal der im Nachkriegs-Frankreich erheblichen Schikanen und rassistischer Verfolgung ausgesetzten „Deutsch-Bastarde” angenommen. Deren Anzahl beträgt nach Schätzungen etwa 200 000, von denen ein Großteil bis heute in der Anonymität lebt. Es geht also nicht nur um Geschichtsaufarbeitung, sondern mindestens ebenso sehr um eine Minderheit, deren politische und gesellschaftliche Anerkennung hinsichtlich der Europäischen Einigung wohl ein einzigartiges Symbol des oft zitierten gemeinsamen Geschichtsbewusstseins wäre.
In ihrem Pionier-Werk, das beim Erscheinen in Frankreich im vergangenen Jahr eine enorme Welle von Artikeln, Fernsehreportagen und -diskussionen auslöste, stellen die beiden Autoren zunächst anhand der Aussagen von Betroffenen zwölf Lebensgeschichten der Kriegskinder vor. Im zweiten Teil des Buches werden die Lebens- und Liebesbedingungen in Frankreich zu Zeiten der deutschen Besatzung behandelt und die politischen, gesellschaftlichen und historiografischen Versäumnisse der nachträglichen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels auf beiden Seiten des Rheins aufgezeigt.
Die Autoren verfolgen in ihrer Untersuchung nach eigenem Bekunden keinerlei wissenschaftliche Zielsetzung, sondern wollen vielmehr durch Aussagen von Betroffenen auf deren tragische Situation aufmerksam machen und sie ermutigen, neben ihrer französischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Trotz der „unvermeidlichen Begrenztheit und Relativität einer persönlichen Aussage und den Veränderungen, denen das Gedächtnis im Laufe der Zeit unterworfen ist”, unterlassen sie es dabei ausdrücklich, die Authentizität der Berichte zu überprüfen.
„Echte Liebe”
Dieses unkonventionelle Herangehen an einen derart schwierig rekonstruierbaren und noch immer stark von Emotionen geprägten geschichtlichen Kontext birgt in der Absicht, das Schicksal der Betroffenen möglichst anschaulich darzustellen, unausweichlich die Gefahr der Verallgemeinerung und Vereinfachung.
Immer wieder erliegt das Autorenduo denn auch der Versuchung, die Belastungen der Okkupation mit stellenweise naiv anmutenden Gemeinplätzen zu relativieren. Die durchaus berechtigte Absicht, dem in Deutschland von Schuldkomplexen geprägten Geschichtsbewusstsein eine Frankreich-kritische Sicht der Besatzungszeit und der damit einhergehenden Kollaboration entgegenzustellen, mündet bei Picaper und Norz so manches Mal in einer grotesken Idealisierung der deutschen Besatzer.
So wird die große Anziehungskraft, die die deutschen Soldaten auf französische Frauen ausübten, damit erklärt, dass sich die „Blüte der deutschen Jugend jung, sportlich, braun gebrannt und mit nacktem Oberkörper am Stadtbrunnen oder an der Dorftränke wuschen”, während die Franzosen, zum Großteil des Schwimmens und Fahrradfahrens nicht mächtig, dagegen hoffnungslos „antiquiert” und „rückständig” wirken mussten. Anhand der zwölf im Band vorgestellten Einzelschicksale versuchen die Autoren zudem nachzuweisen, dass die geschätzten 200 000 Beziehungen zwischen Deutschen und Französinnen während der Besatzungszeit „meistens auf echter Liebe” beruhten. Derartige Vermutungen mögen in Einzelfällen zutreffen, der geschichtlichen Aufarbeitung dienen sie aber kaum.
Picaper und Norz argumentieren wiederholt mit bloßen Annahmen, die die Überzeugungskraft ihrer an sich durchaus interessanten Ausführungen erheblich einschränkt. Gänzlich unerwähnt bleibt beispielsweise der durchaus reale persönliche Vorteil, den sowohl Französinnen als auch ihre deutschen Liebhaber aus einer intimen Beziehung mit dem Feind erst einmal ziehen konnten.
Die rigorose Verfolgung und unmenschliche Bestrafung der Frauen, die der „horizontalen Kollaboration” beschuldigt wurden, basierte in vielen Fällen auf haltloser Denunziation und diente im Nachkriegs-Frankreich vor allem zur Wiederherstellung einer Zukunftsperspektive der moralisch zerrütteten Nation. Trotzdem scheint es unangebracht, die französischen Frauen generell vom Verdacht der politischen Kollaboration und Manipulation auszunehmen.„Kinder der Schande” ist ein Zeugnis der tiefgreifenden und ernst gemeinten Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich und gleichzeitig ein Beweis, wie stark diese noch heute von Emotionen geprägt ist.
CORNELIUS WÜLLENKEMPER
JEAN-PAUL PICAPER / LUDWIG NORZ: Die Kinder der Schande. Piper, München 2005. 463 Seiten, 22,50 Euro.
Strahlende Soldaten, glückliche Kinder: Mit solchen Propaganda-Plakaten versuchte die deutsche Wehrmacht die Franzosen zu beeinflussen.
Foto: SZ-Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Cornelius Wüllemkemper bedankt sich bei Jean-Paul Picaper und Ludwig Norz für diesen umfangreichen Band, in dem sie "eines der letzten Tabus" deutsch-französischer Geschichtsaufarbeitung brechen und Kinder porträtieren, die aus Liebesbeziehungen zwischen deutschen Soldaten und französischen Frauen im besetzten Frankreich während des Zweiten Weltkriegs hervorgegangen sind. Die Autoren beleuchten nicht nur die damaligen Lebensumstände in Frankreich, sondern widmen sich vor allem zwölf Einzelschicksalen sogenannter "Kinder der Schande", und damit einer Minderheit, deren gesellschaftliche Anerkennung ein einzigartiges Zeichen des gemeinsamen Geschichtsbewusstseins wäre, lobt der Rezensent. Die unkonventionelle Herangehensweise der Autoren an diese Schicksale - sie dokumentieren Aussagen von Betroffenen, ohne sie auf Authenzität zu prüfen - sowie der Versuch, die deutschen Schuldkomplexe mit einer frankreichkritischen Sicht zu begegnen, lassen jedoch manchmal eine "groteske Idealisierung" der deutschen Besatzer zu, mahnt Wüllenkemper. Doch bis auf den nicht erwähnten "realen persönlichen Vorteil", den manche Frauen hinsichtlich der Besetzung aus einer solchen Beziehung zogen, vermisst Wüllenkemper nichts und liest hier ein "Zeugnis der tiefgreifenden und ernst gemeinten Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich", das beweist, wie sehr die Beziehung beider Länder von Emotionen geprägt ist.

© Perlentaucher Medien GmbH
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