Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 6,00 €
  • Gebundenes Buch

Nach nur einem Jahr Ehe hat Galia sich plötzlich von Ofer getrennt. Welches unaussprechliche Geheimnis verbirgt sich hinter dieser Entscheidung? Professor Rivlin, Ofers Vater, leidet mit seinem Sohn und beschließt, die ganze Wahrheit herauszufinden.
Natürlich, eine Ehe kann aus vielerlei Gründen scheitern, aber Jochanan Rivlin, Professor für Orientalistik in Haifa, ist davon überzeugt, daß sich hinter der Scheidung seines Sohnes ein unaussprechliches Geheimnis verbirgt. Sie liegt nun schon fünf Jahre zurück, aber Ofer leidet unverändert ... Was ist es, das ihn an Galia kettet, was hat…mehr

Produktbeschreibung
Nach nur einem Jahr Ehe hat Galia sich plötzlich von Ofer getrennt. Welches unaussprechliche Geheimnis verbirgt sich hinter dieser Entscheidung? Professor Rivlin, Ofers Vater, leidet mit seinem Sohn und beschließt, die ganze Wahrheit herauszufinden.
Natürlich, eine Ehe kann aus vielerlei Gründen scheitern, aber Jochanan Rivlin, Professor für Orientalistik in Haifa, ist davon überzeugt, daß sich hinter der Scheidung seines Sohnes ein unaussprechliches Geheimnis verbirgt. Sie liegt nun schon fünf Jahre zurück, aber Ofer leidet unverändert ... Was ist es, das ihn an Galia kettet, was hat seinen tiefen Schmerz ausgelöst? Entgegen allen vernünftigen Einwänden seiner Frau zermartert Rivlin sich das Hirn - bis der plötzliche Tod von Galias Vater ihm die Gelegenheit verschafft, wieder Kontakt zu ihr und ihrer Familie aufzunehmen.Und Rivlin beginnt seine klandestinen Besuche, die ihn auch zu Galias Schwester nach Jerusalem und in das vom Verstorbenen geleitete Hotel führen ... Am Ende sind es die beiden Araber Rasched und Fuad, die ihn der beinahe unfaßbaren Wahrheit näherbringen. Poetisch, voller Humor und meisterhafter Psychologie führt uns Jehoschua ins Innerste einer jüdischen Familie, die noch in der Hoffnung auf Frieden lebt.
Autorenporträt
Abraham B. Jehoschua, geboren 1936 in Jerusalem, ist einer der meistgelesenen und bedeutendsten Schriftsteller Israels. Als Professor für Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität von Haifa und als engagierter Verfechter der Aussöhnung zwischen Juden und Arabern nimmt er regelmäßig Gastprofessuren in den USA und in Europa wahr. Heute lebt er mit seiner Familie in Jerusalem.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2003

Scheherezades Hochzeit
Abraham B. Jehoschua befreit mit der Braut ein ganzes Land

In Ramallah, der Hauptstadt des palästinensischen Autonomiegebiets, hat man ein großes Lyrik- und Musikfest organisiert, für das arabische und israelische Künstler geladen und zu dem auch jüdische Zuschauer über die israelisch-palästinensische Grenze eingereist sind. Ein palästinensischer Exilschriftsteller tritt hier mit einer israelischen Übersetzerin arabischer Dichtung auf; junge Araber spielen die jüdische Legende vom Dybbuk; eine libanesische Sängerin, Nonne eines christlich-orthodoxen Ordens, versetzt mit "Gesängen des Orients" die Zuschauer in Ekstase. Das Fest ist eine mächtige Demonstration des Friedenswillens - eine schriftstellerische Vision, die man in den neunziger Jahren, an deren Ende Abraham B. Jehoschua seinen Roman "Die befreite Braut" zu schreiben begann, noch träumen konnte.

Heute droht die schmale Brücke zum Frieden einzustürzen. Terrorakte und Vergeltungsschläge schrauben sich hoch zu einer unendlichen Spirale der Gewalt. Das archaische Gesetz der Blutrache, von der Familie auf die Nation übertragen, hat längst wieder Kriegszustände geschaffen. Sind die dringlichen, wenn auch in Jehoschuas bisherigem Werk immer von Skepsis begleiteten Hoffnungen auf die Beruhigung des Palästina-Konflikts zu begraben?

Jehoschua, einer der bekanntesten israelischen Autoren, wurde noch, wie sein Landsmann Jakob Hessing zum sechzigsten Geburtstag schrieb (F.A.Z. vom 19. Dezember 1996), "vom Erlebnis der Gründerjahre" des israelischen Staates geprägt und ist, wie auch Amos Oz, ein Gegner der israelischen Siedlungspolitik. Nicht weniger konsequent verurteilt er das Wüten fanatischer Selbstmordattentäter. Doch ist er nicht bereit, sich einem blinden Freund-Feind-Denken zu überlassen. Die erdrückende Wucht der Tatsachen kann nicht die Frage nach den Ursachen verdrängen.

Im Roman projiziert der Autor, der Vergleichende Literaturwissenschaften an der Universität Haifa lehrt, eigene Haltungen auf seinen Protagonisten, den Professor für Nahost-Geschichte Jochanan Rivlin. Dessen neuere Forschungen konzentrieren sich auf die Konflikte im Ringen um die algerische nationale Identität zwischen 1930 und 1960. Die algerische Geschichte wird zu einem Modell, das palästinensische Probleme vielleicht besser verstehen hilft. Was kann - so lautet die Frage, die Rivlin nicht losläßt - die Mordzüge von algerischen Fundamentalisten der Islamischen Heilsfront in den Jahren seit 1991, die Massaker an algerischen Landsleuten (in einem selbständig gewordenen Land!) bewirkt haben? Sind es Nachwehen der Kränkungen und Demütigungen aus hundertsiebzigjähriger französischer Kolonialherrschaft? War der blutige Zusammenstoß von Berber-Pilgern und Reformisten der Salafiya-Bewegung im Oktober 1934 ein Vorzeichen für den Terror der neunziger Jahre? Sind die erbarmungslos abgeschlachteten Menschen noch Schatten- oder Phantasiebilder der Kolonialherren? Ein bißchen ironisiert werden die Fragen Rivlins durch seinen Lehrer und Vorgänger Tedeschi, der für die dreihundert Jahre zurückliegende Unterdrückung der Algerier die Türken, also ein Volk gleichfalls islamischer Religion, mitverantwortlich macht.

Weder ist Rivlin ein eingefleischter Gelehrter noch der Roman "Die befreite Braut" ein Professorenroman. Das Handlungsgewebe gleicht eher einem bunten orientalischen Teppich, als dessen auffälligster Faden das Thema einer scheiternden, genauer: gescheiterten Liebe hervortritt. Dieses stellt sich zunächst als die Wahrung eines Geheimnisses, dann als eine Folge vergeblicher Versuche, es zu lüften, und schließlich als Enthüllung dar.

Die Ehe von Rivlins Sohn Ofer mit Galia, der Tochter des Hotelbesitzers Jehuda Hendel, ist nach nur einem Jahr zerbrochen. Ofer begründet den Bruch mit einer Verdächtigung, die Galia als Ausgeburt seiner wilden Phantasie zurückweist. Beide sind an das gegenseitige Versprechen gebunden, Stillschweigen über den Verdacht zu bewahren. Galia heiratet einen weniger leidenschaftlichen Mann und erwartet bald darauf ein Kind. Mit seinem Sohn leidet Rivlin, den der fünf Jahre zurückliegende Fall nicht ruhen läßt. In gemessenen, die Spannung steigernden Abständen legt der Erzähler immer neue Spuren aus. Die Vermutung verdichtet sich, daß ein inzestuöses Verhältnis Anlaß der Ehescheidung war. Wie diese Vermutung sich bestätigt, allerdings in einer Galia entlastenden Weise, soll hier nicht verraten werden.

Keinen Anteil an der Klärung des Falles hat Rivlins Frau Chagit, obwohl ihr Beruf es erwarten ließe. Sie ist Richterin am Bezirksgericht, hochangesehen in Haifa, trotz ihres Muts zum Minderheitsvotum auch bei Kollegen. Die moderne Ehe, in der beide Partner berufstätig sind, erscheint hier als selbstverständlichste Dauerbeziehung und beweist ihre Haltbarkeit auch im Spiel des sexuellen Begehrens, Hinhaltens und Gewährens. Da gehört selbst eine leichte Reizbarkeit der Nerven, wie sie das Zusammenleben zweier berufstätiger Partner häufig mit sich bringt, zur Normalität. Allerdings zählt die Schilderung des ehelichen Kleinkriegs mit seinem gelegentlich ausufernden Dialoggeplänkel zu den schwächeren Abschnitten des Romans.

Im Kontakt mit den Studenten und Studentinnen muß sich Professor Rivlin mancher Ansinnen erwehren. Zumal Samaher, eine frühere Aktivistin des arabischen Studentenverbandes, streitet für den Abschluß des Magisterexamens auch mit den Waffen der Weiblichkeit, obwohl sie in festen, wenngleich nicht den besten Händen ist. Zu ihrer Hochzeit mit einem farblosen Bräutigam sind auch ihre Hochschullehrer eingeladen, und so machen sich Jochanan und Chagit Rivlin auf den Weg in ein arabisches Dorf in Galiläa. Mit der Hochzeit, die in Rivlin Erinnerungen an die Hochzeit des Sohns auslöst, setzt das Buch ein.

Dieser Romananfang führt in eine arabische Welt, in der für einen Moment die politischen Spannungen zwischen Juden und Palästinensern vergessen sind, sich in einer Atmosphäre der Gastfreundschaft aufgelöst haben. Rivlin ist benommen "vom Rauch des Hammels", von einer orientalischen Musik, die "danach strebte, in den wilden Rhythmus der auf jüdischen Hochzeiten üblichen Musik zu verfallen", von der Freundlichkeit der Brautmutter, die eine Parallelfeier ausschließlich für Frauen ausrichtet. Die schlitzohrige Samaher verkörpert, was Rivlin die "Verquickung von List und arabischer Wüstennaivität" nennt. Er gibt ihrem Drängen schließlich nach und überläßt ihr zur Auswertung eine Sammlung von Geschichten aus dem Nachlaß eines Jerusalemer Dozenten für arabische Sprache und Literatur, der bei dem Terroranschlag auf einen Bus ums Leben gekommen ist. Samaher dankt es ihm mit einem hochmütigen Brief. Die studentische Aktivistin kommt wieder zum Vorschein im Stolz auf den in der Sammlung bekundeten großen Geist der arabischen Nation. Die Ermordung des jüdischen Dozenten bagatellisiert sie als sein "Schicksal".

Aber von dem Zeitpunkt an, wo sie Übersetzungen der arabischen Geschichten bei Rivlin abliefert, hellt sich das Bild, das wir von ihr gewonnen haben, auf. Denn Samaher wird mit ihren Übertragungen, in die wohl manche Erfindung eingegangen sein mag, zur verkappten Erzählerin. Rivlin fällt auf, daß sich der Name der Hauptfigur in der "Geschichte von dem vergifteten Pferd" mit dem eines Helden aus "Tausendundeiner Nacht" deckt. In diesem Hinweis versteckt sich ein Signal des Autors. Denn die eingelagerten Erzählungen sind poetische Kernstücke, Binnenreime zum Endreim des Romans, und auf Samaher fällt ein Abglanz von Scheherezade.

Den Historiker Rivlin interessiert an den Erzählungen ihr zeitgeschichtlicher Dokumentations- und nicht etwa ihr literarischer Wert. Aber der Leser muß sich ihm hier keineswegs anschließen. Jehoschua verfährt hier subversiv, indem er die Neigung des Lesers gegen das Interesse seiner Hauptfigur lenkt. Und so darf der Leser unbeschwert den Erzählungen der modernen Scheherezade folgen, im "Märchen von dem schwebenden französischen Baby", in der "Geschichte vom einheimischen Fremden", einem Gegenentwurf zu Albert Camus' Novelle "Der Fremde", oder in der Erzählung "Der Tänzer und seine taube Mutter".

Mit seinem Buch "Die Manis" (1993) hat Jehoschua in der israelischen Literatur jenen großen Generationenroman nachgeliefert, für den in Deutschland Thomas Mann mit den "Buddenbrooks" und in England John Galsworthy mit der "Forsyte Saga" Modelle geschaffen haben. Allerdings schreitet der Erzähler die fünf Stufen der Generationenfolge rückwärts ab. In "Die Rückkehr aus Indien" (1996) hat Jehoschua der westlich-jüdischen die indische Kultur gegenübergestellt. Der im Original 2001 erschienene Roman "Die befreite Braut" setzt seine Marksteine nun in einem nach außen weltläufig gewordenen, im Innern und an den Grenzen von offenen und verborgenen Spannungen gefährdeten Israel. Jehoschua hält das Bewahrenswerte fest, Gastfreundschaft zwischen den Völkern, die wechselseitige Achtung vor Schabbat- und Ramadan-Geboten, die Offenheit für die Kultur und die Dichtung der verschiedenen Traditionen. Rückblickend auf die politischen Ereignisse wirkt dieser Roman wie ein Abgesang. Aber Politik muß, wenn sie die Literatur widerlegt, nicht unbedingt recht haben.

Moderne Lebenspraxis wird von Jehoschua nicht verteufelt, gerät aber ins ironische Visier, beispielsweise in Form der Cleverness einer Hotelmanagerin, die das riskante "over booking" betreibt und die Sehnsucht religiöser Amerikaner nach dem "Heiligen Land" als Wirtschaftsfaktor erkennt, sogar ihren Bruder als Agenten in die Vereinigten Staaten geschickt hat. Der Autor beherrscht die Mittel moderner diskontinuierlicher Erzählweise, strapaziert sie aber nicht, opfert die Überschaubarkeit nie dem Effekt. Wer sich in diesem großen Roman festgelesen hat, der scheut nicht das Leseabenteuer der sechshundertsiebzig Seiten - zumal Ruth Achlamas geschmeidige Übersetzung der Lektüre Fahrt gibt.

Abraham B. Jehoschua: "Die befreite Braut". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Ruth Achlama. Piper Verlag, München 2003. 672 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als "verworren-vielschichtige Geschichte" beschreibt die Rezensentin Stefana Sabin die Handlung dieses Romans - und je mehr wir erfahren, desto einleuchtender erscheint dieses Urteil. Im Zentrum steht Joschi Rivlin, israelischer Professor für Geschichte des Nahen Ostens, der sich mit der "mysteriösen" Hochzeit einer arabischen Studentin und zugleich mit der ebenso unerklärlichen Scheidung seines Sohnes konfrontiert sieht. Rivlin irrt durch Jerusalem und gelangt dann nach Dschenin, in die autonomen Gebiete. Dorthin bringt ihn Rasched, der wie ein Dybbuk, ein Geist, mal auftaucht, dann wieder verschwindet. Um jüdisch-arabische Annäherung geht es, ihre Möglichkeiten und ihre Schwierigkeiten - mit der Darstellung des Lebens in den autonomen Gebieten hat Jehoschua in Israel eine Kontroverse ausgelöst. Sabin aber würdigt vor allem den großartigen Autor, der die unterschiedlichsten "narrativen Möglichkeiten" auslote und sich weniger als der "israelische Faulkner" (wie die "New York Times" schrieb) denn als würdiger Schüler des Schriftstellers Samuel Josef Agnon erweise.

© Perlentaucher Medien GmbH