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Diese Schwestern sind eitel, geschwätzig, spitzfindig und neidisch, und doch vereint sie die immer gleiche Sorge um ein unbeschwertes Verhältnis und die heimliche Befürchtung, am Ende doch zu kurz zu kommen. Ironisch, boshaft und geistreich seziert Gabriele Wohmann, die "Virtuosin der Nabelschau", die Gefühle und Gedanken unter Schwestern.

Produktbeschreibung
Diese Schwestern sind eitel, geschwätzig, spitzfindig und neidisch, und doch vereint sie die immer gleiche Sorge um ein unbeschwertes Verhältnis und die heimliche Befürchtung, am Ende doch zu kurz zu kommen. Ironisch, boshaft und geistreich seziert Gabriele Wohmann, die "Virtuosin der Nabelschau", die Gefühle und Gedanken unter Schwestern.
Autorenporträt
Gabriele Wohmann, 1932 in Darmstadt geboren, gehörte zu den wichtigsten Schriftstellerinnen Deutschlands. Ihr umfangreiches Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. dem Bremer Literaturpreis und dem Hessischen Kulturpreis, und, sie erhielt das Große Bundesverdienstkreuz. Die Schriftstellerin verstarb im Juni 2015.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Albert von Schirnding bewundert Wohmann: 16 Geschichten über Schwestern, alle selbst ausgedacht. Wohmanns Thema sei dabei, wie die "facta bruta" - Krankheit, Tod - in die scheinbare Idylle des Familienlebens einbreche. Am besten findet der Rezensent Wohmanns böseste Erzählungen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.1999

Erhöhte Lebenstemperatur
Gabriele Wohmanns Erzählungen inspizieren Schwestern-Paare

Wenn es einen Literaturpreis für die kontinuierlichste Veröffentlichung von Erzählprosa gäbe, so gebührte er Gabriele Wohmann. Seit vier Jahrzehnten beliefert sie den Buchmarkt mit jener Regelmäßigkeit, mit der uns morgens die Zeitung gebracht wird. Zusammen ergeben die über fünfzig Bände ein Haus- und Familienmagazin, und wer darauf abonniert ist, besitzt eine Chronik deutschen Familienlebens seit 1950. Niemand hat mit sensibleren Ohren in die Häuser des wohl situierten Bürgertums gehorcht, niemand so genau das Tagesgeplapper und das gereizte Geplänkel und die im Hausrock daherkommende Akademikersprache protokolliert. Sie kennt sich aus im Ekel vor dem Fortpflanzungsakt der Schnecken, in den Schleckereien, die Konditoren für weibliche Leckermäuler bereithalten, und in den Animositäten am Frühstückstisch. Sie erspäht die Ursachen der Nadelstiche, der Florettgefechte und Grabenkämpfe. Sie ist die Geheimagentin der Literatur in den Produktionsstätten der Familienneurosen.

"Boshaft" hat man deshalb ihre Schreibweise genannt, doch ist dieses Etikett nicht nur abgegriffen, sondern längst widerlegt. Je mehr sich die Erzählerin alten Menschen zuwendet, desto milder wird sie. Etwas von jener Nachsicht, mit der die Leiterin eines Seniorenheims auf die Schrullen, Schussligkeiten und Macken der Heimbewohner blickt, mischt sich ins Erzählen. So im Roman "Bitte nicht sterben" (1993). Frauengeschichten waren und sind, neben Ehegeschichten, Gabriele Wohmanns Spezialität. "Frauengeschichten" sammelte der Band "Die Schönste im ganzen Land", Frauengeschichten sind naturgemäß auch die Erzählungen des neuen Bandes "Schwestern".

Zu Familiendramen kommt es nicht, jedenfalls zu keinen mit fatalem Ausgang. Schwerhörigkeit und Altersparkinson sind nicht das Ergebnis von Konflikten, sondern Begleiterscheinungen der fortgeschrittenen Jahre. Zur Konfliktbereinigung stehen die Psychotherapeuten bereit. Wie in der früheren Erzählprosa von Gabriele Wohmann sind Psychoanalyse und Psychotherapie auch Gegenstand der Satire. Die Veranstalter der Entspannungsseminare oder der Trommeltherapie illustrieren ein geistreiches Wort von Karl Kraus: Sie leiden selbst an der Krankheit, für deren Therapie sie sich mühen.

Am Meeresstrand liegen die unverheiratete Jutta und die Schwester Ute mit ihrem Baby. Tante Jutta sorgt sich um die spätere Neurose des Jungen; sie setzt zu kassandrahaften Beschwörungen an und packt ihr angelesenes Wissen aus, als die Mutter das "Wichtelmännchen" oder "Hummerschwänzchen" des Babys gestupst hat. In der Erzählung "Martha und Ottilie" erklären Neffe und Nichte den beiden alten Damen den neuesten Stand der Musiktherapie, die Entspannungsübungen mit nordafrikanischen Bongos im Rhythmus des indischen Tha-ka-tha-ka.

Skurrilitäten der Seniorenbetreuung werden nicht zum ersten Mal vorgeführt, und zum Pflichtpensum gehört es, angesichts läppischer Fernsehunterhaltung satirisch die Stirn zu runzeln. Aber eine der neuen Erzählungen wird doch zu einem Psychogramm, in dem Gabriele Wohmann virtuos auf den Punkt hin erzählt.

Zwei Schwestern im Seniorenheim haben sich im Fernsehen einen erotischen Film angesehen, in dem verrenkt und gestöhnt wird. Sie fühlen sich von ihren Exehemännern beobachtet und fragen sich, ob die Männer damals gewusst haben, was auf der Welt möglich ist. Einig sind sie sich, dass ihre Liebespraxis viel interessanter war als diese langweiligen "Nummern wie beim Kunstturnen". Aber dann verabreden sie sich wieder für die Fortsetzung der Reihe "Estelle, Teil 3". Ein wenig Voyeurismus wird ja erlaubt sein.

In der vielleicht schönsten Erzählung sind Schwestern nur Nebenfiguren. Eine fünfundneunzigjährige Mutter lässt sich von ihren schon alten Töchtern nicht zu einer Krebsuntersuchung drängen - aus Angst vor dem Ergebnis, aber auch aus Entschlossenheit, weiter über sich selbst zu verfügen. Erst als der Druck der Tochter aufgehört hat, fühlt sie sich befreit genug, die nötige Entscheidung zu treffen. Eine Fallstudie über die Bewahrung von Mündigkeit und Souveränität im Alter. Die Lesergemeinde Gabriele Wohmanns wird sich auch in diesem "Schwestern"- Buch zu Hause fühlen, in Geschichten, in denen dem Leser alles vertraut vorkommt und doch zugleich fremd. Dem kritischen Leser entgeht nicht der Wiederholungszwang, auch nicht der Systemzwang, dem sich die Autorin mit der Beschränkung auf Schwestern-Geschichten unterwirft.

WALTER HINCK.

Gabriele Wohmann: "Schwestern". Erzählungen. Piper Verlag, München 1999. 230 S., geb., 38,- Mark.

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