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Der Umgang mit dem Wald im 18. Jahrhundert wird oft vereinfacht dargestellt: Es herrscht das Bild von Landesherren vor, die mit klugen Forstgesetzen den Wald vor Übernutzung schützen wollten, aber einer uneinsichtigen Landbevölkerung gegenüberstanden, die mit ihrem Vieh und Brennholzbedarf die Baumbestände ruinierte. Ernst hinterfragt diese gängige Auffassung mit einer Fallstudie über Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd in den Mittelgebirgen Hunsrück und Eifel und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die existentielle Herausforderung der damaligen Zeit, die Waldentwicklung gesellschafts- und…mehr

Produktbeschreibung
Der Umgang mit dem Wald im 18. Jahrhundert wird oft vereinfacht dargestellt: Es herrscht das Bild von Landesherren vor, die mit klugen Forstgesetzen den Wald vor Übernutzung schützen wollten, aber einer uneinsichtigen Landbevölkerung gegenüberstanden, die mit ihrem Vieh und Brennholzbedarf die Baumbestände ruinierte. Ernst hinterfragt diese gängige Auffassung mit einer Fallstudie über Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd in den Mittelgebirgen Hunsrück und Eifel und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die existentielle Herausforderung der damaligen Zeit, die Waldentwicklung gesellschafts- und naturverträglich zu gestalten. Erstmalig erkennen wir dadurch das vielschichtige, multipolare Politik- und Konfliktfeld Waldentwicklung: Forstgesetze waren oft genug schlicht Ergebnis innerobrigkeitlicher Händel. Nachhaltigkeit und Holznot interessierten die Obrigkeit vornehmlich, um im Schatten dieser Begriffe die Waldbestände planmäßig "versilbern" zu können. Doch vor Gericht opponierte die Landbevölkerung kenntnis- und auch erfolgreich gegen dieses Doppelspiel. Damit kann Ernst beispielhaft für das Waldwesen die Wechselwirkungen zwischen Obrigkeit und Untertanen einerseits, Realität und Rhetorik andererseits herausarbeiten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2001

Und hinter tausend Wäldern keinen Baum
Im Dickicht der Dokumente: Christoph Ernst beschreibt die Forstentwicklung an der Mosel

Die Wälder auf den Bergen von Eifel und Hunsrück sind durch jahrhundertealte Forstwirtschaft geprägt. Zahlreiche schriftliche Quellen aus dem achtzehnten Jahrhundert dokumentieren die vielfältigen Versuche zur Waldgestaltung: Edikte, Gesetze, Rechnungsbücher, Prozeßakten. Der Historiker Christoph Ernst hat diese Dokumente in Archiven aufgespürt, ihren Inhalt erfaßt, die Texte geordnet, sie schließlich zur Basis einer umfassenden Studie zur Waldentwicklung an der Mosel gemacht. Nach grundlegenden Kapiteln geht er zunächst auf die Ziele der Waldentwicklung, dann auf deren Praxis, schließlich auf die Konfliktfälle ein, die sich zwischen den Waldnutzern ergaben.

Der Autor gliedert sein Buch nach Aussagen, die den Holzproduktionswald, den Landwirtschaftswald und den Jagdwald betreffen. Dieses Vorgehen mag sich aus den Themen der schriftlichen Quellen in den Archiven ergeben haben. In ihnen geht es meist um die Durchsetzung eines einzelnen Zieles der Waldentwicklung, entweder der Holzproduktion, der Jagd oder der Landwirtschaft. Aus Tabellen wird die Entwicklung der Holzpreise erkennbar; der Autor konnte eine nahezu lückenlose Serie von Forstkassenrechnungen aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts auswerten. Offenbar trieben die verschiedenen Waldnutzer die Holzpreise geschickt in die Höhe, indem sie angaben, Holz sei knapp, was der Realität nicht unbedingt entsprochen haben muß. Die Einteilung der Kapitel nach den verschiedenen Nutzungsabsichten ist vielleicht aus historischem Blickwinkel einleuchtend. Wer aber etwas über ein konkretes Waldgebiet, beispielsweise den Schwarzwälder Hochwald, erfahren will, muß sich sämtliche Details darüber mühsam im Buch zusammensuchen. Es gibt zwar ein Register, es ist aber unvollständig: Der Ort Kröv ist darin nur zweimal, im Text aber häufiger genannt, das oft erwähnte Kröver Reich taucht im Register nicht auf.

Ein weiterer Einwand: Das Kardinalproblem der damaligen Waldnutzung war, daß mehrere Formen der Waldnutzung auf der gleichen Fläche stattfinden sollten und sich die einzelnen Nutzer ständig in die Quere kamen. Daher wurden so viele Edikte zum Waldschutz erlassen, daher zogen Grundherren, Jäger und Bauern so oft vor Gericht, um Nutzungskonflikte zu lösen. Und daher sind in den Archiven derart viele Prozeßakten überliefert. Holzproduktionswälder, Landwirtschaftswälder und Jagdwälder gab es real nicht, sondern von ihnen war nur in schriftlichen Urkunden die Rede. Es fehlt eine klare Definition, was der Autor unter Wald versteht. Ist dies eine Fläche mit hohen Bäumen oder lediglich ein Gebiet, in dem Bäume stehen sollen? Dies müßte man wissen, wenn man klären will, ob es im achtzehnten Jahrhundert wirklich an Holz mangelte oder ob man bei der Erwähnung des Holzmangels lediglich befürchtete, daß künftig kein Holz mehr verfügbar sein könnte.

Im Schlußkapitel schreibt Christoph Ernst: "Gerade die Frage der Konstruktion von Natur erlaubt es, ähnlich wie die Geschlechter- oder Nationalstaatskonstruktion, anschaulich-konkrete Auswirkungen der Konzeptionen zu ermitteln." Welchen Naturbegriff man auch immer zugrunde legen mag, man kann Natur nicht so konstruieren wie einen Nationalstaat. Wie die Wälder am Anfang der Entwicklung aussahen, wissen wir auch nach der Auswertung noch so vieler schriftlicher Urkunden nicht genau. Wir verdanken Christoph Ernst das mit großem Fleiß zusammengetragene Kompendium der Waldgeschichte in den Ländern an der Mosel. Aber was war der Wald, als die Entwicklung begann: Realität oder ein Wunschbild?

HANSJÖRG KÜSTER

Christoph Ernst: "Den Wald entwickeln". Ein Politik- und Konfliktfeld in Hunsrück und Eifel im 18. Jahrhundert. Oldenbourg Verlag, München 2000. 408 S., geb., 128,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht für jedes Informationsbedürfnis des Lesers sei die Arbeit des Historikers Christoph Ernst über die Waldentwicklung in Eifel und Hunsrück des 18. Jahrhunderts geeignet, schreibt Hansjörg Küster. Zwar sei die Einteilung nach drei Waldnutzungsarten (Holzproduktion, Landwirtschaft, Jagd) historisch einleuchtend, jedoch sei es nur schwer möglich, zielgerichtet bestimmte Waldregionen aufzufinden. Auch das Register helfe da nicht. Ein weiterer Mangel sei die fehlende Definition von Wald (Waldbestand oder freie Fläche?), die vermutlich auch das Problem der ständig prozessierenden Waldnutzer im 18. Jahrhundert gewesen sei. Die Arbeit sei ein "mit großem Fleiß zusammengetragenes Kompendium", schreibt der Rezensent, aber ob der Wald vor zwei Jahrhunderten "Realität oder ein Wunschbild" war, bleibe offen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wir verdanken Christoph Ernst das mit großem Fleiß zusammengetragene Kompendium der Waldgeschichte in den Ländern an der Mosel."
Hansjörg Küster, in: FAZ 17.10.2001