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Wie Galileo Galilei und Graham Greene auf den Index kamen
Wie dachte ein Inquisitor? Wie wurde ein Verhör geführt? Funktionierte die Kontrolle der legendären Römischen Inquisition wirklich so reibungslos? Peter Godman erhielt bereits vor der offiziellen Öffnung Zugang zu den geheimen Archiven des Vatikans und zeichnet aufgrund seiner Funde ein neues Bild einer der mächtigsten Institutionen der katholischen Kirche. Eine Charakterstudie der Herren in violetter Seide und eine hoch spannende Analyse der Inquisitionspolitik auf der Basis unpublizierter Originaldokumente.
Rom 1998: Das
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Produktbeschreibung
Wie Galileo Galilei und Graham Greene auf den Index kamen

Wie dachte ein Inquisitor? Wie wurde ein Verhör geführt? Funktionierte die Kontrolle der legendären Römischen Inquisition wirklich so reibungslos? Peter Godman erhielt bereits vor der offiziellen Öffnung Zugang zu den geheimen Archiven des Vatikans und zeichnet aufgrund seiner Funde ein neues Bild einer der mächtigsten Institutionen der katholischen Kirche. Eine Charakterstudie der Herren in violetter Seide und eine hoch spannende Analyse der Inquisitionspolitik auf der Basis unpublizierter Originaldokumente.

Rom 1998: Das Geheimarchiv des Vatikans öffnet offiziell seine Tore - doch Peter Godman forscht bereits seit 1996 im Archiv der Römischen Inquisition und des Indexes der Verbotenen Bücher. Er ist der erste Wissenschaftler, der Einblick in 500 Jahre lang versiegelte Quellen hat, die hier zum ersten Mal veröffentlicht werden. Aufgrund seiner Funde beschreibt er die berüchtigste Institution Europas erstmals, wie sie wirklich war. Entgegen der landläufigen Vorstellung von einem straff organisierten Kontroll- und Zensurapparat herrschte Bürgerkrieg im Heiligen Offizium: Inquisitoren zensierten Päpste, Päpste verurteilten Kardinäle, und Zensierte setzten ihren Zensor auf den Index. Ein Prinzip, vor dem selbst die berühmtesten Opfer der Inquisition nicht gefeit waren.
Galileo Galilei, so weist Peter Godman nach, wurde nicht etwa wegen seines Weltbildes verurteilt. Darwin wurde von einem Mönch mit dem Bann belegt, welcher der englischen Sprache nicht mächtig war. Und auch die Werke Machiavellis und Voltaires, Descartes´, Kants und anderer Geistesgrößen vom Mittelalter bis zur Gegenwart fielen oft nur deshalb der Verdammnis anheim, weil in der Machtzentrale des Vatikans Willkür regierte.
Bis weit hinein ins 20. Jahrhundert zeigt Peter Godman, wie Inquisitoren und Zensoren wirklich dachten und arbeiteten: Eine Aufsehen erregende Studie, die uns zwingt, ein Stück Kirchen- und Kulturgeschichte umzuschreiben.

Autorenporträt
Peter Godman, geboren 1955 in Auckland, Neuseeland, ist nach Dozenturen in Oxford, Cambridge und Tübingen seit 2002 Professor für lateinische Philologie des Mittelalters und Geistesgeschichte an der Sapienzia in Rom. Obwohl bekennender Nichtgläubiger, bekam er bereits 1996 die Erlaubnis zur Recherche im Geheimarchiv des Vatikans. Peter Godman hat zahlreiche wissenschaftliche Bücher geschrieben, die international publiziert und ausgezeichnet wurden.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.07.2001

Leben auf dem Index
Peter Godman zeigt die unbekannte Seite der römisch-katholischen Inquisitionen
Der Tübinger Historiker Peter Godman durfte 1996 als einer der ersten in den Archiven der Heiligen Römischen Inquisition stöbern. Er fand dort nicht die Zeugnisse grausamer Folterknechte, sondern Menschliches, Allzumenschliches: eine Behörde, die ihrer Aufgabe eher schlecht als recht gewachsen war, mit all der Inkompetenz, dem Wirrwarr und den Intrigen, wie es wohl für Behörden allerorten typisch ist.
Wer sich Details über blutige Hexenprozesse erhofft, wird von Godmans Buch enttäuscht. Abgehackte Ohren und verbranntes Fleisch tauchen nur auf, als Godman versucht, die Psyche Francisco Peñas zu ergründen, eines Beraters des Heiligen Offiziums, der einen Leitfaden für Inquisitionsprozesse verfasste. Ansonsten geht es um Zensur, um die Erstellung und Pflege des berühmt- berüchtigten Index’ verbotener Bücher, mit dem die Inquisition Schaden vom Seelenheil der katholischen Schäfchen abzuwenden versuchte. Bücherzensur, Rationalität, Routine und Bürokratie sind Godman zufolge typisch für die Römische Inquisition. Doch anders als Sisyphos muss man sich die Inquisitoren bei dem aussichtslosen Job, mit der Flut der Neuerscheinungen Schritt zu halten, nicht glücklich, sondern ratlos, überarbeitet und frustriert vorstellen.
Peter Godman will die Inquisitoren verstehen, sich in ihre Lage versetzen. Er will wissen, was das für Menschen waren. „Wir sind der Inquisitor. Peñas Werk liegt griffbereit. Seine Anweisungen haben wir uns eingeprägt und werden uns daran halten.” Es ist zu billig, meint er, von der heutigen Warte aus die Inquisitoren in Grund und Boden zu verdammen – dies verbaut nur die Möglichkeit zu verstehen. An Bruno und Galilei, den prominentesten Opfern, will er aufzeigen, wie wenig die Stereotypen des Antiklerikalismus dem historischen Geschehen gerecht werden. Bruno wurde verbrannt, weil er auf seinen Ansichten beharrte, Galilei wurde nicht wegen seiner Ansichten verurteilt, sondern weil er bei falscher Stelle um Druckerlaubnis bat und damit den Papst düpierte.
Zweifellos hat die Inquisition gefoltert, physisch wie psychisch, doch so schlimm, wie das Klischee es will, war sie nicht. Jedenfalls nicht die römische, 1542 gegründete Inquisition, deren Nachfolger die heutige Glaubenskongregation ist. Von der mittelalterlichen und der spanischen Inquisition handelt Godman nicht. Das römische Inquisitionsverfahren „war unvollkommen, ungerecht und bisweilen ebenso brutal wie die anderen damaligen Rechtssysteme, aber es bewahrte ein Gespür für die Würde des Angeklagten und für die Unzulänglichkeiten des eigenen Prozedere”. Denk an den angstgepeinigten Angeklagten! heißt es sogar im Leitfaden des von Folterstrafen so faszinierten Peña.
Viele Beschuldigte, so Godman, zogen ein Inquisitionsgericht der weltlichen Gerichtsbarkeit vor. Ein Rechtsbeistand wurde garantiert, anonyme Denunziation war nicht zulässig, und Inquisitoren, die es nicht so genau nahmen, fand man auf den gefürchteten päpstlichen Galeeren wieder. In den Gefängnissen der Inquisition gab es Verpflegung, zweimal in der Woche neue Bettwäsche und einmal im Monat Besuch vom Inquisitor. Die lebenslängliche Haftstrafe dauerte drei Jahre, vorausgesetzt, man zeigte Reue.
Natürlich blieb für alle Betroffenen das ganze Verfahren undurchsichtig und sehr verwirrend. Der Inquisitor dachte in überzeitlichen Kategorien, individuelle Schicksale interessierten ihn nicht. Seine Welt bevölkerten ketzerische Arianer und Pelagianer, spätantike Bewegungen, von denen kaum ein Bauer aus der Provinz jemals gehört haben dürfte.
Deutsch für Zensoren
Italienisch war zumeist die einzige moderne Sprache, derer die Inquisitoren mächtig waren. Leider ließ es sich nicht verhindern, dass sich im Laufe der Zeit die eigenen Schäfchen wie die protestantischen Ketzer in ihren Publikationen mehr und mehr der Landessprachen bedienten. „Ich habe ein Problem”, zitiert Godman einen Zensor, „die Bücher hier sind ketzerisch, aber entweder sind sie auf Deutsch geschrieben, sodass ich sie nicht lesen kann, oder sie stehen auf dem Index, sodass ich sie nicht lesen darf.”
Das machte den Index nicht eben zu einem konsistenten und überzeugenden Werk. Da wurden Werke verboten, die in den Universitäten als Lehrbücher dienten und für die es keinen Ersatz gab, dieselben Texte wurden mehrfach in unterschiedlichen Kategorien aufgeführt, weil sie mal von einem liberalen, mal von einem strengen Zensor gelesen wurden, und Übersetzungen entstellten den Namen des Autors und den Titel oft derart, dass man das Werk nur durch Zufall finden konnte.
Godman erzählt die Geschichte der Indexkongregation bis zur Verurteilung von Graham Greenes Roman „Die Kraft und die Herrlichkeit”, der zwar tiefe Frömmigkeit zum Thema hat, den Zensoren aber traurig, irritierend und widersprüchlich erschien. Die humanistischen Dichter fanden sich reihenweise auf dem Index, weil sie Liebesgedichte verfassten, in denen sie ihre Damen anbeteten! An Montesquieus „Persischen Briefen” missfiel den Zensoren die Stelle über Elefantenkot auf der Arche Noah. Descartes, Machiavelli, Kant, Voltaire, was Rang und Namen hatte, fand sich auf dem Index wieder. Die Indexkongregation trieb es so weit, dass die Indizierung außerhalb kirchlicher Kreise als Empfehlung für ein Buch galt.
Auch die andauernden Machtkämpfe in der Doppelspitze Papst/Inquisition in Sachen rechter Lehre machte das Unternehmen nicht konsequenter. Spätestens im 19. Jahrhundert hatten die Inquisitoren den Faden verloren – sie verstanden nicht mehr, was außerhalb der vatikanischen Mauern vor sich ging. Der Vatikan war, so Godman, zu einem geistigen Kerker geworden. 1917 wurde die Indexkongregation aufgelöst, ihre Aufgaben der Inquisitionsbehörde zugeschlagen. Diese verkündete 1966, inzwischen unter dem Namen Glaubenskongregation, der Index habe für die Gläubigen keine Rechtskraft mehr.
Godmans Buch ermöglicht einen Blick in eine Welt, die all unseren Vorstellungen zum Trotz immer noch eher unbekannt ist. Er beschreibt die große Politik der Neubesetzung des Heiligen Stuhls ebenso wie den Alltag der Inquisitoren und ihrer Helfer. Es ist eine interessante Geschichte – doch es ist die Geschichte einer trägen Behörde. Spannend ist weniger, was da geschah, als dass dieses so weit von dem abweicht, was man erwartet hat.
MANUELA LENZEN
PETER GODMAN: Die geheime Inquisition. Aus den verbotenen Archiven des Vatikans. List Verlag, München 2001. 400 Seiten, 44,90 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Spannend ist weniger, was da geschah, als dass dieses so weit von dem abweicht, was man erwartet hat." (Süddeutsche Zeitung)

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In gewisser Weise stellt diese Untersuchung, so in etwa der Tenor von Manuela Lenzens Rezension, eine Teil-Rehabilitation der von der römisch-katholischen Kirche 1542 gegründeten Inquisition dar. Der Autor hatte als einer der ersten Einblick in die Archive der Inquisition und was er fand, zeugt weniger von erbarmungslosem Vernichtungswillen als von heilloser Überforderung der Inquisitoren. Man muss sich, formuliert die Rezensentin, die Inquisitoren "ratlos, überarbeitet und frustriert" vorstellen. Godmans Untersuchung zeigt ein Mitgefühl, das die Objekte seiner Darstellung dann vielleicht doch nicht besaßen: er "will sich in ihre (d.i. der Inquisitoren) Lage versetzen". Immerhin jedoch findet sich im Leitfaden des der Folter an sich sehr zugetanen Francisco Pena auch die Aufforderung: "Denk an den angstgepeinigten Angeklagten!" Tatsächlich, habe Godman herausgefunden, war die Inquisition nicht selten weniger verhasst als die weltliche Gerichtsbarkeit. Ausführlich untersucht hat der Autor die Geschichte des Index verbotener Bücher, auch hier aber fanden sich offensichtlich in erster Linie Dokumente der Überforderung, die zu Inkonsistenzen in der Auswahl führten. Die Rezensentin findet das Buch "spannend" - und zwar vor allem, weil so manches Vorurteil enttäuscht wird.

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