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Eine editorische Meisterleistung: Joseph Roths Briefwechsel mit seinen niederländischen Exilverlagen nun komplett Von 1933-39 lebt Joseph Roth in Paris, Nizza und Wien, seine Bücher erscheinen jedoch in Amsterdam und Bilthoven. Der dank weltweiter Recherchen aufgefundene Briefwechsel zwischen Roth und seinen Verlegern in den Niederlanden dokumentiert die dramatischen Lebens- und Schreibumstände im Exil und eröffnet neue Zugänge zu Roths Leben und Werk.
Nach Hitlers Machtantritt war Joseph Roth (1894-1939) wie viele jüdische und linke Autoren zur Emigration gezwungen. In Frankreich, seinem
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Produktbeschreibung
Eine editorische Meisterleistung: Joseph Roths Briefwechsel mit seinen niederländischen Exilverlagen nun komplett Von 1933-39 lebt Joseph Roth in Paris, Nizza und Wien, seine Bücher erscheinen jedoch in Amsterdam und Bilthoven. Der dank weltweiter Recherchen aufgefundene Briefwechsel zwischen Roth und seinen Verlegern in den Niederlanden dokumentiert die dramatischen Lebens- und Schreibumstände im Exil und eröffnet neue Zugänge zu Roths Leben und Werk.

Nach Hitlers Machtantritt war Joseph Roth (1894-1939) wie viele jüdische und linke Autoren zur Emigration gezwungen. In Frankreich, seinem bevorzugten Exilland, gab es jedoch keine Verleger, die sein Werk auf Deutsch publizieren wollten. Drei niederländische Verlagshäuser hatten Exilverlage für in Deutschland unerwünschte Autoren gegründet. Ab Frühjahr 1933 erschienen Roths Werke bei Allert de Lange, im Querido Verlag und beim Verlag De Gemeenschap. Roths Korrespondenz mit Allert de Lange und Querido galt lange als verschollen. Teile fanden sich in New York oder haben eine Odyssee über Moskau und Potsdam hinter sich. Die nun vollständig edierten und sachkundig kommentierten Briefe zeugen von den widrigen Bedingungen, unter denen Roth Werke wie »Der Leviathan« und »Die Legende vom heiligen Trinker« schrieb. Und nicht nur Roth litt unter der sich verschlechternden politischen Lage. Auch seine Verleger hatten zahlreiche Probleme zu lösen: sei es durch die Behinderung des internationalen Zahlungsverkehrs, das stetig kleiner werdende Absatzgebiet und die Verlängerung der Transportwege.

Mit dieser Ausgabe liegt Roths Korrespondenz mit seinen niederländischen Verlagshäusern komplett vor. Die Briefe enthalten bislang unbekannte Fakten zur Entstehungsgeschichte, zur Verbreitung und Rezeption seines Werkes.
Autorenporträt
Joseph Roth wurde am 2. September 1894 als Sohn jüdischer Eltern in Brody (Ostgalizien) geboren, studierte Literaturwissenschaften in Wien und Lemberg und nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Ab 1916 veröffentlichte er Erzählungen und Romane, lebte ab 1918 als Journalist in Wien, dann Berlin, und war von 1923-1932 Korrespondent der Frankfurter Zeitung. Anfang der 1930er Jahre erlangte er mit den Romanen Hiob und Radetzkymarsch Weltruhm. 1933 emigrierte Roth nach Frankreich. Er starb am 27. Mai 1939, verarmt und alkoholkrank, im Pariser Exil und im Alter von nur 45 Jahren.

Madeleine Rietra, Dr. phil., studierte Germanistik und Geschichte in Amsterdam und Hamburg. Fachreferentin an der Koninklijke Bibliotheek, Den Haag. Gab u.a. 1993 Heinrich Manns Briefwechsel mit dem literarischen Agenten Barthold Fles heraus.

Rainer-Joachim Siegel, Diplom-Mathematiker, gab bei KiWi 1994 Joseph Roth. Unter den Bülowbogen. Prosa zur Zeit mit wieder entdeckten Texten von Roth heraus und veröffentlichte 1995 eine Joseph Roth-Bibliographie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2005

Ein Leben voller Vorschüsse
Joseph Roths Briefwechsel mit seinen Exilverlagen herauszubringen ist ja gut - aber es ginge besser

Es war auf einer Lesung, 1936, in einer Buchhandlung in Amsterdam. Joseph Roth sollte aus seinem Buch "Der Antichrist" lesen, seinem überstürzten, wirren, furiosen katholischen Abrechnungsbuch mit den Kräften der Moderne. Mitarbeiter des Verlages waren gekommen, zwanzig Journalisten und einiges Publikum. Roths entschlossener jüdisch-katholischer Konservativismus war im damaligen Holland populär. Doch Roth weigerte sich zunächst, die Lesung zu beginnen, da im Wasserkrug auf seinem Pult, entgegen den Vereinbarungen, Wasser war und nicht Genever. Gut, das ließ sich ändern, und Roth las also, und danach wurde die Stimmung prächtig. Man trank zusammen, Verleger und Journalisten wurden immer ausgelassener und tanzten nach einer Weile auf den Tischen. Joseph Roth saß dabei und sagte den ganzen Abend nur einen Satz: "Wer gibt mir Vorschüsse?"

Das Drama der letzten Jahre des großen österreichischen Dichters und Journalisten Joseph Roth ist oft beschrieben worden. Mitunter hat die von ihm selbst literarisch gestaltete Legende vom Heiligen Trinker schon etwas Kitschiges. Die Geschichte des armen Ostjuden vom äußersten Rand der Donaumonarchie, der zum besten und bestbezahlten Feuilletonisten der Weimarer Republik aufsteigt. Der all seine politischen Hoffnungen zunächst auf den Sozialismus und später auf die Monarchie projizierte. Der früher als alle anderen das Unglück Hitler kommen sah und kompromißloser als alle dagegen anschrieb. Und der sich im französischen Exil langsam aus dem Leben trank.

All das ist gut dokumentiert und oft geschrieben worden. Jetzt aber gibt es ein Buch, in dem das Drama Joseph Roths als Geschäftsbericht nachzulesen ist. Als großartig formulierter Geschäftsbericht, der, wie es sich für einen Text dieses Genres gehört, nur ein Thema kennt: Geld. Joseph Roths Briefwechsel mit den beiden holländischen Verlagen Querido und de Lange, die zur Zeit der Naziherrschaft in Deutschland eine deutsche Exilabteilung unterhielten und einige von Roths Büchern jener Zeit verlegten, ist ein weiteres Dokument dieses dramatischen Untergangs eines großen Dichters im Exil.

"Lieber teurer Freund, ich erwarte den Chec mit Ungeduld . . .", schreibt er an den Verlag de Lange im April 1933, und das ist Grundton und Ouvertüre von allem, was auf den nächsten zweihundert Buchseiten folgen wird. Sein letztes Telegramm, das er dem Verlag sechs Jahre später schickt, lautet: "cheque perdu annulez stop renvoyez nouveau". Der letzte Scheck, den er für sein literarisches Testament, die "Legende vom heiligen Trinker", in welcher der heruntergekommene Pariser Trinker Andreas auf wundersame Weise immer wieder große Summen Geldes findet, wann immer er wieder mal alles vertrunken oder verschenkt hat, dieser letzte Scheck verfehlte Joseph Roth. Vier Tage später war er tot. Gestorben an den Folgen eines Herzschlags, der ihn ereilte, als er in der Zeitung vom Selbstmord seines Freundes Ernst Toller gelesen hatte.

Zwischen diesen beiden Klagen um ausbleibende Schecks, der ersten und der letzten Zeile seiner Briefe, vollzieht sich das Drama des Untergangs Joseph Roths. Vieles in diesem Briefwechsel ist, ehrlich gesagt, auch langweilig und vor allem für Germanisten interessant und andere, die sich für Abrechnungsdetails in holländischen Exilverlagen interessieren. Aber vieles ist auch wieder phänomenal. Der Briefschreiber Joseph Roth ist ein phantastischer Beobachter und Selbstbeobachter. Dieser Mann ließ seinen Stil nie unbeaufsichtigt. Noch in der größten Verzweiflung und größten Trunkenheit ist seine Sprache klar und schön und elegant.

Diese Klarheit des Stils steht allerdings in diametralem Gegensatz zur Unklarheit im Geschäftlichen. Das Unglück Joseph Roths im Exil war zum großen Teil selbst verschuldet. Es ist so schrecklich mitzulesen, wie dieser Mann seinen eigenen Versprechungen immer gehetzter hinterherschreibt und in seiner Not ständig neue Versprechungen abgibt, neue Verträge unterschreibt, die die Not immer weiter vergrößern und eine Lösung vollkommen unmöglich machen. Da konnte auch sein Lebensfreund Stefan Zweig, der längst für Roth die Rolle des Finanziers, Agenten und gütigen Vaters übernommen hatte, nichts mehr ausrichten. Dabei stand es um Roth zu Anfang gar nicht so schlecht. Sein Verleger de Lange liebte ihn, weil er mit Roth so herrlich trinken konnte, und überwies ihm eine stattliche monatliche Rente, die unabhängig von Manuskripteingängen weitergezahlt wurde. Sein Kollege René Schickele hat ihn einmal einen Staubsauger genannt, weil Roth so große Vorschußsummen für ungeschriebene Romane erhielt, daß für die Kollegen kaum noch etwas übrigblieb. Doch de Lange starb im Alter von nur einundvierzig Jahren, und sein Nachfolger hatte nicht vor, sich weiter einen Staubsauger Roth zu leisten. Doch in aller Verzweiflung bewahrt sich Roth zumeist noch seinen Witz. Als ihn der Chef der deutschen Abteilung bei Querido, Fritz Landshoff, einmal wegen seiner unverschämten Forderungen brieflich scharf zurechtgewiesen hatte, antwortete Roth dem ernsthaft erkrankten Landshoff: "Lieber Herr Landshoff, ich bin sehr froh darüber, daß Sie bereits schimpfen können. Wir waren Alle sehr unruhig gewesen. Man hat Sie mehr lieb, als Sie wissen und als Sie - im gesunden Zustand - zu fühlen bekommen. Werden Sie baldigst gesund, daß ich auch mit Ihnen schimpfen darf."

Und gleich im nächsten Brief: "Fast beneide ich Sie um Ihre Krankheit. Ich wollte, ich könnte einmal mein Lob singen hören, wie Ihrs - jeden Tag. Schreiben Sie bald, daß es Ihnen gutgeht, damit ich nicht mehr gezwungen bin, Sie zu besingen."

Es gibt viele solche leuchtenden Stellen in dem Buch. Trotzdem ist es ein Buch für Überexperten und Roth-Freaks. Das liegt auch an den Herausgebern. Denn leider ist Joseph Roth unter die Germanisten gefallen. Ein unglaublich hölzern geschriebenes neunzigseitiges Vorwort entführt den Leser auf die entlegensten Pfade der Roth-Philologie. Vermerkt absatzweise alle erschienenen Rezensionen der einzelnen Werke, zitiert seitenlang Briefe, die im Briefteil ohnehin abgedruckt sind. Führt nicht ins Werk hinein, sondern direkt wieder hinaus. Ständig werden Sachverhalte wiederholt und verwirrt. Es ist schauderhaft, was um den Stilisten Roth da herumgeplaudert wird.

Außerdem ist es merkwürdig, daß der Verlag hier den siebzehnten Schritt vor dem ersten zu machen scheint: Die Briefe Joseph Roths sind ein phantastischer Schatz. Doch die wirklich interessanten, die aus der Zeit bei der "Frankfurter Zeitung" und die anderen wesentlichen Briefe, an Stefan Zweig, an Benno Reifenberg, an René Schickele, Klaus Mann und all die anderen, wurden vor fünfunddreißig Jahren in einer unglaublich schlampigen, verfälschenden, zensierten Ausgabe von Hermann Kesten herausgebracht. Diese, trotz aller Fehler, immer noch großartige Ausgabe ist seit vielen Jahren vergriffen. Die Briefe Roths sind heute nicht zugänglich.

Statt dieser teuren Spezialausgabe jener Nebenbriefe wäre der Verlag also gut beraten gewesen, wenn er endlich das Projekt einer umfassenden Briefausgabe, zumindest einer guten Auswahl, begonnen hätte. Es ist Zeit, diesen großen Schatz zu heben. Für uns alle.

VOLKER WEIDERMANN

Joseph Roth: "Geschäft ist Geschäft". Der Briefwechsel zwischen Joseph Roth und den Exilverlagen Allert de Lange und Querido. 1933-1939". Kiepenheuer und Witsch 2005. 590 Seiten, 34,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Tilmann Lahme kann gar nicht genug von Joseph Roth bekommen und begrüsst jede Zeile, die von diesem bedeutenden Schriftsteller veröffentlicht wird, So auch die hier nun vorgelegten Briefe Roths an seine Exilverleger, Fritz Landshoff (Querido) und Gerard de Lang (Allert des Lange), in denen der notorisch klamme (und in der Branche als "Staubsauger" berüchtigte) Roth dem Rezensenten zufolge energisch immer neue Vorschüsse für Bücher forderte, die allenfalls als flüchtige Ideen existierten. Amüsiert gibt Lahme einzelne taktische Verven des alkoholkranken Autors zu Protokoll und gibt Einblicke in die Dynamik der Beziehung Roths zu seinen Verlegern und einzelnen Schriftstellerkollegen, die sich ihm aus den Briefen erschlossen haben. Wenig Verständnis hat der Rezensent allerdings für die Herausgeber der Edition, die aus seiner Sicht weder Sinn für Autor und Material noch Sachverstand an den Tag gelegt haben. Das zeigt sich für ihn sowohl an der Gewichtung von Informationen in Vorwort und Anhang, wo Lahme mehr Nebensächliches als Relevantes fand, als auch an gelegentlichen "schulmeisterlichen" stilistischen Korrekturen der Briefe Roths.

© Perlentaucher Medien GmbH