Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2002Frühe Reisen
"Italien - Reisebilder" von Edith Wharton. Mit einem Nachwort von Hanns-Josef Ortheil. Insel-Taschenbuch 2731. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2001. 216 Seiten, zehn Farbfotos. Broschiert, 8 Euro. ISBN 3-458-34431-4.
Edith Wharton hatte bereits einen Band Kurzgeschichten, zwei Romane sowie ein Buch über italienische Villen und ihre Gärten publiziert, als 1905 ihre italienischen Reisebilder erschienen. Als Tochter einer reichen New Yorker Familie war sie schon als Vierjährige mehrere Monate in Rom gewesen, was für ihre lebenslange Italienbegeisterung prägend war. Ihre zwei Landsitze in Amerika stattete sie nach italienischen und französischen Vorbildern aus. Sie gehörte zu jenem Kreis hochgebildeter und vermögender amerikanischer Ästheten, die sich, vorbereitet durch eine weitgespannte Lektüre, wie einst die Adligen Nordeuropas auf die Grand Tour gen Süden begaben. Die Frucht von Whartons Reisen sind die "Italian Backgrounds", die am Vorbild des Venedig-Buchs von John Ruskin geschult sind. Bis heute ist das eines der großen Reisebücher über Italien. Die Schriftstellerin, die mit der Kutsche und der Eisenbahn reiste, schreibt impressionistisch und konkret, sie hat das Organ für die "Weite, Ordnung, noblen Entwürfe" kleinerer Städte wie Brescia und Parma, für die "geistig so überaus verfeinerte Landschaft" um Rom, während sie Venedig durch die Augen des Pietro Longhi sieht. Landschaft und Kunst verschmelzen in ihrem Blick zu einer Einheit. Der Vordergrund freilich, die Menschen, bleibt ausgespart. Wenn sie überhaupt in den Blick der Upperclass-Dame geraten, dann als "arme, irregeleitete Hundertschaften", die rasch eine Flasche Wein leeren und eine Forelle hinunterschlingen. Dem großen Text, der seine eigene evokative Kraft hat, werden die kleinen, dem Büchlein beigefügten Farbfotos nicht gerecht. Man hätte sie besser weggelassen. (ack.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Italien - Reisebilder" von Edith Wharton. Mit einem Nachwort von Hanns-Josef Ortheil. Insel-Taschenbuch 2731. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2001. 216 Seiten, zehn Farbfotos. Broschiert, 8 Euro. ISBN 3-458-34431-4.
Edith Wharton hatte bereits einen Band Kurzgeschichten, zwei Romane sowie ein Buch über italienische Villen und ihre Gärten publiziert, als 1905 ihre italienischen Reisebilder erschienen. Als Tochter einer reichen New Yorker Familie war sie schon als Vierjährige mehrere Monate in Rom gewesen, was für ihre lebenslange Italienbegeisterung prägend war. Ihre zwei Landsitze in Amerika stattete sie nach italienischen und französischen Vorbildern aus. Sie gehörte zu jenem Kreis hochgebildeter und vermögender amerikanischer Ästheten, die sich, vorbereitet durch eine weitgespannte Lektüre, wie einst die Adligen Nordeuropas auf die Grand Tour gen Süden begaben. Die Frucht von Whartons Reisen sind die "Italian Backgrounds", die am Vorbild des Venedig-Buchs von John Ruskin geschult sind. Bis heute ist das eines der großen Reisebücher über Italien. Die Schriftstellerin, die mit der Kutsche und der Eisenbahn reiste, schreibt impressionistisch und konkret, sie hat das Organ für die "Weite, Ordnung, noblen Entwürfe" kleinerer Städte wie Brescia und Parma, für die "geistig so überaus verfeinerte Landschaft" um Rom, während sie Venedig durch die Augen des Pietro Longhi sieht. Landschaft und Kunst verschmelzen in ihrem Blick zu einer Einheit. Der Vordergrund freilich, die Menschen, bleibt ausgespart. Wenn sie überhaupt in den Blick der Upperclass-Dame geraten, dann als "arme, irregeleitete Hundertschaften", die rasch eine Flasche Wein leeren und eine Forelle hinunterschlingen. Dem großen Text, der seine eigene evokative Kraft hat, werden die kleinen, dem Büchlein beigefügten Farbfotos nicht gerecht. Man hätte sie besser weggelassen. (ack.)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Dies 1905 zuerst erschienene Buch ist für Rezensent "ack." bis heute "eines der großen Reisebücher über Italien". Die amerikanische Schriftstellerin schreibe "impressionistisch und korrekt". Sie habe "das Organ" für die "Weite, Ordnung, noblen Entwürfe" kleinerer Städte wie Brescia oder Parma ebenso, wie für Rom und Venedigs "geistig so überaus verfeinerte Landschaft". In Whartons Blick verschmelzen für den Rezensenten "Landschaft und Kunst" zu einer Einheit. Bloß die Menschen bleiben, wie er diskret bemängelt, im Blick der amerikanischen "Upperclass-Dame" ausgespart. Ein "großer Text", wird schließlich befunden. Doch die "kleinen, dem Büchlein beigegebenen Farbfotos" hätte man ihm lieber erspart.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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