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Marcel Proust liebte die Frauen um der Kleider willen, die sie trugen. Kleider, die ihm den gleichen ästhetischen Genuß bereiteten wie die Meisterwerke der griechischen Plastik oder die hochaufragenden gotischen Kathedralen oder die großen Werke der abendländischen Malerei. Modekunst erfüllte ihn mit Staunen, ja Entzücken, wie auch die Krone aller universalen Schöpfungen: die Natur. Die verklärte Erinnerung an berauschende, uns heute fast nicht tragbar erscheinende Garderoben füllt viele Seiten der Suche nach der verlorenen Zeit und des Jean Santeuil. - Ursula Voß entfaltet in ihrem Essay…mehr

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Produktbeschreibung
Marcel Proust liebte die Frauen um der Kleider willen, die sie trugen. Kleider, die ihm den gleichen ästhetischen Genuß bereiteten wie die Meisterwerke der griechischen Plastik oder die hochaufragenden gotischen Kathedralen oder die großen Werke der abendländischen Malerei. Modekunst erfüllte ihn mit Staunen, ja Entzücken, wie auch die Krone aller universalen Schöpfungen: die Natur. Die verklärte Erinnerung an berauschende, uns heute fast nicht tragbar erscheinende Garderoben füllt viele Seiten der Suche nach der verlorenen Zeit und des Jean Santeuil. - Ursula Voß entfaltet in ihrem Essay anhand einer Vielzahl von Zitaten aus Prousts Werken dessen Begeisterung für Kleider, die Kunstwerken gleichkamen, und führt uns die Vielfalt und die Eleganz vor Augen, mit denen Frauen einst ihre Schönheit zu unterstreichen und die Männerwelt zu bezaubern wußten.
Autorenporträt
Ursula Voß, geboren in Berlin, lebt in Köln. Nach einem Studium der Anglistik und Romanistik unterrichtete sie am Gymnasium. Im Insel Verlag erschienen unter anderem Der Katzenkönig der Kinder und Kindheiten um Marcel Proust. Sie ist Gründungsmitglied der Marcel Proust Gesellschaft.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jedes Werk, das den Zugang zum Werk Prousts erleichtert, verdient schon einmal Zustimmung, meint Martin Mosebach. Als "Lockvogel in Prousts Welt" leiste diese Zusammenstellung von Beschreibungen der Pariser Frauen und ihrer Kleiderkunstwerke, den "hochbegabten Modekarikaturen" Prousts und einigen von der Autorin beigefügten Fotografien dann auch gute Dienste. Leider habe sich die Autorin zu einem "verzückten, ein wenig aufgeregten Stil" hinreißen lassen, welcher nach Ansicht des Rezensenten der "dramaturgischen Funktion" der Modebeschreibungen Prousts nicht gerecht wird. Denn Marcel Proust war kein Modejournalist, sondern immer Schriftsteller, und sein Blick konzentrierte sich vor allem auf die Persönlichkeit der geschilderten Frau; was sie trugen, sollte nur ihren Charakter verdeutlichten. Im Idealfall war die Trägerin eins geworden mit ihrer Aufmachung. Dann läuft Proust in den Augen Mosebachs zu Hochform auf, und Frauen werden "zu Blumen mit blonden Staubgefäßen und opalisierenden Blütenblättern oder zu Vögeln oder zu fernen Fabelwesen aus ältester Zeit".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002

Marcel war kein Damenschneider
Aber er ließ die Seide sprechen: Ursula Voß vernäht Proust und die Mode / Von Martin Mosebach

De Marcello numquam satis - über Proust kann nie genug geschrieben werden", könnte man grundsätzlich bemerken, wenn man von einem Buch über "Marcel Proust und die Mode" hört. Viele Leser haben Angst, sich in das Proustsche Universum hineinzubegeben und vielleicht Monate in ihm zubringen zu müssen. Deswegen verdient jedes Werk Zustimmung, das den Zugang - irgendeinen Zugang - zur "Recherche" erleichtert, er führe auch über die Hintertreppe und durchs Souterrain. Denn wenn alle Menschen Proust gelesen haben, wird die Welt etwas besser geworden sein, die literarische jedenfalls. Weil bei Proust alles, was er bringt - und was bringt er nicht? -, miteinander verknüpft ist, hat jedes Herausgreifen eines Einzelaspektes - der Gotik, der Küche, der Dreyfus-Affaire, Richard Wagners, des Telephons - das Mitherausziehen vieler anderer Motive zur Folge, und schon ist der Leser verstrickt.

Proust und die Mode also. Die weibliche Mode nahm in den fünfzig Jahren der Proustschen Lebenszeit eine erstaunliche Entwicklung. Der 1871 geborene Proust hat als Kind noch die Riesenkrinolinen des Zweiten Kaiserreichs und des Hofes der Königin Viktoria gesehen und nach dem Ersten Weltkrieg die kurzen modernen Kleider ohne Korsett; historischer Wandel wurde am Alltagsphänomen der Mode sichtbar wie sonst nirgends. In der republikanischen Belle Époque, die die wirtschaftliche Blütezeit des Zweiten Kaiserreiches trotz des verlorenen Krieges und großer sozialer Spannungen fortsetzte, erreichte die Mode einen Luxus wie vielleicht in der gesamten Weltgeschichte vorher nicht. Es trafen zusammen ein in Jahrhunderten höchstentwickeltes Handwerk, das in Frankreich schon unter den Bourbonen planmäßig gefördert und für den Export nach ganz Europa vorbereitet worden war, und technische Innovationen, eine neuartige Industrie, die für die große Schicht des alten und neuen Reichtums bis dahin unmögliche Massen kostbaren Materials herbeischafften. Die kurze glückliche Ehe von Industrie und Handwerk brachte einen dekorativen Überschwang, nicht nur in der Mode, sondern auch in Kunstgewerbe und Architektur hervor, der nicht ahnen ließ, daß diese Gemeinschaft mit dem Tod des Handwerks enden würde.

Proust erlebte die Zeit der Tournüre, des von Wilhelm Busch "Pariser Prachtpopo" genannten künstlich ausgestopften Hinterteils, das unter Röcken aus vielen Lagen mit Quasten und Troddeln und Spitzen und Raffungen montiert war und die Frauen als Krönung des "style tapissier" in reich kapitonierte Polstermöbel verwandelte. Während man zugleich die modernste Untergrundbahn Europas baute, fand eine Renaissance der Schleppe statt. Die Frauen zogen kostbar bestickte Samt- und Seidenbahnen hinter sich her und wirbelten den Staub auf. Omnibusse mußten mit Riesenhüten, über die ein ganzer Stoß Straußenfedern verteilt war, bestiegen werden. Dann kamen womöglich noch kostbarere winzige Hüte, Diademe aus Paradiesvogelbrüstchen und Kolibriflügelchen.

Während schon die raffiniertesten Maschinen immer neue Webarten ermöglichten, arbeitete noch immer das Riesenheer der Waisenkinder, Nonnen, alten Frauen, um in Monaten einen Spitzenschal oder eine Stickerei aus Gold- und Silberfäden herzustellen. Zugleich kündigte sich die neue Zeit an. Aus England kamen Sportkleider, Hosenröcke fürs Fahrradfahren, enge Tricots und Kostüme aus Herrenstoff. Und auch die opulente Mode wandte sich gelegentlich schon vom Korsett ab und schuf fließende, "griechische", "byzantinische", "persische", "florentinische" Gewänder aus erlesenen Gespinsten. Künstlermode entstand. In Venedig entwickelte der spanische Maler Fortuny y Madrazo einen theatralischen Kleiderstil aus Stoffen, die in den schönsten Farben und mit Gold und Silber in alten Mustern bedruckt waren - da bereitete sich eine industrielle Ausbeutung der alten Ornamente vor, die der Exklusivität bald ein Ende bereiten würde. Die Ballets russes des Sergej Diaghilew entfalteten einen Kostümprunk, der schon mit geometrischen Vereinfachungen einherging und die Mode inspirierte.

Daß ein Romancier und Augenmensch in dieser uns heute unvorstellbaren Dauerüberfülle inszenatorischer Einfälle beschrieb, was er sah und was er in stetiger Veränderung des modischen Ideals als Ausdruck eines großen historischen Übergangs wahrnahm, kann nicht verwundern. Aber Proust war Künstler und kein Damenschneider, und er war auch kein Modejournalist. Sein Blick auf die Frauen, die er in diesen mit hundert Details verfeinerten Ornaten erlebte, galt immer vor allem ihrer Persönlichkeit; was sie trugen, sollte das, was sie waren, nur deutlicher machen.

Diese Frauen, deren Müßiggang in harter Arbeit an ihrer Selbstdarstellung bestand, hatten sich in Haltung und Bewegungen, in ihrer Art zu gehen und eine Jacke an- oder auszuziehen einem strengen Regime unterworfen, dessen Ziel die Vollkommenheit war. Ein Kleid, das die Arbeit vieler Frauen war und das nur mit Hilfe mehrerer Frauen angezogen werden konnte, verlangte von der Frau, die es trug, zumindest den Anschein beträchtlicher Souveränität. Proust sieht die Kleider der Ateliers Worth und Poiret mit ihren Trägerinnen eins geworden; wie der Vogel sein Federkleid oder der Hermelin sein Fell tragen Madame Swann oder die Duchesse de Guermantes die Schöpfungen der berühmten Couturiers. "Narzissus und der Tulipan / die ziehen sich viel schöner an / als Salomonis Seide", dichtete das deutsche Barock. Für die Décadence drehte sich die Rangordnung um: Die Seide wurde schöner als die Blumen. Für Proust aber fallen Blumen und Seide häufig in eins. Die Frauen werden zu Blumen mit blonden Staubgefäßen und opalisierenden Blütenblättern oder zu Vögeln oder zu fernen Fabelwesen aus ältester Zeit.

Man würde von mancher schwärmerischen, hingerissenen, verzauberten Frauen- und Kleiderbeschreibung in der "Recherche" jedoch einen völlig falschen Eindruck bekommen, wenn man vergäße, was die blumenhaften Frauen des Marcel Proust mit den Blumen im Land hinter den Spiegeln seines Zeitgenossen Lewis Carroll gemeinsam haben: Sie können sprechen, und sie tun es leider auch. Und wie bei den Blumen des Lewis Carroll steht das, was sie sagen, in scharfem Kontrast zu ihrer schönen Erscheinung. Ist es nicht, als würde uns diese ganze Verschmelzung von Modekunstwerk und Modeköniginnen zu einer höheren, edleren Lebensform ausschließlich vorgeführt, um uns recht grausam die Enttäuschung fühlen zu lassen, wenn wir die Kälte, die Berechnung, die Dummheit und Gewöhnlichkeit dieser Frauen in ihrer Konversation kennenlernen?

"Kleider wie Kunstwerke" hat Ursula Voß ihr Buch über Proust und die Mode genannt, dem sie eine Sammlung wichtiger Fotografien und vor allem einige von Prousts gekritzelten, hochbegabten Modekarikaturen beigefügt hat. Leider hat die Autorin sich zu einem verzückten, ein wenig aufgeregten Stil verpflichtet gefühlt, der der dramaturgischen Funktion der Proustschen Kleiderbeschreibungen nicht gerecht wird. Daß Proust wirklich kein Damenschneider war, könnte bei der Lektüre ihres Werks manchmal in Vergessenheit geraten. Als Lockvogel in Prousts Welt kann es dennoch gute Dienste leisten.

Ursula Voß: "Kleider wie Kunstwerke". Marcel Proust und die Mode. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2002. 100 S., geb., 13,80 [Euro].

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