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Autoren wurden auf den Index gesetzt, ihre Werke verboten und verbrannt. Erfolgreich waren die, die sich bewußt in den Dienst der Nationalsozialisten stellten. Doch nicht alle Literatur, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland veröffentlicht wurde, war »Naziliteratur«. Das literarische Leben war weitaus vielfältiger, als es sich in einem solch repressiven System erwarten ließe. Ideologienahe Literatur war nur eine Seite des Literaturbetriebs. Die andere Seite zeigt sich beispielsweise darin, daß es für jüdische Autorinnen und Autoren, wie für Gertrud Kolmar und Mascha Kaléko, noch bis 1938…mehr

Produktbeschreibung
Autoren wurden auf den Index gesetzt, ihre Werke verboten und verbrannt. Erfolgreich waren die, die sich bewußt in den Dienst der Nationalsozialisten stellten. Doch nicht alle Literatur, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland veröffentlicht wurde, war »Naziliteratur«. Das literarische Leben war weitaus vielfältiger, als es sich in einem solch repressiven System erwarten ließe. Ideologienahe Literatur war nur eine Seite des Literaturbetriebs. Die andere Seite zeigt sich beispielsweise darin, daß es für jüdische Autorinnen und Autoren, wie für Gertrud Kolmar und Mascha Kaléko, noch bis 1938 bescheidene Publikationsmöglichkeiten in Deutschland gab. Viele Schriftsteller, die den Nationalsozialismus verabscheuten und verfolgt wurden, emigrierten ins Ausland, wie Bertolt Brecht oder Thomas Mann. Andere jedoch, wie Ricarda Huch oder Erich Kästner, blieben und suchten Zuflucht im »inneren Exil« - oder bemühten sich um Anpassung, wie Hans Fallada oder Gerhart Hauptmann. Und dann sind noch viele der großen Autoren der Nachkriegszeit zu nennen, wie Marie Luise Kaschnitz, Wolfgang Koeppen oder Max Frisch, deren literarische Anfänge in ebendiesen Jahren lagen. Das biographische Lexikon versammelt die wichtigsten Schriftsteller, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland publizierten - auch die, die bislang nirgends Berücksichtigung fanden. Es liefert verläßliche Daten und Beurteilungen, wertet erstmals zugängliche Dokumente aus und gibt in einem ausführlichen Essay eine Einführung in die Literatur- und Verlagspolitik der NS-Zeit.
Autorenporträt
Sarkowicz, HansHans Sarkowicz, Studium der Germanistik und Geschichte in Frankfurt, seit 1979 beim Hessischen Rundfunk, leitet das hr2-Ressort Kultur, Bildung und künstlerisches Wort, Buchveröffentlichungen zu politischen, literaturgeschichtlichen und kulturhistorischen Themen, Biografien (zus. mit anderen Autoren) über Erich Kästner, Heinz Rühmann, Philipp von Boeselager und die Familie Büchner, Mitherausgeber der Werke Erich Kästners, Herausgeber der Tondokumente zur Geschichte des deutschen Buchhandels, im Insel Verlag u. a. Als der Krieg zu Ende war. Erinnerungen an den 8. Mai 1945 (Hg.) und Hitlers Künstler. Die Kultur im Dienst des Nationalsozialismus (Hg.).

Mentzer, AlfAlf Mentzer, Studium der Geschichte, Philosophie, Amerikanistik und Anglistik in Frankfurt, Promotion über Die Blindheit der Texte - Studien zur literarischen Raumerfahrung, ab 2004 Redaktionsleiter von Der Tag in hr2, seit 2006 Leiter der Literaturredaktion beim Hessischen Rundfunk (hr2), Publikationen u. a. über Die Welt der Geschichten. Kunst und Technik des Erzählens und 22 Arten, eine Welt zu schaffen. Erzählen als Universalkompetenz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2012

Ein Geruch von Blut und Schande haftet den Büchern an

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten überboten sich Autoren in einem makabren Tanz von Anpassung, Akklamation, Anbiederung und Kollaboration. Darüber Auskunft gibt das unverzichtbare Lexikon "Schriftsteller im Nationalsozialismus".

Als im April 1945 das "Dritte Reich" in Trümmern versank, brach auch das Imperium der Zensur in sich zusammen, in dem als die obersten Instanzen Joseph Goebbels und (mit Abstand) Alfred Rosenberg residierten. Goebbels' Lenkungs- und Kontrollinstrument für die Literatur war die Reichsschrifttumskammer.

Nicht alle zwischen 1933 und 1945 erschienenen Bücher waren nationalsozialistische Literatur, und sicherlich überspitzt war Thomas Manns Wort aus dem Jahr 1945: "In meinen Augen sind Bücher, die von 1933 bis 1945 in Deutschland gedruckt werden konnten, weniger als wertlos . . . Ein Geruch von Blut und Schande haftet ihnen an. Sie sollten alle eingestampft werden" (überspitzt schon deshalb, weil die beiden ersten Bände seiner Tetralogie "Joseph und seine Brüder" noch 1933/34 bei S. Fischer erscheinen konnten). Andererseits überboten sich Schriftsteller nach 1933 in einem makabren Tanz von Anpassung, Akklamation, Anbiederung und Kollaboration.

Manche, wie Gottfried Benn, der die Sektion für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste mit seiner Ergebenheitsadresse auf den neuen Kurs einzuschwören suchte, spürten rasch Gegenwind und wurden bald belehrt, wie wenig ihr dichterisches Werk der "neuen Zeit" noch genehm war. Aber immer ein Ruhmesblatt bleibt der Brief, mit dem die tapfere Ricarda Huch am 9. April 1933 ihren Austritt aus der gleichgeschalteten Sektion erklärte.

In dem schillernden Spektrum zwischen kritischer Haltung, politischer Indifferenz, Mitläufertum und dem Zelotentum der Parteibarden ist, unter den Bedingungen einer Unfreiheit der Literatur, fast ein jeder Schriftsteller ein Fall für sich, ein Bündel von Brüchen und Widersprüchen. Ihnen auf die Spur zu kommen, hilft das biographische Lexikon des Insel Verlags, das zuerst im Jahr 2000 erschien und nun - unter Verzicht auf einige Autoren - in einer stark erweiterten und auf den neuesten Stand der Forschung gebrachten Fassung vorliegt: "Schriftsteller im Nationalsozialismus".

Die Herausgeber, Hans Sarkowicz und Alf Mentzer, zeichnen in ihrer Einleitung die Stationen der Literaturpolitik im "Dritten Reich" nach: Dem Austritt aus dem internationalen PEN folgte im November 1933 die Eröffnung der "Reichskulturkammer" mit den verschiedenen Sektionen durch Goebbels, der 1938 auch reguläre "Weimarer Dichtertreffen" organisieren ließ; seine Gründung der "Europäischen Schriftstellervereinigung" (mit Hans Carossa an der Spitze) erlitt rasch Schiffbruch.

Wenig Zukunft beschieden war auch Weiheveranstaltungen nach dem Muster des germanischen Thingspiels, die dem Geist von Alfred Rosenbergs "Mythus des 20. Jahrhunderts" entsprachen. Wenig Rühmliches wissen die Herausgeber über den "Börsenverein der deutschen Buchhändler" zu berichten. Erstaunlich lange hielt sich zwar, wie Volker Dahm gezeigt hat, das jüdische Buch im "Dritten Reich", nämlich bis 1938. Peinlich aber waren die Anbiederungen des Börsenvereins. Zum "Raffke" unter den Verlagen entwickelte sich der Verlagskonzern der NSDAP mit seinen siebzig Unternehmen.

Den Herausgebern die Grenzen ihres biographischen Lexikons vorzuwerfen, wäre unfair - sie gestehen sie selbst ein. Bruchstückhaft noch sind unsere Kenntnisse über die Wirkungsgeschichte der Literatur im "Dritten Reich" (jenseits der Propaganda), ihre Rolle für die Gefühls- und Handlungsweisen der Leser. Wie entwickelte sich das kulturelle Bewusstsein der ersten Nachkriegsgeneration, deren "literarische Sozialisation von Lehrplänen und Lesestoffen bestimmt wurde, die eindeutig die bekannten Schriftsteller aus der NS-Zeit bevorzugten? Einen Leitfaden durch die literaturwissenschaftliche Forschung bieten Namen von Gewährsleuten der Herausgeber: so Jan-Pieter Barbian (Literaturpolitik im NS-Staat), Uwe-Karsten Ketelsen (Drama und Theater), Joseph Wulf (Künste), Ralf Schnell (Deutsche Literatur und Faschismus), Denkler und Prümm (Themen, Traditionen, Wirkungen), Hans Dieter Schäfer (Gespaltenes Bewusstsein).

Die einhundertfünfundfünfzig Biographien des Bandes vermitteln rasche Orientierung über die Lebensgeschichte der Schriftsteller, ihr Werk, die Taktik der Begeisterten, der Wendehälse und der grauen Mäuse. Zu den Regimekritikern zählen die Herausgeber den klug taktierenden, aber unerweichlichen Ernst Jünger, den im letzten Augenblick einem Prozess entgehenden Reinhold Schneider und den hingerichteten Albrecht Haushofer.

Fast unglaublich, in welchem Maße Parteidichter nach dem Krieg neu gedruckt werden konnten und Gerhard Schumann, einst Hauptabteilungsleiter des Kulturamts der SS, mit seinem Hohenstaufen-Verlag der völkischen Literatur neben dem alten ein neues Publikum verschaffte. Dieses biographische Lexikon kann kein Loblied auf die Demokratisierung des literarischen Lebens nach dem Kriege singen. Im Ganzen: Es ist - mehr noch als die erste Fassung - als Nachschlagewerk unentbehrlich.

Wer einmal ins Blättern kommt, erlebt die Verführung eines literaturgeschichtlichen Mosaiks. Den in die Preußische Akademie der Künste gewählten jüdischen Dichter Alfred Mombert, den Verkünder einer neuen Weltharmonie, deportierten die Nazis 1940 in ein südfranzösischen Internierungslager, von wo aus ihn 1941 der Schweizer Mäzen Hans Reinhardt freikaufen konnte. Sein Akademiekollege Ludwig Fulda (Anton Salomon), der meistgespielte deutsche Bühnenautor, wählte nach unaufhörlichen Demütigungen 1939 in Berlin den Freitod. Der österreichische Schriftsteller Franz Tumler, der den "Anschluss" Österreichs und dann den Einmarsch von Hitlers Truppen ins Sudetenland gleich mit drei Propagandaschriften begleitet hatte, suchte keine Ausflüchte und ging in "Jahrgang 1912" mit seiner "Blindheit" und seinem "Versagen" ins Gericht (1967).

Antwort findet, wer fragt, was der Hamburger Schriftsteller Hans Leip, der Dichter des sentimentalen Soldatenlieds "Lili Marleen", das abends über die Fronten hinweg an die Sehnsüchte aller Landser rührte und zum "Weltschlager" wurde, eigentlich sonst noch geschrieben hat. Dieses verbesserte Lexikon glänzt nicht mit essayistischen Autorenporträts, aber es schafft in hundertfünfundfünfzig Einzelansichten Klarheit über eine dunkle Epoche der deutschen Literatur.

WALTER HINCK

Hans Sarkowicz, Alf Mentzer: "Schriftsteller im Nationalsozialismus". Ein Lexikon.

Insel Verlag, Berlin 2011. 676 S., geb., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Glanzvolle essayistische Autorenporträts sucht Walther Hinck in dieser erweiterten Neuauflage des biografischen Lexikons zu Schriftstellern im Nationalsozialismus zwar vergebens. Einen umfassenden Eindruck von der dunklen Epoche der deutschen Literatur, vom Nach- und Weiterleben der Parteidichter und völkischen Verlage und vom Schicksal regimekritischer Autoren erhält Hinck aber dennoch. Peinlich berührt zeigt sich der Rezensent etwa angesichts der Anbiederungen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler ans Dritte Reich. Im Übrigen bieten ihm die 155 Biografien schnelle Orientierung über Leben und Werk der Schriftsteller, ihre Taktiken und Schicksale. Beim Blättern im Lexikon lernt Hinck die Verführung durch ein großes literaturhistorisches Puzzle kennen.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Bevor man sie alle nur aus der Danach-Position beurteilt, sollte man bedenken, dass auch Schriftsteller während der zwölf Jahre des 'Tausendjährigen Reichs' leben und überleben wollten - und sich vielleicht auch fragen, wie stark man selbst gewesen wäre. Dies zu berücksichtigen und doch nichts zu beschönigen oder auszulassen, gelingt den Autoren dieses Lexikons vorbildlich.« Darmstädter Echo 20110919