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Als Joseba nach über zwanzig Jahren seinen Jugendfreund David in Kalifornien wiedersieht, müssen die beiden sich erst an ihre gemeinsame Vergangenheit herantasten - zu viele offene Fragen stehen zwischen ihnen, zuviel Verheimlichtes, Unausgesprochenes. Als ehemalige Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation haben sie zwar Abstand gewonnen zu ihren Verstrickungen von damals, doch lasten quälende Schuldgefühle auf ihnen - Schuldgefühle angesichts eines Verrats, von dem sie beide wissen, daß er notwendig war. Wie war es dazu gekommen, daß sie, die jugendlichen Freunde und späteren…mehr

Produktbeschreibung
Als Joseba nach über zwanzig Jahren seinen Jugendfreund David in Kalifornien wiedersieht, müssen die beiden sich erst an ihre gemeinsame Vergangenheit herantasten - zu viele offene Fragen stehen zwischen ihnen, zuviel Verheimlichtes, Unausgesprochenes. Als ehemalige Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation haben sie zwar Abstand gewonnen zu ihren Verstrickungen von damals, doch lasten quälende Schuldgefühle auf ihnen - Schuldgefühle angesichts eines Verrats, von dem sie beide wissen, daß er notwendig war. Wie war es dazu gekommen, daß sie, die jugendlichen Freunde und späteren Studenten, in den Bannkreis der militanten baskischen Idee gerieten? Sie müssen ins reine kommen mit ihrer Vergangenheit, die sie auseinandergetrieben hat und die erst im Angesicht von Davids nahem Tod ihre Macht über sie verliert. Es ist eine beklemmende, zunehmend dramatische Geschichte, und Atxaga erzählt sie ebenso eindringlich wie differenziert. Denn hinter dem Gewissenskonflikt, den David und Joseba durchmachen müssen, liegt die ganz andere Geschichte ihrer unwiderruflichen Entfernung aus dem, was ein ländliches Paradies sein könnte.

Wie konnte es geschehen, daß aus den musisch begabten, zweifelnden Jugendlichen, die sie waren, militante Aktivisten der ETA wurden? Daß der eine dafür seine erste große Liebe verriet; daß der andere in ein zwielichtiges Verhältnis zu all seinen ehemaligen Freunden geriet? Welchen menschlichen Preis mußten sie zahlen? Und wer, vor allem, hat damals im Jahr 1976 das Kommando verraten, dem sie beide angehörten?
Autorenporträt
Bernardo Atxaga, geb. 1951 im baskischen Ort Asteasu (Provinz Guipuzcoa), studierte Wirtschaftswissenschaften und veröffentlichte bereits mit zwanzig Jahren sein erstes Buch. Mit Kinderbüchern, Gedichten und Romanen gewann er in seiner baskischen Heimat große Popularität.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2007

Im Tal der glücklichen Bauern
Ein Skandalbuch: Bernardo Atxaga verklärt das Baskenland

Baskisch wird heute von rund einer Million Menschen in Spanien und Frankreich gesprochen und gelesen. Für eine kleine Minderheit davon - nicht alle Basken lesen Bücher - schreiben die Autoren, die muttersprachlich das Euskera, das Baskische, benutzen. Der bekannteste und am meisten übersetzte, ausgezeichnet mit den wichtigsten Literaturpreisen Spaniens, ist Bernardo Atxaga, der viel zum Entstehen einer neuen baskischen Literatursprache beigetragen hat. Ein anderer, schon verstorbener Erzähler war Mario Onaindía. Im berüchtigten Burgos-Prozess als Eta-Aktivist zum Tode verurteilt und dann von Franco begnadigt, war er später einer der wichtigsten unter den gemäßigten Politikern im Baskenland, der an der Seite der spanischen Sozialisten für die Autonomierechte des Baskenlandes kämpfte.

Auch Bernardo Atxaga, geboren 1951 in einem Bergtal nicht weit von San Sebastián, klammert den Eta-Terrorismus nicht aus seinen Werken aus. In Romanen wie "Ein Mann allein" (Unionsverlag) oder wie in "Das Fenster zum Himmel" (Suhrkamp) geht es um Eta-Aktivisten, welche die Organisation verlassen haben, aber innerlich nicht frei werden von ihrer Vergangenheit, vom Leben im Untergrund. In "Leute aus Obabakoak" hat Atxaga das imaginäre Dorf in einem Tal des Baskenlandes dargestellt, das zum Schauplatz der meisten seiner Bücher wurde.

So auch für "Der Sohn des Akkordeonspielers". In diesem, jetzt auf Deutsch erschienenen Roman zeigt er, wie friedliche junge Leute aus bäuerlicher Umgebung in die Eta kommen können. Sie wachsen in einer bukolischen Welt auf, haben die üblichen pubertären Erlebnisse, verlieben sich und beginnen sich in einem ausgesprochen politisierten Umfeld im Alter von achtzehn, neunzehn Jahren für die Situation ihrer baskischen Heimat und damit für die Politik zu interessieren. Es passiert schon mal, dass Freunde dieser Gruppe von der Polizei irrtümlich oder leichtfertig erschossen werden, und das bestärkt die anderen in ihrem Willen, etwas gegen die brutale Repression zu unternehmen. David, der Protagonist des Romans, entdeckt zufällig, dass sein Vater, der Akkordeonspieler, eine Liste angelegt hatte mit den Namen der Sympathisanten der Republik, die nach der Eroberung des Dorfes durch Francos Truppen erschossen werden sollten. David, auch er Akkordeonspieler, weigert sich daraufhin, bei patriotischen Feiern des sogenannten nationalen Spanien, nämlich der Anhänger Francos, sein Instrument zu spielen - ein erster Akt des Widerstandes. Nach und nach erfahren David und sein Freund Joseba mehr über die Verbrechen der Franco-Diktatur, gleichzeitig nimmt ihre Wertschätzung der baskischen Lebensweisen, der Traditionen und Bräuche ihrer Heimat zu.

Als sie dann Mitglieder der Untergrundorganisation kennenlernen, die angeblich auf der Suche nach Schmetterlingen in ihr Dorf gekommen sind, und diese ihnen vom Kampf der Basken gegen die Schergen der Diktatur erzählen, schließen sie sich der Eta an und gehen über die Pyrenäen ins französische Baskenland, wo sie zu Guerrillakämpfern ausgebildet werden. Für David und Joseba sind die Francisten schuld an allem - an den Mordtaten, an der Korruption, an der Vernichtung der bäuerlichen Idylle durch die Kräne und Lastwagen, die die Faschisten im Dienste ihrer schmutzigen Geschäfte ins Tal der glücklichen Bauern bringen. Um zu beweisen, wie leicht junge Männer vom Land zu idealistischen Terroristen werden können, beschreibt Atxaga das Dorfleben ermüdend detailliert, nicht selten nahe am Kitsch. Das und die doch etwas einseitige Verklärung baskischer Traditionen waren Hauptargumente eines Totalverrisses in der Zeitung "El País", der in Spanien einen literarischen Skandal auslöste (F.A.Z. vom 22. Dezember 2004).

Da es in Deutschland kaum Übersetzer aus dem Baskischen gibt, wurde die deutsche Fassung von Matthias Strobel aus dem Spanischen übertragen. Das ist zu rechtfertigen, denn Bernardo Atxaga hatte zusammen mit Asún Garikano sein Buch selbst schon ins Spanische übersetzt - wenn auch unter Ächzen und Stöhnen, weil das Spanische zu praktisch und nicht so poetisch sei wie die baskische Dorfsprache, die besonders reich an Vokabeln für Steine, Bäume und Tiere ist. In "Der Sohn des Akkordeonspielers" macht Atxaga ausgiebig davon Gebrauch.

Atxaga ist trotz seiner Heimatliebe kein baskischer Nationalist. Er will nach eigener Auskunft auch kein Vorzeigebaske sein. Doch wird er immer wieder bei den turbulenten Ereignissen im Baskenland nach seiner Meinung gefragt, die er dann auch offen ausspricht. Obwohl das für ihn nicht immer ganz ungefährlich ist, wird er für das Baskenland, dessen Sprache und Literatur als Schriftsteller, der aktuellen, brisanten Themen nicht ausweicht, auch in Zukunft von großer Bedeutung sein.

WALTER HAUBRICH

Bernardo Atxaga: "Der Sohn des Akkordeonspielers". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Matthias Strobel. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2006. 463 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein politisch durchaus noch heikles Thema hat sich Bernardo Atxaga vorgenommen und einen Entwicklungsroman über die Genese eines baskischen Terroristen gewagt. Albrecht Buschmann räumt ein, dass die inhaltliche Brisanz vor allem durch Atxagas letztlich verharmlosende Idealisierung einer "sauberen ETA" kritischen Stimmen nicht gerade den Wind aus den Segeln nehme, in literarischer Hinsicht jedoch mehr als gelungen sei. Eine "feinsinnig gewobene" Verknüpfung verschiedener Erzählebenen wie motivischer Szenen machen für den Rezensenten die Stärke des Buches aus, das den großen Bogen politischer Entwicklungen wie die letzten Jahre der Franco-Diktatur im Schicksal des Sohnes, später Studenten und schließlich Untergrundkämpfers zwar ideologisch riskant, doch durchweg spannend zu verbinden weiß.

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