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1972 geht ein Foto um die Welt: Es zeigt die neunjährige Südvietnamesin Kim Phuc, die mit schmerzverzerrtem Gesicht um ihr nacktes Leben läuft. Napalmbomben, die feindlichen nordvietnamesischen Stellungen galten, fügen ihr schwerste Verbrennungen zu. Innerhalb von Tagen geht ihr Bild weltweit durch die Presse und wird zum Sinnbild für die Leiden aller zivilen Kriegsopfer. Die weitere Lebensgeschichte des "Mädchens hinter dem Foto" bleibt jedoch nahezu unbekannt und wird hier erstmals authentisch und sensibel dargestellt.

Produktbeschreibung
1972 geht ein Foto um die Welt: Es zeigt die neunjährige Südvietnamesin Kim Phuc, die mit schmerzverzerrtem Gesicht um ihr nacktes Leben läuft. Napalmbomben, die feindlichen nordvietnamesischen Stellungen galten, fügen ihr schwerste Verbrennungen zu. Innerhalb von Tagen geht ihr Bild weltweit durch die Presse und wird zum Sinnbild für die Leiden aller zivilen Kriegsopfer. Die weitere Lebensgeschichte des "Mädchens hinter dem Foto" bleibt jedoch nahezu unbekannt und wird hier erstmals authentisch und sensibel dargestellt.
Autorenporträt
Denise Chong - Enkelin der Konkubine May-Ying - studierte Volkswirtschaft in Kanada und arbeitete danach einige Jahre im Stab des kanadischen Premierministers; heute ist sie als Journalistin tätig und lebt mit ihrer Familie in Ottawa.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2001

Nationalstraße 1, nordwestlich von Saigon, 8.  Juni 1972
„Das Mädchen hinter dem Foto” – wie die junge Vietnamesin Kim Phuc einen brutalen Napalmangriff und den internationalen Presserummel danach überlebte
Keine besonderen Vorkommnisse, ein Kriegstag wie jeder andere. „Mehrere Minuten waren vergangen, seit die alte Dame das verkohlte Kind vorbeigetragen hatte und alle verfügbaren Kameras das Entsetzliche auf Zelluloid gebannt hatten. Vielen Journalisten kam der gleiche Gedanke: Ein Tag mit schwindend geringen Aussichten auf eine Geschichte hatte eine Porträtaufnahme vom Krieg gebracht. Niemand kam auf den Gedanken, dass aus dem Inferno noch weitere Menschen herauskommen könnten. ” Doch die Kameraleute und Fotografen – inzwischen vertraut mit den allgegenwärtigen Bildern des Grauens – sollten wenige Minuten später einen der nachhaltigsten Eindrücke dieses Krieges erst noch erleben: Die Flucht der neunjährigen Kim Phuc, vom Napalm verbrannt, aus dem brennenden Inferno.
Nur einem der Fotoreporter am Ort gelang es, diesen Moment im Bild festzuhalten: dem jungen Vietnamesen Nick Ut, der für die Nachrichtenagentur AP arbeitete. „Ein halbes Dutzend Kinder erschienen aus dem Rauch und den Flammen. Ein Mädchen hielt einen kleinen Jungen an der Hand. Ein anderer Junge von vielleicht vier oder fünf Jahren drehte im Weiterlaufen den Kopf, um zurückzuschauen. Das älteste Kind in der kleinen Gruppe war ein etwa zwölfjähriger Junge in einem weißen Hemd und Shorts. ” Ihnen allen standen die Angst und das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Doch schrecklicher als alles andere war in dieser Sekunde der Anblick von Kim Phuc: „Ein schreiendes Mädchen kam auf sie zugerannt, nackt, mit schlaffen, leicht vom Körper abgespreitzten Armen . . . Ihr Körper strahlte Hitze aus, und Klumpen von rosa und schwarzem Fleisch lösten sich ab. ”
Das Bild, das Nick Ut von Kim Phuc am 8. Juni 1972 auf der Nationalstraße 1 nordwestlich von Saigon aufnahm, war eines, das die Welt bewegte, und wurde zu einer der am häufigsten gedruckten Aufnahmen aus dem Vietnamkrieg. Nun erzählt Denise Chong in Das Mädchen hinter dem Foto die „Geschichte der Kim Phuc”.
Der junge Fotograf wurde später mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Das Mädchen, das nach dem Napalmangriff wochenlang mit dem Tode rang, überlebte – und wurde in den folgenden Jahren doch ihres Lebens beraubt. Sie, die Südvietnamesin, geriet in die Propagandamaschinerie Hanois. Die Regierung führte sie westlichen Journalisten geradezu als Schaustück für die Gräuel der Amerikaner und der südvietnamesischen Regierung an den eigenen Leuten vor. Und Kim Phuc spielte mit – unter anderem aus Angst vor Sanktionen gegenüber ihrer Familie, die der Willkür kommunaler Regierungsbeamter in einem korrupten System hilflos ausgeliefert waren.
Zwanzig Jahre nach dem alles verändernden Ereignis floh sie wieder: dieses Mal vor dem sozialistischen Regime ihrer Heimat. Auf einem Rückflug von Moskau nach Havanna, wohin sie zum Studium geschickt worden war, setzte sie sich 1992 mit ihrem Mann Toan während einer Zwischenlandung in Kanada ab. Dort lebt die mittlerweile 38-Jährige mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern noch heute – vor einigen Jahren wurde sie zur ehrenamtlichen Unesco-Botschafterin für eine Kultur des Friedens ernannt.
Das Leben der Kim Phuc, von der glücklichen Kindheit in Vietnam, die von dem Napalmangriff abrupt beendet wurde, über die Jahre, in denen sie als Propagandainstrument Hanois missbraucht wurde, bis zum Neuanfang im Westen, hat die chinesische Autorin Denise Chong aufgezeichnet – eine Vielzahl von Interviews mit Kim Phuc, ihren Eltern, Verwandten und Freunden lieferten das Material. In ihrem Buch hat sie nicht nur den Lebenslauf der Kim Phuc und ihrer Familie aufgezeichnet. Denise Chong bindet das Schicksal der jungen Vietnamesin in die Geschichte ihres Landes ein und beschreibt das politische und gesellschaftliche Bild Vietnams sowie einiger seiner sozialistischen Partnerländer in den vergangenen Jahrzehnten; die Abhängigkeit des asiatischen Landes von der Sowjetunion, mit deren Zerfall so viele sozialistische Länder massiv unter Druck gerieten.
Denise Chong zeigt, wie „das Mädchen hinter dem Foto” von westlichen Journalisten mitunter nur als publicity-taugliches „Mädchen auf dem Foto” gesehen wurde, das überlebt hatte und nun ein „glückliches”, vom vietnamesischen Staat privilegiertes Leben führte. Aber sie beschreibt auch die Hilfe, die Kim Phuc von einigen Journalisten erhielt: Allen voran Nick Ut, der sie nach dem Napalmangriff in ein Krankenhaus brachte und ihr damit das Leben rettete – immer in der Angst freilich, wegen dieses Umwegs das Bild seines Lebens nicht mehr rechtzeitig in seiner Agentur abliefern zu können. Oder Perry Kretz vom Stern, der ihr einige Jahre später eine Behandlung in einer Spezialklinik für Brandopfer in Deutschland ermöglichte.
Jahrzehntelang hatte Kim Phuc, die das Grauen des Krieges in seiner schrecklichsten Ausprägung erlebt hat, nur ein öffentliches Gesicht: Das schmerzverzerrte eines nackten, fliehenden Kindes. Mit Denise Chongs Buch hat Kim Phuc nun auch eine öffentliche, sehr bewegende Geschichte.
EVELYN VOGEL
DENISE CHONG: Das Mädchen hinter dem Foto. Die Geschichte der Kim Phuc. Aus dem Amerikanischen von Sabine Schulte. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2001. 447 Seiten, 44 Mark.
Kim Phuc – die verzweifelte Flucht in die Welt
Foto: AP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.01.2002

Bild und Leben
Kim Phuc, der Vietnam-Krieg und die Kriegsberichterstattung

Denise Chong: Das Mädchen hinter dem Foto. Die Geschichte der Kim Phuc. Aus dem Amerikanischen von Sabine Schulte. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2001. 448 Seiten, Abbildungen, 24,- Euro.

Im Juni 1972 erschien auf den Titelseiten der Weltpresse ein Foto, das zum bleibenden Eindruck aus dem Vietnam-Krieg wurde: Es zeigte ein kleines, splitternacktes vietnamesisches Mädchen, das mit abgespreizten Armen und schmerzverzerrtem Gesicht um sein Leben rannte. Südvietnamesische Soldaten hatten Stellungen der Vietcong mit neuartigen amerikanischen Napalmbomben beschossen und dabei versehentlich eigene Landsleute getroffen. Das herzzerreißende Bild der neunjährigen Kim Phuc, die schwerverletzt aus den Flammen auf die Kamera zulief, wurde seitdem unzählige Male abgedruckt und mit Preisen bedacht. Es gilt als Dokument für die Unmenschlichkeit des Vietnam-Kriegs. Kims Anblick hat sich tief ins Bewußtsein der europäischen 68er-Generation eingegraben und den zivilen Druck auf die Vereinigten Staaten verstärkt, 1973 mit Nordvietnam in Paris ein Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen.

Das Mädchen auf dem Foto war noch anonym, als das Bild am gleichen Abend von Associated Press verbreitet wurde. Der vietnamesische Fotograf, dem das Kind mit grausam verbrannten Schultern und Armen unerwartet vor die Kamera rannte, fuhr es in ein Krankenhaus. Wider alle medizinische Erfahrung überlebte Kim Phuc. Nach 13 Monaten therapeutischer Hölle mit Hauttransplantationen, Streckverband und Gipskorsett kehrte sie leidlich wiederhergestellt in ihren Heimatort Trang Bang zurück, wo der Krieg zwei Jahre unverändert weiterging.

Als das kommunistische Regime nach dem Sieg Nordvietnams 1975 entdeckte, daß Kim auf dem im Westen berühmten Foto dargestellt war, wurde das junge Mädchen gnadenlos vor die kommunistische Propagandamaschinerie gespannt. Deren Zugriff entkam Kim Phuc erst 17 Jahre später, als sie im kargen, kommunistischen Bruderland Kuba studieren durfte und sich 1992 auf einem Flug von Moskau nach Havanna bei einem Zwischenstopp in Kanada in den Westen absetzen konnte.

Kims Flucht blieb von den Medien unbemerkt und ihre Lebensgeschichte weitgehend unbekannt. Das hat das Buch von Denise Chong geändert. Die in Ottawa lebende Chinesin rekonstruierte durch Interviews mit Kim Phuc und ihren Eltern, Verwandten und Freunden Kims Lebenslauf, der durch ein einziges Foto für immer zur öffentlichen Sache wurde. Das Schicksal der jungen Vietnamesin als ziviles Kriegsopfer ist heute endgültig ihre Mission geworden: 1995 brach sie im kanadischen Exil ihr Schweigen gegenüber der Presse, um Geld für ihre hungernde Familie in Vietnam zu beschaffen, nachdem die bescheidene Nudelküche, mit der ihre Mutter jahrzehntelang eine vielköpfige Sippe ernährt hatte, von den Kommunisten geschlossen worden war. Inzwischen reist Kim Phuc als Friedensaktivistin durch die Welt. Sie ist ehrenamtliche Unesco-Botschafterin und Vorsitzende einer Stiftung für Kinder, die im Krieg verletzt wurden.

Chong stellt die Grausamkeit des Krieges, das Überleben trotz aller Widrigkeiten, die Hoffnungen und Enttäuschungen danach sensibel, aber unsentimental dar. Um das Schicksal des jungen Mädchens montiert die Autorin das Auf und Ab der Politik. Sie zeigt, wie der jahrzehntelange Krieg in Vietnam gegen Franzosen, gegen Amerikaner und schließlich gegen das benachbarte Kambodscha Korruption, Entbehrung und Hunger, Pressionen und Terror über das Land brachte, welche Schrecknisse, Not und Unterdrückung das kommunistische Regime den Menschen aufzwang. 400 000 von ihnen versuchten verzweifelt als Bootsflüchtlinge über das chinesische Meer zu entkommen.

Seitdem sind 25 Jahre vergangen, und das vormalige Reich des Revolutionärs Ho Tschi Minh präsentiert sich westlichen Besuchern gelenkig im Spagat zwischen Kommunismus und Kommerz. Kriegsschauplätze wie das berüchtigte unterirdische Tunnelsystem der Vietcong in Kims Heimat an der Straße Nr. 1, das die Südvietnamesen mit amerikanischen Napalmbomben ausräuchern wollten, werden längst als Touristenattraktion gezeigt. Und neben amerikanischen Urlaubern ordern betuchte Vietnamesen ihre Drinks in der legendären Saigon Bar im Hotel Caravelle, wo seinerzeit Kriegsreporter ihre Berichte aus der zerbombten Stadt schrieben.

Kriegsberichterstattung aus Vietnam wurde damals mit demselben trockenen Zynismus, der abgebrühten Routine und vor allem den unverzichtbaren einheimischen Hilfskräften betrieben wie heute aus den Kriegsgebieten auf dem Balkan und in Afrika. So warteten allein am Morgen des verhängnisvollen 8. Juni 1972 mehr als ein Dutzend ausländischer Korrespondenten wie Zuschauer bei einer Theaterveranstaltung vor der Straßensperre an der Brücke in Trang Bang auf den Beginn der Kampfhandlungen gegen den Vietcong. Bestellt hatte sie der südvietnamesische Bezirkskommandant. Bis mittags um eins machten die Reporter Bilder von Soldaten in Gefechtsstellung und fliehenden Vietcong. Sie waren bereits im Aufbruch, als der fehlorientierte südvietnamesische Bomber Napalmkanister auf eigene Stellungen abwarf. Als eine Gruppe qualverzerrter Menschen in panischer Angst über die Brücke auf sie zurannte, schossen die Fotografen ein Bild nach dem anderen, bis sie keinen Film mehr in der Kamera hatten. Das Foto von Kim Phuc war das anrührendste und wurde in Ost und West zur Ikone des Vietnam-Kriegs.

ULLA FÖLSING

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

1972 ging ein Foto durch die Medien, das Menschen auf der ganzen Welt erschütterte. Es zeigt die neunjährige Vietnamesin Kim Phuc, die nackt und schreiend mit schweren Verbrennungen nach einem Napalmangriff auf den Kriegsfotografen Nick Ut zulief, erzählt Mara Gonschior. Die Geschichte der Kim Phuc hat nun Denise Chong aufgezeichnet, hat Interviews mit ihr, ihrer Familie und Fotojournalisten, die Phuc damals kennengelernt hatten, geführt. Das ist ein spannendes Vorhaben. Aber leider kann die Rezensentin dessen Umsetzung aber auch so gar nichts abgewinnen. Das Recherchematerial findet Gonschior ungeordnet, die Erzählweise der Autorin ausufernd, redundant und plakativ. Und die Darstellung der Hintergründe des Vietnamkrieges sei eine "Geschichtslektion light", schimpft die Rezensentin. "Man hätte gerne die Interviews gelesen, die Chong führte, doch auf ihren über 400 Seiten lässt sie uns allein auf der Suche nach dem Mädchen hinter dem Foto", lautet das vernichtende Urteil von Gonschior.

© Perlentaucher Medien GmbH