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Seit dreißig Jahren wartet Vera auf die Rückkehr ihrer großen Liebe. Nachdem er mit sechzehn in den Zweiten Weltkrieg gezogen war, bekam sie nie ein Lebenszeichen. Trotzdem hält ihm Vera in ihrem Dorf am Weißen Meer die Treue. Erst ein junger Schriftsteller aus Leningrad bringt Bewegung in ihr festgefrorenes Leben. Ich entdeckte sie am anderen Seeufer: ein dunkler Strich inmitten der kalten, goldenen Glut. Ich sah ihr lange hinterher, verblüfft von einem einfachen Gedanken: Eigentlich weiß ich alles über diese Frau. Ihr ganzes Leben liegt vor mir ausgebreitet in dieser fernen Gestalt, die am…mehr

Produktbeschreibung
Seit dreißig Jahren wartet Vera auf die Rückkehr ihrer großen Liebe. Nachdem er mit sechzehn in den Zweiten Weltkrieg gezogen war, bekam sie nie ein Lebenszeichen. Trotzdem hält ihm Vera in ihrem Dorf am Weißen Meer die Treue. Erst ein junger Schriftsteller aus Leningrad bringt Bewegung in ihr festgefrorenes Leben. Ich entdeckte sie am anderen Seeufer: ein dunkler Strich inmitten der kalten, goldenen Glut. Ich sah ihr lange hinterher, verblüfft von einem einfachen Gedanken: Eigentlich weiß ich alles über diese Frau. Ihr ganzes Leben liegt vor mir ausgebreitet in dieser fernen Gestalt, die am See entlanggeht. Eine Frau, die seit dreißig Jahren, seit jeher, auf den Mann wartet, den sie liebt Eigentlich will der junge Schriftsteller aus Leningrad nur eine Reportage über das Erzengelland Archangelsk am Weißen Meer schreiben. Doch dann verfällt er zusehends der Faszination für die geheimnisvolle Vera, die schon so lange auf ihren Geliebten wartet. Der junge Mann aus der großen Stadt will alles tun, um Vera für sich zu gewinnen. Bald findet er die Wahrheit über ihren verschollenen Geliebten heraus.
Autorenporträt
Andreï Makine, geb. 1957 in Sibirien, studierte Philologie in Moskau und Twer. Durch seine französische Großmutter wurde er schon als Kind mit der Sprache und Kultur Frankreichs vertraut gemacht. Seit 1987 lebt er in Paris. 1995 wurde er mit dem Roman 'Das französische Testament' international bekannt. Das Buch erhielt mehrere sehr renommierte Preise und wurde in 27 Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2007

Rumkrieger
Plotwalfang im Weißen Meer: Andreï Makines sibirische Orgie

Da ist ein Dorf in Zentralsibirien, Mirnoje, das ist das Wahre. Hier lebt eine Frau, nicht mehr jung und noch nicht alt. Seit drei Jahrzehnten wartet sie auf die Rückkehr ihres Geliebten, der ihr 1945, als Jugendlicher, entrissen wurde: Sie ist das Wahre. Wie kann sie anders heißen als Vera? Der Erzähler, ein junger Arbeiter des Geistes, Wahrheitsucher, begibt sich Mitte der Siebziger aus dem mondänen Leningrad - soeben hat die sexuelle Revolution die Stadt erreicht, ihre Künstler simulieren mittels Orgien westliches Polit-Dandytum - nach Mirnoje. Er hofft, "in diesem verlorenen Winkel des russischen Nordens die Sowjetepoche in komprimierter Form vorzufinden". Was er findet, zieht ihn so sehr an, wie es ihn abstößt: Der Frieden am Weißen Meer ist endgültig.

Ihm begegnet ein weiterer Fremder, der wollüstige Georgier Otar, der mit seinem Lastwagen durch die sibirische Einöde rumpelt, die ihm allerdings ganz sympathisch ist, immerhin "kommen hier auf einen Kerl neun Weiber". Das passt gut zu seiner Freud und Darwin kurzschließenden Philosophie, die er sich zurechtgegrübelt hat: "Wenn du nicht leiden willst, musst du dich benehmen wie ein Schwein. Begegnest du einer Frau, dann bums mit ihr und such dir die nächste. Aber versuche nicht, sie zu lieben!" Natürlich aber möchte Otar nichts lieber als das, was ihn jäh verstummen lässt angesichts der plötzlichen Erscheinung Veras (sie ist hier überhaupt so häufig anzutreffen, dass dem Erzähler doch allmählich aufgehen müsste, dass es sich um eine Imagination handelt). Nichts stimuliert nun die beiden Männer mehr als Veras ostentative, wenn nicht mythische Tugendhaftigkeit: Beide arbeiten am Sturz der Heiligen. Otars Antrag weist sie zurück. Zu dem ihr nachstellenden Erzähler jedoch fasst sie Zutrauen.

Dieser scheint paralysiert von seiner Begierde. Die Angebetete muss ihn nur ansehen, schon wittert er das "Einverständnis, dass in dieser rot und gewaltig hereinbrechenden Nacht alles möglich war zwischen diesem Mann und dieser Frau". Das wären die Ingredienzien: ein Rumkrieger und ein scheues Reh inmitten einer Orgie des Kitsches. "Das Cembalo war im leuchtenden Abendlicht verstummt, die Klänge mischten sich in die wiederholten Klagerufe eines Pirols, in den Geruch des Holzfeuers aus der nächsten Isba." Man muss das noch nicht Anmut und Poesie nennen wie der Klappentext: Ein gezuckertes Stimmungsbild sieht nicht anders aus.

Was das Buch aber doch noch interessant macht, sind der präzise Stil, die mit beinahe naturwissenschaftlicher Genauigkeit angestellten Beobachtungen kleinster Bewegungen und vor allem der Kniff, die Integrität des Helden zu opfern: Unablässig präsentiert der angeberhafte Ich-Erzähler seine Theorien, die sämtlich vom Gang der Ereignisse widerlegt werden, bis er sich schließlich auf der wilden Flucht vor seinen eigenen Trugschlüssen befindet.

Dazu aber wird viel über einen See gerudert, teils mit Toten an Bord. Allegorischer Ballast ist auch der bizarre Hochzeitstanz der Greisinnen, welcher dem finalen Zusammenschlag von Wahrheit und Irrationalität vorausgeht. Hier endgültig stürzt der Roman des in Paris lebenden Vielschreibers Makine in jene Klischees ab, mit denen er ansatzweise zu spielen verstand, indem die Grundbewegung die einer Entmythisierung war. Eine Welle vermeintlich russisch-nostalgischer Schwermut spült schließlich die Reste des Plots einfach ins Weiße Meer hinein, wo schon die Plots von Makines früheren Büchern herumschwappen.

OLIVER JUNGEN

Andreï Makine: "Die Frau vom Weißen Meer". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007. 190 S., geb., 18,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Andrei Makines Buch über eine Romanze am Weißen Meer hat Rezensent Uwe Stolzmann überaus beeindruckt. Die Schlichtheit der Liebesgeschichte um einen jungen Schriftsteller aus Leningrad, der in der Breschnew-Ära im hohen Norden, bei Archangelsk Sitten und Gebräuche studieren will, und sich in die ältere Vera verliebt, ist in seinen Augen einfach "bestechend". Bei näherem Hinsehen wird für ihn allerdings deutlich, dass diese Schlichtheit nur vordergründig ist. Denn im Rückblick des Protagonisten, der sich Jahrzehnte später als reifer Mann an diese Romanze erinnert und seine Aufzeichungen von damals zitiert und kommentiert, herrsche der Zweifel, ob es wirklich war, wie er es damals erlebte. Spannend findet Stolzmann hier die Kontraste, die Makine in seinen Text hinein bringt: Ideal und Wirklichkeit, Selbstbild, Fremdbild, Wunsch und Täuschung. Sein Fazit: ein "ungewöhnlicher" Roman und ein "gutes" Buch, das "ruhig und melancholisch" stimme.

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