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Der Anwalt, der aus der Kälte kam
Er war ein Grenzgänger zwischen zwei Welten: Der Ostberliner Rechtsanwalt und DDR-Unterhändler Wolfgang Vogel war maßgeblich am Freikauf von mehr als 33.000 politischen Gefangenen der DDR beteiligt und stand dabei stets hoch in der Gunst westdeutscher Spitzenpolitiker - von Schmidt über Wehner bis hin zu Kohl. Doch wer war der geheimnisumwitterte politische Vermittler wirklich? Helfer in der Not oder gar des Teufels Advokat? Norbert F. Pötzl hat erstmals Zugang zu Vogels Privatarchiv und erhellt mit neuen Erkenntnissen ein wichtiges Kapitel…mehr

Produktbeschreibung
Der Anwalt, der aus der Kälte kam

Er war ein Grenzgänger zwischen zwei Welten: Der Ostberliner Rechtsanwalt und DDR-Unterhändler Wolfgang Vogel war maßgeblich am Freikauf von mehr als 33.000 politischen Gefangenen der DDR beteiligt und stand dabei stets hoch in der Gunst westdeutscher Spitzenpolitiker - von Schmidt über Wehner bis hin zu Kohl. Doch wer war der geheimnisumwitterte politische Vermittler wirklich? Helfer in der Not oder gar des Teufels Advokat? Norbert F. Pötzl hat erstmals Zugang zu Vogels Privatarchiv und erhellt mit neuen Erkenntnissen ein wichtiges Kapitel deutsch-deutscher Nachkriegsgeschichte - spannend wie ein Agententhriller.

»Meine Wege waren nicht weiß und nicht schwarz. Sie mussten grau sein - anders ging es nicht. Ich wollte Anwalt der Menschen zwischen den Fronten sein.«
In Wolfgang Vogels schillerndem Lebenslauf spiegelt sich die Deutschlandpolitik zur Zeit der Teilung. Als Unterhändler des SED-Regimes bewegt er sich geschmeidig im Schattenreich der Geheimdienste: Er arrangiert den Austausch von Spionen auf der Glienicker Brücke sowie den Freikauf politischer Gefangener durch die BRD und hilft durch sein diplomatisches Geschick bei rund 250.000 Familienzusammenführungen. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren ist er das einzige Bindeglied zwischen den beiden deutschen Staaten und auch später wichtiger Gesprächspartner für Barzel, Wehner, Schmidt und Co. - weitaus mehr als nur ein Briefträger zwischen Ost und West. Norbert F. Pötzl führte zahlreiche Gespräche mit Vogels Witwe und anderen Zeitzeugen und befragte die ersten freigekauften politischen Häftlinge. Entstanden ist die fesselnde und differenzierte Biografie des DDR-Unterhändlers. Mit vielen bisher unveröffentlichten Fotos.

Autorenporträt
Pötzl, Norbert F.
Norbert F. Pötzl, geboren 1948, von 1972 bis 2013 SPIEGEL-Redakteur, ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher. Er veröffentlichte u.a. den Bestseller "Der Fall Barschel - Anatomie einer deutschen Karriere" (1988), "Erich Honecker - Eine deutsche Biographie" (2002) und "Beitz - Eine deutsche Geschichte" (2011). Der Autor lebt und arbeitet in Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2014

„Unser
Briefträger“
Die spannende Vita des
DDR-Anwalts Wolfgang Vogel
Er war eine schillernde Figur. Gern beschrieben wurde sein „goldener“ Mercedes. Offiziell hieß die Lackierung „champagner-metallic“, und er hatte die Farbe in Kauf genommen, weil er rasch ein Auto benötigte. Da er wegen ausgedehnter Reisen häufig ein neues Gefährt brauchte, die vielen Wechsel aber nicht auffallen sollten, waren auch etliche Nachfolgeautos champagner-metallic, vulgo golden:  eines von vielen bislang unbekannten Details im Leben des Wolfgang Vogel, die Norbert F. Pötzl über den ehemaligen DDR-Rechtsanwalt zusammengetragen hat.
  Vogel war ein Wanderer zwischen den Welten – im ganz Kalten Krieg wie in den Jahren der Annäherung zwischen Ost und West bis zum Fall der Mauer vor 25 Jahren. Sein Name ist untrennbar verbunden mit der Praxis der alten Bundesrepublik, politische Häftlinge aus der DDR freizukaufen. 33 755 Menschen kamen unter Vermittlung Vogels zwischen 1963 und 1989 aus DDR-Gefängnissen frei, in rund 215 000 Fällen wirkte Vogel an „Familien-Zusammenführungen“ mit.
  Aber Vogel war auch über viele Jahre hinweg der Einzige, der direkten Kontakt zwischen DDR-Staatschef Erich Honecker und der Bundesregierung herstellte. Vogel war der Sendbote, wenn Honecker vertrauliche Nachrichten nach Bonn übermitteln wollte. Pötzl beschreibt, wie Honecker demonstrativ im Beisein des damaligen Stasi-Ministers Erich Mielke dem Anwalt seine privaten Telefonnummern gab; er genoss das uneingeschränkte Vertrauen so misstrauischer Männer wie Herbert Wehner und Helmut Schmidt, der ihn „unseren Briefträger“ nannte.
  Der ehemalige Spiegel -Redakteur Norbert Pötzl, 66, lernte Vogel 1992 kennen. Daraus entstand eine Freundschaft, die bis zum Tod Vogels im Jahr 2008 währte. Erstmals durfte Pötzl die privaten Aufzeichnungen des Anwalts auswerten. In Gesprächen mit Vogel, mit dessen Ehefrau Helga, mit einstigen Mandanten und mit maßgeblichen Zeitzeugen hat der akribische Rechercheur Pötzl den Lebensweg des 1925 in Niederschlesien geborenen Vogel erforscht. Pötzl hat alle erdenklichen Archive durchforstet; lang ist die Liste der von ihm ausgewerteten Bücher und Dokumente.
  Aus seiner Verehrung für Vogel macht Pötzl keinen Hehl. Dieser „singulären historischen Gestalt“ will er jenen Platz in der Geschichte verschaffen, der ihr seiner Meinung nach gebührt. Dabei spart er das Misstrauen, das Vogel zeit seines Lebens von vielen Seiten entgegengebracht wurde, nicht aus. Sein Fazit: „Die Grauzone ist der Spielraum, den Wolfgang Vogel nutzt.“ Zum Jubiläum des Mauerfalls erzählt Pötzl spannend aus der deutschen Geschichte. Seine Biografie mag auch als Lehrbuch über die Realität der deutschen Teilung dienen.
PETER BLECHSCHMIDT
Norbert F. Pötzl: Mission Freiheit – Wolfgang Vogel, Anwalt der deutsch-deutschen Geschichte. Heyne-Verlag, 2014. 512 Seiten, 22,99 Euro.
Der Autor war bis 2012 Redakteur bei der SZ. Heute arbeitet er in der Politikberatung.
Selbst misstrauische Zeitgenossen
wie Herbert Wehner und
Helmut Schmidt vertrauten Vogel
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2015

Nutznießer des SED-Regimes
Anwalt im Osten und Westen Berlins: Wolfgang Vogel und die deutsche Teilung

Eine der schillerndsten Figuren während der Zeit der deutschen Teilung war zweifellos Wolfgang Vogel. Als Wanderer zwischen beiden Welten hat der Rechtsanwalt, der zugleich in Ost- und West-Berlin eine Lizenz besaß, insgesamt 33 755 Menschen die Freilassung aus DDR-Gefängnissen ermöglicht, wobei die meisten von ihnen in die Bundesrepublik überwechselten. Darüber hinaus verhandelte er erfolgreich den Austausch von rund 150 Angehörigen von Geheimdiensten beider Seiten aus insgesamt 23 Ländern. Das alles war jedoch nur möglich, indem Vogel eng mit der Stasi zusammenarbeitete und zugleich permanente Unterstützung von den höchsten politischen Vertretern beider deutscher Staaten erfuhr, ja genoss.

Vogels oftmals heikle Tätigkeit wurde von Herbert Wehner, Helmut Schmidt und Hans-Jochen Vogel genauso geschätzt wie von Erich Honecker. Gleichzeitig machte ihn der "Freikauf" zu einem wohlhabenden Mann. Sein "goldener" Mercedes war in der DDR mehr als auffällig. Entsprechend gehen die Urteile über ihn bis heute weit auseinander. Jürgen Fuchs, einer der aufrechten DDR-Oppositionellen und vom MfS geradezu manisch verfolgt, sagte über ihn: "Ich glaube, dass einem Mann wie Wolfgang Vogel tatsächlich viel daran liegt, Gefangene rauszuholen. Und dafür gehen er und andere in die Machtstrukturen, übernehmen die Sprachregelung und sind manchmal erfolgreich, wenn die ,Interessenlage' es erlaubt." Ganz anders Wolfgang Biermann: "Dieser Rechtsanwalt ist eine eindeutig zwielichtige Gestalt, einer, der seit Jahrzehnten davon lebt, dass die DDR Kopfgeld beim Verkauf von unbotmäßigen Landeskindern kassiert. Und von diesem Schandgroschen zweigt Vogel sein Honorar ab - Westpfennige für Menschenfleisch, die sich beim Umfang des Warenumschlags eben summieren. Vogel lebt davon in der DDR so, wie man eigentlich in der DDR nicht lebt." Doch wie sah Vogel selbst sein Leben und seine Tätigkeit: "Meine Wege waren nicht weiß und nicht schwarz. Sie mussten grau sein - anders ging es nicht. Ich wollte Anwalt der Menschen zwischen den Fronten sein." In der Tat bietet sein Lebensweg genug Stoff für eine Biographie. Norbert F. Pötzl hat sich dieses ambivalenten Lebens zwischen Ost und West angenommen und konnte erstmals aus Vogels Nachlass schöpfen. Er hat auch noch weitere Archive eingesehen und kannte Vogel seit 1992 persönlich. Für ihn fügt sich aus dem umfangreichen Material "das Bild eines oft auf sich allein gestellten Grenzgängers zwischen den Fronten im Kalten Krieg".

Im Jahr 1925 in der schlesischen Grafschaft Glatz als Sohn eines Dorfschullehrers geboren, wuchs Vogel in einer bodenständigen, tief katholischen Familie auf. Obwohl er sich nach dem Krieg für den sozialistischen deutschen Staat entschied, der jegliche religiöse Überzeugung bekämpfte, blieb er zeit seines Lebens mit seinem Glauben verbunden. Sich selbst bezeichnet er als Marxist und Katholik. Das muss man erst einmal mit sich vereinen können. Im Herbst 1944 noch als Jugendlicher eingezogen, ist er vom Krieg rasch desillusioniert. Nur knapp überlebt er die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 und wird danach noch einmal in der letzten Schlacht um Berlin eingesetzt. Des sinnlosen Mordens müde, desertiert er, wird jedoch in Görlitz gefasst und entgeht nur deshalb dem Tod, weil ihn russische Soldaten befreien und wegen seiner Fahnenflucht als Nazi-Gegner ausweisen. Nach weiteren schrecklichen Erlebnissen in seiner völlig zerstörten Heimat beginnt er in Jena im Herbst 1945 und dann in Leipzig Jura zu studieren; im Februar 1949 schließt er es mit dem Referendarexamen ab. Rasch bekommt der junge Jurist hautnah mit, wie aus einer unabhängigen Justiz "Klassenjustiz" wird; die Abschaffung der Unabhängigkeit von Gerichten erschüttert ihn. Doch Vogel ist ehrgeizig und bleibt in der DDR; 1952 tritt er ins Justizministerium ein.

Hier gerät er erstmals ins Visier der Stasi, Anfang November 1953 wird er "Geheimer Informator" (GI). Vier Jahre später erhält er auch die Zulassung in West-Berlin; das MfS erhofft sich substantielle Informationen durch seinen GI über den westdeutschen Klassenfeind. Erst jetzt, als Anwalt in beiden Teilen Berlins, ist Vogel in der Lage, seine spätere Tätigkeit des Häftlingsfreikaufs und des Austausches von Spionen auszuüben. Obwohl er seine Tätigkeit für das MfS reduziert, bleibt er immer damit verbunden, wie auch sonst?

Durch eine Reihe von Gerichtsprozessen wird Vogel westlichen Stellen bekannt. Seine Stunde schlägt, als nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 die innerdeutschen Grenzen dicht sind. Noch gibt es jedoch kein Verfahren, wie man politische Häftlinge oder Ausreisewillige aus DDR-Gefängnissen herausholen kann; angesichts der unversöhnlichen Haltung beider deutscher Staaten zueinander und dem Umstand, dass die SED mit den Häftlingen über ein Faustpfand verfügt, verwundert das nicht. Im März 1962 gelingt erstmals der Austausch von zwei Häftlingen aus der Bundesrepublik und der DDR; Mitte 1964 setzt der Freikauf ein und wird trotz immer wieder auftretender Probleme bis Ende 1989 durchgehalten.

Pötzl übergeht nicht, dass sich Vogel von 1993 an gegen Anschuldigungen von Meineid, Bereicherung und Steuerhinterziehung in verschiedenen Prozessen erwehren muss; für ein halbes Jahr ist er in U-Haft. Erst im August 1998 wird er durch den BGH von den Beschuldigungen freigesprochen. Pötzl schildert das alles im Einzelnen, manchmal zu detailliert, aber immer in gut lesbarem Stil. Unverkennbar ist seine Sympathie für Vogel, auch wenn er feststellt, dass dieser "ein Produkt, Vertreter und Nutznießer des Systems, dem er diente, war". Es hätte nicht geschadet, wenn er sich noch mehr der Frage gestellt hätte, inwieweit Vogel auch zum Dr. Faustus wurde.

GÜNTHER HEYDEMANN

Norbert F. Pötzl: Mission Freiheit. Wolfgang Vogel, Anwalt der deutsch-deutschen Geschichte. Heyne Verlag, München 2014. 512 S., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Günther Heydemann geht die Sympathie des Autors für seinen Gegenstand mitunter etwas zu weit, kritische Fragen findet er nicht viele in Norbert F. Pötzls Biografie über den DDR-Anwalt Wolfgang Vogel, einer schillernder Gestalt im Geschäft mit den Häftlingsfreikäufen zwischen den beiden deutschen Staaten. Vogels Lebensweg scheint dem Rezensenten allerdings interessant genug, das Buch empfehlenswert, nicht zuletzt, da das umfangreiche vom Autor erschlossene Material in einen stilistisch gut lesbaren Text verwandelt wurde.

© Perlentaucher Medien GmbH
Zum Jubiläum des Mauerfalls erzählt Pötzl spannend aus der deutschen Geschichte. Seine Biografie mag auch als Lehrbuch über die Realität der deutschen Teilung dienen. Süddeutsche Zeitung, Peter Blechschmidt