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Der Autor stellt die Theorien Einstein, Bohrs, Cantors, Darwins, Hawkings, Lorenz', Monods, Weizsäckers auf den Prüfstand der Geschichte und zeigt: Nicht alle Wirklichkeit ist Natur. Einsteins Weltbild ist zerbrochen, es hat nur kaum jemand bemerkt.

Produktbeschreibung
Der Autor stellt die Theorien Einstein, Bohrs, Cantors, Darwins, Hawkings, Lorenz', Monods, Weizsäckers auf den Prüfstand der Geschichte und zeigt: Nicht alle Wirklichkeit ist Natur. Einsteins Weltbild ist zerbrochen, es hat nur kaum jemand bemerkt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2001

Von Quanten und Mönchen
Erlösung nach Einstein: Im Unendlichen verliert Dieter Hattrup sich selbst und findet Gott

Das Ich der Moderne sei ein verlorenes, stets erfolglos auf der Suche nach Stichwortgebern. So hat es Gottfried Benn in Ablehnung jeder göttlichen und wissenschaftlichen Ordnung Ende der vierziger Jahre umschrieben. Am Beginn des neuen Jahrhunderts macht sich nun der Paderborner Theologe Dieter Hattrup in seinem Buch "Einstein und der würfelnde Gott" auf die Suche nach jenen Stichworten, die die Naturwissenschaft einst in den Mund legte. Zu Hilfe eilt ihm dabei die Quantentheorie, die das neuzeitliche Bild einer determinierten und berechenbaren Welt in Frage stellte: "Nicht alle Wirklichkeit ist Natur." Dieser Spur folgt Hattrup, indem er den Konflikt zwischen Albert Einstein und Niels Bohr um die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie schildert: Hier seien der Wunsch nach einem geschlossenen, kausalen Weltbild und die Anerkennung der Grenzen des Wissens aufeinandergetroffen. Hattrup zeichnet Einstein als tragische Figur, die sich von der Hoffnung auf Spinozas Gottnatur als "Garant der Rationalität der Natur" nicht trennen will.

Leider gibt Hattrup hier biographischen Momenten Vorrang gegenüber der Darstellung der philosophischen Schwierigkeit, Begriffe wie "Kausalität" im Rahmen der Quantenphysik zu definieren und so zu einer Deutung der Problematik zu gelangen. Dies wäre notwendig gewesen, da Hattrup in den nachfolgenden Kapiteln oft den aus der Quantentheorie folgenden Indeterminismus als Unterpfand nimmt, um die Differenz der Wirklichkeit von einer berechenbaren und ganz erfaßbaren Natur aufzuzeigen. Eine ähnliche Diskrepanz macht Hattrup auch in der Mathematik aus, wo er den Weg der Mathematiker Hilbert, Russell und Cantor von der Endlichkeit über die abzählbare Unendlichkeit hin zum Absolut-Unendlichen abschreitet. Hattrup findet in der Unmöglichkeit, ein sich selbst begründendes mathematisches System zu schaffen, einen Hinweis auf das "wahrhaft Unendliche". Daß es im Bereich der Biologie unmöglich sei, die Freiheit des Individuums und seine ethischen Setzungen aus einem evolutionistischen Ansatz herzuleiten, ist für Hattrup Indiz für eine "Andersheit" des Menschen: "In der Welt" sei die Letztbegründung nicht zu finden.

In den Differenzen der Wirklichkeit zur Natur, des Unendlichen zum Endlichen und der Freiheit des Individuums zu seiner Endlichkeit findet nun Hattrups theologische Deutung ihren Einsatzpunkt. Denn hier wende sich nun das aktive Ergreifenwollen des Menschen zu einem Ergriffensein. Letzteres spiegele sich in der Erfahrung der Gnade der Offenbarung als "Erlösung vom Interesse" und erweise sich somit als Gegenstück zu Nietzsches Lehre vom stets interessegeleiteten Sein. In dieser Befreiung nun findet Hattrup die Idealform des Lebens: Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit. Der Christ kommt erst als Mönch ganz zu sich selbst.

Lobenswert ist sein Versuch, den Dialog der Theologie mit der Wissenschaft zu suchen. Er versagt sich dabei sowohl dem Pantheismus als auch einer strikten Trennung von Religion und Naturwissenschaft. Daß er aber die Konsequenz aus den Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis fast wie einen Gottesbeweis formuliert, gibt diesem Buch einen altväterlichen Unterton. Auch scheint er in der finalen Entgegensetzung der Leitbilder Mönch und Naturwissenschaftler einen Grundtypus menschlicher Existenz gar nicht für möglich zu halten, der das zwanzigste Jahrhundert geprägt hat: jenen Menschen nämlich, der sich weder in wissenschaftliche noch in religiöse Ordnungen zu finden weiß und diese Obdachlosigkeit anerkennt.

MATHIAS KRAUSE

Dieter Hattrup: "Einstein und der würfelnde Gott". An den Grenzen des Wissens in Naturwissenschaft und Theologie. Herder Verlag, Freiburg / Breisgau 2001. 304 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zwar begrüßt Mathias Krause grundsätzlich den Versuch Hattrups, den "Dialog der Theologie mit der Wissenschaft zu suchen". Doch insgesamt kann sich der Rezensent mit den hier vorgestellten Thesen kaum anfreunden. So bemängelt er den "altväterlichen Unterton" Hattrups, der dadurch entstehe, dass der Autor die Grenzen der Wissenschaft "fast wie einen Gottesbeweis formuliert". Nach Krause übersieht der Autor darüber hinaus, dass es bei seiner Gegenüberstellung der "Leitbilder" von Mönch und Naturwissenschaftler noch einen weiteren Menschentyp im 20. Jahrhundert gibt, nämlich den, der sich weder in "wissenschaftlichen noch in der religiösen Ordnung" ansiedelt. Nicht zuletzt bedauert der Rezensent, dass der Autor sich bei der Diskussion Albert Einsteins und Niels Bohrs um die Quantentheorie auf biografische Aspekte konzentriert und die philosophischen Aspekte bezüglich der Kausalität innerhalb der Quantenphysik weniger beleuchtet. Dies wäre nach Ansicht Kruses jedoch für die Darstellung der Problematik unabdingbar gewesen.

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