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Gerechtigkeit - ein vergessener Wert? Wer den Menschen nur als Kostenfaktor sieht, missachtet seine Würde. Auch in Zeiten der Globalisierung und knapper werdender Kassen, so Blüm, sind Menschenwürde und sozialer Zusammenhalt kein Klotz am Bein. In scharfer Auseinandersetzung auch mit den geistigen Fundamenten und mit der Realität des Kapitalismus klärt er aktuelle Fragen: Arbeit, Familie, Solidarität. Inspiriert von der christlichen Soziallehre - ein klärender Beitrag zur aktu ellen Debatte.

Produktbeschreibung
Gerechtigkeit - ein vergessener Wert? Wer den Menschen nur als Kostenfaktor sieht, missachtet seine Würde. Auch in Zeiten der Globalisierung und knapper werdender Kassen, so Blüm, sind Menschenwürde und sozialer Zusammenhalt kein Klotz am Bein. In scharfer Auseinandersetzung auch mit den geistigen Fundamenten und mit der Realität des Kapitalismus klärt er aktuelle Fragen: Arbeit, Familie, Solidarität. Inspiriert von der christlichen Soziallehre - ein klärender Beitrag zur aktu ellen Debatte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2006

Sozialstaatsgewissen
Norbert Blüm schreibt über Gerechtigkeit / Von Georg Paul Hefty

Jürgen Rüttgers ist in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, also seit den achtziger Jahren, der dritte Versuch der CDU, Nordrhein-Westfalen in den Griff zu bekommen. Sein berühmtestes Wort, die "Lebenslüge der CDU", ist das glänzendste Instrument der aktuellen Versuchsanordnung. Dieses Instrument wurde jedoch nicht entwickelt, um die innerparteilichen Freunde und Gegner zu beeindrucken, sondern weil die Wählerschaft des Landes mit dem "gefühlten" höchsten Anteil an mentaler Industriearbeiterschaft ein solches "befreiendes" Wort zu den Belastungen der Reformdebatte erwartete.

Die CDU hat in Nordrhein-Westfalen jeden Weg erprobt. Von 1980 bis 1987 war der frühere Manager und Wirtschaftsprofessor Biedenkopf Spitzenkandidat, Landesvorsitzender und Richtungsgeber - mit unzureichendem Erfolg. Dann setzte die CDU in der Urheimat des rheinischen Kapitalismus auf das Gegenteil, auf den Sozialpolitiker Blüm, der die Ausbildung des Werkzeugmachers mit der Promotion in Philosophie gekrönt hatte. Ein Jahrzehnt lang gab er die Richtung an - der Erfolg, dessen einziger Maßstab die parlamentarische Mehrheit ist, blieb dennoch aus.

Seit 1999 führt Jürgen Rüttgers die Landespartei, und es blieb ihm gar nichts anderes übrig, denn als personifizierter Kompromiß zwischen Biedenkopf und Blüm aufzutreten: Jurist und Sozialstaatsgewissen in einem. Und tatsächlich stellte sich endlich der Wahlerfolg ein. Seither operiert Rüttgers eng am Zeitgeist oder im Parteijargon "näher bei den Menschen". Nun hat die Bundes-CDU sogar eine neue Parole ausgegeben: "Besser für die Menschen".

Der selbstkritische Vorwurf der "Lebenslüge" war das laute Signal einer bis dahin unterschwelligen Trendwende in der Union. In mehreren Landesverbänden macht man sich Gedanken über die seit einem Jahrzehnt stiefmütterlich behandelte Gerechtigkeitsfrage. Auf dem CDU-Parteitag in Dresden soll sie sich in dem Tagesordnungspunkt "Soziale Kapitalpartnerschaft - für mehr Arbeitnehmerbeteiligung an Gewinn und Kapital" niederschlagen. Da kommt das Buch Norbert Blüms gerade recht. Nicht, weil es von den Parteitagsdelegierten begierig gelesen würde, was durch Blüms Stil nicht schwergemacht wird, sondern weil es einer breiteren Öffentlichkeit darlegt, was man über Gerechtigkeit in der Sozialpolitik wissen muß.

Da geht es nicht ausschließlich um tröstliche Floskeln wie: "Gerechtigkeit ermöglicht uns, mit den Unvollkommenheiten zurechtzukommen." Aufschlußreicher sind die Erläuterungen der ausgleichenden Gerechtigkeit und der Verteilungsgerechtigkeit. Unverwechselbar sind aber die sozialpolitischen Lektionen dessen, der nicht nur 16 Jahre lang Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung war, sondern auch noch immer keinen namhaften Nachfolger in der CDU gefunden hat, obwohl er schon seit acht Jahren aus dem Tagesgeschäft ist. Doch wer könnte seither Sätze formulieren wie "Ein Sozialstaat, der sich nur an der Bedürftigkeit orientiert, muß ständig Formulare produzieren und Anträge prüfen"?

Blüm hat sich viele Verächter herangezogen, seit die SPD seine Aussage "Die Rente ist sicher" zum Gespött gemacht hat, ohne daß der Wahrheitsgehalt für die absehbare Frist widerlegt worden wäre. Aber auch seine Kritiker könnten über folgende Passage nachdenken: "Der Sozialstaat entlastet die Unternehmen. Erst nachdem die großen sozialen Risiken - Unfall, Invalidität, Krankheit - aus dem Betrieb externalisiert worden waren, konnte sich eine unternehmerische Ratio entwickeln, die sich im Wettbewerb bewährte und am Gewinn orientierte. Solange der Betrieb gleichzeitig Sozialstation war - wie im mittelalterlichen Zunftwesen -, konnte sich die Marktwirtschaft nicht entwickeln. Ohne Sozialstaat keine moderne Marktwirtschaft."

Die jüngste Entwicklung verwirft Blüm: "Geisterfahrerhaft steuern wir hierzulande auf eine stärkere Steuerabhängigkeit der Sozialpolitik zu." Die Gefahr für die Bürger sieht er in der Dispositionsfreiheit der Politiker über den Bundeshaushalt. Nur "ein mit Beiträgen erworbener Anspruch steht unter Eigentumsschutz".

Norbert Blüm: Gerechtigkeit - Eine Kritik des Homo oeconomicus. Herder, Freiburg 2006, 192 Seiten, 7 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.12.2006

Feuerwehr als Brandstifter
Norbert Blüm wettert gegen die „neue Gerechtigkeit”
Am Ende des Buches ein Bekenntnis: „Ich vertraue auf die Weltmacht Gerechtigkeit. Sie wird stärker.” Es ist das Bekenntnis eines Menschen, dem in seiner langen politischen Karriere das Vertrauen auf die Macht der Ideen nicht abhanden gekommen ist. Von Aristoteles über Thomas von Aquin bis zu Nell-Breuning und Amartya Sen entfaltet er die Idee der Gerechtigkeit, stellt dem neoliberalen homo oeconomicus sein christlich geprägtes Menschenbild entgegen und plädiert für eine im Ordoliberalismus Euckens, Röpckes und Müller-Armacks gegründete Vorstellung von sozialer Marktwirtschaft als ökonomischer Basis einer gerechten Gesellschaft.
Eingestreut in den Text sind immer wieder persönliche Erlebnisse, anschauliche Schilderungen der erörterten Probleme, die zeigen, mit welcher Leidenschaft und Nähe zu den Menschen der Autor sein Thema verfolgt. Das ist überhaupt das Erstaunlichste an diesem Norbert Blüm, dass ihn der politische Betrieb, dass ihn alle Niederlagen und alle Häme seiner Gegner nicht zum larmoyanten Schwarzseher und auch nicht zum Zyniker haben werden lassen.
Unverdrossen schreibt er über sein Lebensthema Gerechtigkeit. Dass das nicht ohne Zahlen abgeht, versteht sich. 1970 gab es auf der ganzen Welt 217 000 Einkommensmillionäre, heute sind es 1,5 Millionen. Das Vermögen der Dollarmilliardäre ist allein von 2003 bis 2005 um satte 57 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sind in vielen Ländern die Einkommen von Arbeitern und Angestellten dramatisch gesunken. In 98 Ländern liegen die Durchschnittseinkommen heute unter denen von vor zehn Jahren, in Afrika mittlerweile 20 Prozent unter dem Niveau von 1980. Überall auf der Welt, auch in Deutschland, sind die Masseneinkommen gesunken, die Einkommen der Spitzenverdiener umso schneller gestiegen. Heute haben die oberen zehn Prozent
der Haushalte in Deutschland ein durchschnittliches Vermögen von 670 000 Euro, die unteren zehn Prozent dagegen durchschnittliche Schulden von 8000 Euro.
Die Zahlen sind allgemein zugänglichen Statistiken entnommen. Selbstverständlich sind diese Zahlen auch den Politikern aller Parteien bekannt. Dennoch spielen sie in den Reformdebatten der letzten Jahre kaum eine Rolle. Statt über die wachsende Ungerechtigkeit im Land reden die meisten Politiker lieber über missbräuchliche Inanspruchnahme sozialer Leistungen, über Leistungsverweigerung und Anspruchsinflation. Mit der skandalösen Ungerechtigkeit, so scheint es, hat sich die politische Klasse weitgehend abgefunden. Selbst in der SPD
gibt es neoliberal infizierte Genossen, die verteilungspolitische Korrekturen für einen alten Zopf halten, den es abzuschneiden gilt. Im Zeitalter der Globalisierung, heißt es, sei mit den alten Vorstellungen von Gerechtigkeit nichts mehr anzufangen.
Stimmt das? Norbert Blüm jedenfalls hält daran fest, dass die Vorstellungen von Gerechtigkeit heute im Kern immer noch dieselben seien wie vor hundert und tausend Jahren. Nach ihm gibt es keinen vernünftigen Grund von einer „neuen Gerechtigkeit” zu reden, wie dies im Entwurf eines neuen Grundsatzprogramms der Union geschieht. Er ist davon überzeugt, dass wir auch unter den Bedingungen der Globalisierung keinen Anlass haben, in Sachen Gerechtigkeit so kleinmütig zu sein, wie es die meisten Politiker bei uns zur Zeit sind.
Das Buch wendet sich nicht an ein Fachpublikum, sondern an den ganz normalen gebildeten Leser. Ihn möchte Blüm für die Sache der Gerechtigkeit gewinnen. Dass dabei nicht alle Komplikationen des Themas zur Sprache gelangen können, die Argumentation nicht immer allen Zwischentönen gerecht wird, ist kaum zu vermeiden.
Es geht dem Autor darum, in den Grundfragen Klarheit zu schaffen.
Ein Staat ohne Gerechtigkeit schreibt er, Augustinus zitierend, den Ackermanns und Westerwelles ins Stammbuch, ist nichts als „eine große Räuberbande”. Und über die angeblich dem Untergang geweihte gesetzliche Rentenversicherung: „Erst wird die Rentenversicherung in Brand geschossen und dann nach
der Privatversicherung als Feuerwehr gerufen. Aber die Feuerwehr ist der Brandstifter.”
Vor allem an der Basis der C-Parteien wird sein leidenschaftlicher Zwischenruf nicht ungehört bleiben. Denn soviel ist offensichtlich: Norbert Blüm ist mit seinen Vorstellungen allemal tiefer verankert in der katholischen Soziallehre, auf die sich die Union so gern beruft, als die meisten heute tonangebenden Politiker von CDU und CSU.
JOHANO STRASSER
NORBERT BLÜM: Gerechtigkeit. Eine Kritik des Homo oeconomicus. Herder spektrum, Freiburg im Breisgau 2006. 192 Seiten, 7 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Angetan berichtet Johano Strasser über Norbert Blüms engagierte und anschauliche Gedanken zur Gerechtigkeit. Sowohl der instruktive Überblick über die Idee der Gerechtigkeit von Aristoteles über Thomas von Aquin bis zu Nell-Breuning und Amartya Sen als auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus sowie das Plädoyer für die soziale Marktwirtschaft als ökonomischer Basis einer gerechten Gesellschaft scheinen Strasser recht gelungen. Beeindruckt haben ihn die "Leidenschaft und Nähe zu den Menschen", mit denen Blüm sein Thema verfolgt. Er bekundet seinen Respekt für Blüm, den weder der politische Betrieb noch seine Niederlagen und die Häme seiner Gegner zum "larmoyanten Schwarzseher" oder Zyniker werden ließen. Dass Blüm nicht alle Feinheiten der komplexen Thematik erörtert, fällt für Strasser nicht negativ ins Gewicht, geht es doch in erster Linie um die Klärung von Grundfragen.

© Perlentaucher Medien GmbH