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Rory und Ita beschreiben ihr einfaches Leben und ihre Liebe in einem noch weitgehend ländlichen Irland. Abwechselnd erzählen sie von ihrer Kindheit und Jugend im Irland der 20er und 30er Jahre, von ihren Berufen als Schriftsetzer und Hausfrau, von Heirat, Familie und Festen. Aus Anekdoten und sinnlichen Erinnerungen an Farben, Geräusche und Gerüche entsteht das Mosaik eines ganzen Lebens. Eine liebevolle Annäherung Doyles an seine Eltern und ein persönliches Dokument irischer Geschichte.

Produktbeschreibung
Rory und Ita beschreiben ihr einfaches Leben und ihre Liebe in einem noch weitgehend ländlichen Irland. Abwechselnd erzählen sie von ihrer Kindheit und Jugend im Irland der 20er und 30er Jahre, von ihren Berufen als Schriftsetzer und Hausfrau, von Heirat, Familie und Festen. Aus Anekdoten und sinnlichen Erinnerungen an Farben, Geräusche und Gerüche entsteht das Mosaik eines ganzen Lebens. Eine liebevolle Annäherung Doyles an seine Eltern und ein persönliches Dokument irischer Geschichte.
Autorenporträt
Roddy Doyle, geb. 1958 in Dublin, ist einer der bekanntesten Vertreter der neueren irischen Literatur. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Dublin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2005

Irisches Schwarzbrot
Roddy Doyle erzählt die exemplarische Geschichte seiner Eltern

Mit seinem Roman "Paddy Clarke Ha Ha Ha", in dem das Leben aus der Sicht eines zehnjährigen Lausebengels betrachtet wird, wurde Roddy Doyle zur irischen Kultfigur. Sechs Romane hat der 1958 in Dublin geborene frühere Lehrer bisher verfaßt. Sie bestechen durch eine genaue Beobachtung des Alltags und ihre dem Leben abgelauschte Sprache. Als Doyle für "Paddy Clarke" den Booker-Preis erhielt, flammte eine Diskussion darüber auf, ob ein so unterhaltsames Buch überhaupt "gute Literatur" sei.

Von "Rory & Ita" aus gesehen, muß man diese Frage unbedingt bejahen. Das 2002 entstandene, jetzt in deutscher Übersetzung vorliegende Buch ist kein Roman, sondern, wie es im Untertitel heißt: "Eine irische Geschichte". Doyle befragte mit dem Mikrophon seine Eltern über ihr Leben, brachte sie zum Erzählen. Man hat es also mit den Protokollen einer mündlich überlieferten Alltagsgeschichte zu tun. Daneben wirken die Romane, denen oft zu große Nähe zum Dokumentarischen vorgeworfen wurde, kunstvoll komponiert. In ihnen wird die Gegenwart reflektiert, ist der Humor kalkuliert, sind Höhen und Niederlagen des Lebens genau ausbalanciert.

Im neuen Buch plätschert das Erzählen munter und mit einer gewissen Selbstgefälligkeit dahin, so wie man es sich von 1923 und 1925 geborenen Eltern gut vorstellen kann, die einem berühmt gewordenen Sohn Rede und Antwort stehen. So sehr dieser ihren Sprachfluß auch kanalisiert und mit Anmerkungen versieht: Vieles bleibt private Familiengeschichte. Dutzende von Verwandten passieren Revue, was angesichts der Tatsache, daß allein Rory mehr als achtzig Vettern und Basen ersten Grades hatte, für die Erzähler vielleicht unumgänglich ist, die Leser aber ermüdet.

Detailfreudig und farbig erzählen die Eltern von den Häusern ihrer Kindheit, von frühen Entbehrungen, von Schule und Ausbildung. Sehr viel liest man über das Druckergewerbe, die lange siebenjährige Lehrzeit, das Selbstbewußtsein der Arbeiter, die mit Anzug und Hut, mit Kragen und Schlips in ihre Betriebe gingen. Es folgen Heirat, Kinder und, nach langen Durststrecken, auf denen schon ein Täfelchen Schokolade am Wochenende Luxus war, endlich bescheidener Wohlstand. Eine Aufstiegskarriere also, anrührend erzählt, aber ohne die Magie, die "guter Literatur" eigen ist. Dem Autor ist das bewußt, und so bemüht er sich, dem Weg des Paares eine allgemeine Bedeutung zu verleihen, indem er dessen Leben mit der Geschichte des Landes verbindet. Schon auf der dritten Seite liest man von selbstgebastelten Granaten ("mit Gelignit und Eisensplittern gefüllte Kakaodosen"), auf denen Rorys Vater schläft, 1914, zwei Jahre vor dem Osteraufstand, der das Ende der englischen Herrschaft in Irland einläutete. 1921 zündet derselbe Tom Doyle das Whiskylager im Zollhaus von Dublin an, "Customs House" geht in Flammen auf. Ein Jahr später ist Irland frei und selbständig. Am Ende wird der Zündler und Bombenleger mit militärischen Ehren und einer IRA-Flagge auf dem Sarg zu Grab getragen. Rory ist stolz auf diesen Vater, hält sich aber von der IRA fern. Er wird Gewerkschaftler und Mitglied der sozialistischen Fianna Fáil.

Viel mehr an Politik läßt sich der Familiengeschichte nicht entnehmen. Rory, der es vom Schriftsetzer zum Berufsschullehrer und Bildungsberater bringt, ist zwar ein unersättlicher Leser und kluger Kopf, aber seine Bildung, seine politische Perspektive ist beschränkt. Das zeigt sich etwa an den Passagen, die dem Zweiten Weltkrieg gewidmet sind. Mehr als die Genugtuung, daß "die Briten von den Deutschen tüchtig Prügel bezogen", sowie die Einschränkungen durch Tee- und Kohleknappheit und das "grauenhafte" Schwarzbrot, das gebacken wurde, weil der Weizen aus Kanada ausblieb, sind ihm darüber nicht in Erinnerung geblieben. Neigt Rory beim Erzählen eher zum Sarkasmus, so die hellwache Ita zur Begeisterung. Sie liebt Dublin über alles, findet die meisten Menschen nett und schickt sich in das, was kommt. Die lebenslustige junge Frau quittiert, ohne zu murren, bei ihrer Heirat - das war Vorschrift - ihren gutdotierten Sekretärinnenposten und wirft sich mit Elan ins Familienleben. Fünf Schwangerschaften ("das Windelwaschen war eine echte Heimsuchung"), Parties im eigenen Bungalow ("hinterher war man ein halbes Jahr pleite"), dann endlich mit dem neuen über Irland gekommenen Wirtschaftsboom Reisen in die ganze Welt und als Lebensfazit: "Wir sind sehr, sehr glücklich" (Rory) sowie: "An meinen Tod denke ich nie" (Ita).

Die Religion spielt im Leben der beiden kaum eine Rolle. Vom Leiden spricht am Ende nur Ita. Sie beklagt den frühen Tod der Mutter und macht sich im Alter auf, um deren Verwandtschaft in Amerika zu finden; sie trauert um ihr drittes Kind, das nur einen Tag lang gelebt hat. Mit diesem dunklen Ton aus Itas Leben - "Erinnerungen, die ich gern gehabt hätte ... Erinnerungen an meine Mutter ... Erinnerungen an ein Kindchen" - endet das Buch. Zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum sind in den Text eingestreut. Sie zeigen die beiden Protagonisten: einen hochaufgeschossenen Mann mit Brille und dunklem keltischem Lockenhaar; eine Elfe, die ihm knapp an die Schultern reicht.

Doyle hat das Buch für irische Leser geschrieben. Fußnoten erklären Namen, Familienzusammenhänge, erläutern Filme. Er haßt die Irland-Klischees vom Volk der Säufer und Poeten, kann aber doch nicht widerstehen, durch Rorys Erinnerungen den Dichter Brendan Behan torkeln zu lassen und jenen durchlöcherten Taufstein zu erwähnen, der unbrauchbar gemacht wurde, weil in der Cromwell-Zeit fünfzehn katholische Rösser daraus protestantisches Wasser soffen, worauf sie stracks erblindeten.

Daß beim angesehenen Hanser Verlag auch keiner mehr Latein kann, verwundert. Gleich auf der ersten Seite wird das bekannte Weihnachtslied "Adeste fideles" falsch zitiert. Sprachliche Schnitzer - "ich wurde verwöhnt und betan" oder "ich wäre Leine gezogen" - erklären sich vermutlich aus der Schwierigkeit, englische Umgangssprache zu übersetzen. Manches, was schlicht falsch ist (der Plural "Schubläden" etwa), darf man wohl, angesichts der sonst sehr sicheren und renommierten Übersetzerin Renate Orth-Gutmann, für Druckfehler halten.

RENATE SCHOSTACK.

Roddy Doyle: "Rory & Ita". Eine irische Geschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Renate Orth-Gutmann. Hanser Verlag, München 2005. 316 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2005

Die O’Mustermanns
So sind sie, die irischen Kühlschränke: Roddy Doyles Eltern erzählen ihre Lebensgeschichte in „Rory & Ita”
Was suchen wir in Irland und irischer Memoirenliteratur? Wahrscheinlich den würzigen Torfgeruch, das Klappern der Milchkannen morgens um halb fünf, wenn schmatzend das Moor erwacht und die Gesänge der zähen Freiheitskämpfer über der Dublin-Bay erklingen. Wir suchen vierzehnköpfige Familien, die jubelnd und frei von jeglicher Existenzangst ihr dreizehntes Kind willkommen heißen und vor lauter Freude und Dankbarkeit noch den gichtkranken Großvater der Nachbarin oben in ihrer kleinen Dachkammer unterbringen.
Gefangen in unserem deprimierenden bundesdeutschen Labyrinth aus Fußgängerzonen, Umgehungsstraßen, Waldorfparkhäusern und überquellenden Altersheimen sehnen wir uns spätestens seit Heinrich Bölls „Irischem Tagebuch” nach einem Inselreich der Ursprünglichkeit und der existentiellen Dringlichkeit, wo sogar aus dem Mund des langbärtigen Kneipenbarden noch das Weltorakel spricht. Wir suchen in Irland die Asche unserer Mutter, unserer lieben, großen Urmutter, die uns etwas Geborgenheit gibt in ihrem sattgrünen Inselpubgroßfamilienuterus.
Familienalbum mit Eselsohren
Kaum etwas dieser Sehnsucht vermag Roddy Doyle in der Lebensgeschichte seiner Eltern Ita und Rory zu stillen. Nahezu unkommentiert montiert er die Erinnerungen seiner Eltern zu einem unspektakulären Familienalbum. Abwechselnd erzählt das Ehepaar von Taufen, Tanzabenden und Lehrstellensuche. Geflissentlich haken sie die Pflichtstationen aller O’Mustermanns ab. Die beiden sind sympathische Personen. Schnell fühlt sich der Leser wie ein Austauschschüler bei einer freundlichen Gastfamilie, die schon nach dem zweiten Stück Cremetorte das eselsohrige Fotoalbum hervorkramt. Gemütlich tickt die Standuhr, und alle sind unglaublich zuvorkommend. Aber leider auch ziemlich langweilig. Bald ist das Gesicht zum höflichen Dauergrinsen erstarrt. Mit vollem Magen und im sirrenden Kaffeerausch muss man tausendfältig verzweigte Stammbäume hinabklettern, um irgendwo an der dreizehnten Gabelung auf eine halbwegs amüsante oder ergreifende Anekdote zu stoßen.
Wo früher die Torfkrume qualmte, flackert heute das elektrische Kaminfeuer, und die einzige Lesefreude besteht darin, sich das gute, alte Torffeuer vorzustellen. Ansonsten ist der Erkenntnisgewinn schmal. Natürlich, diese irischen Familien waren groß und unglaublich solidarisch, davon hat man schon in der Kurzeinführung des Reiseführers gelesen. Aber leider fehlen in diesen Erinnerungen interessante Charaktere, unterhaltsame Schicksalsschläge oder ungewöhnliche Blickwinkel auf historische Ereignisse.
Nun hätten sich diese Memoiren noch zu einer spannenden Alltagschronik entwickeln können, doch dafür mangelt es Doyles Erzählern an einem originellen Temperament. Ita und Rory haben weder Einfühlungsvermögen noch Phantasie. Sie wirken wie anästhesiert vom einlullenden Ticken der Standuhr. Jahrelang arbeitete Ita in der Pathologischen Fakultät des University College von Dublin, wo sie Krankenformulare ausfüllte. Freimütig gibt sie zu: „Damals war es einfach Papier für uns, erst Jahre später hat man sich gefragt, was für Geschichten vielleicht dahinterstecken.” Gefühlstaube Menschen mit solch einem Mangel an Empathie taugen einfach nicht als interessante Zeitzeugen. Itas Erinnerung verfügt zwar über einen gut geölten Makrozoom, aber leider fördern ihre Nahaufnahmen immer nur die Muster ihrer alten Kleider, Tapeten und Bettvorleger zutage.
Über die ersten hundert Seiten vermag die einigermaßen folkloristische Zeitreise in das poetische Inselreich noch für die Banalität der Ereignisse zu entschädigen. Doch spätestens in der Nachkriegsära gleichen sich die irischen Lebensumstände so sehr den unsrigen an, dass keine klappernde Milchkanne und kein würziger Torffeuerqualm mehr die grausame Wahrheit dieser Chronik verdecken könnte: Man liest die Geschichte zweier Spießer. Ita und Rory haben uns Poesiehungrigen nicht viel mehr zu sagen, als unser Nachbar in seinem Baumarkt-Gartenhäuschen bei der abendlichen Flasche Bier.
Die großen Entscheidungen in diesem langweiligen Leben spielen sich vor allem in der Elektroabteilung der Kaufhäuser ab: „Als der Kochherd abbezahlt war, konnte ich zwischen einem Kühlschrank und einer Waschmaschine wählen. Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe den Kühlschrank genommen.” So sind sie, die irischen Kühlschränke: Nur allzu oft gewinnen sie das unerbittliche Duell mit ihren größten Widersachern, den irischen Waschmaschinen.
Die unerschütterliche Selbstzufriedenheit von Doyles Eltern ist deprimierend. Sublime Momente schenkt hier nur die Backkunst: „Ihre Scones waren einmalig.” Doyle präsentiert eine kuschelige Welt der Vormoderne. Die kleine Straße im Speckgürtel von Dublin ist der Wurmfortsatz der Geschichte, den nicht mal ein Weltkrieg zusammenzucken lässt. Ita und Rory spüren ihn nicht. Sie stricken, backen und tanzen einfach weiter. Diese Leben werden vom lethargischen Imperativ regiert: „Bei den jungen Leuten war es so wie damals überall - man tat, was einem gesagt wurde.” Das Happy End bringt Eigenheim, Fernseher und Pauschalreise. Die Abenteuer erleben immer die Nachbarn: „Nach mehreren Umzügen landeten die Mays in London, wo sie eine Pension kauften. Barney wurde von einem seiner Gäste erschossen und Ena schwer verletzt.”
Fußnoten der Erinnerung
In den seltensten Momenten schwappt einmal kurz das tobende Leben über den Gartenzaun: „An einem denkwürdigen Tag hing sogar mal Damenwäsche mit Rosenmuster in unserer Hecke.” Selbst in solchen heißen Momenten gilt Itas Interesse vor allem dem Stoffmuster. Röslein, Röslein auf der Heide, manche schickst du ins Eros-, andere ins Garten-Center. Als suchte Doyle verzweifelt ein wirksames Gegengift zu diesem Dokument des faden Lebens, streut er Fußnote um Fußnote in die Erinnerungen seiner Eltern ein, als müsste er die Schriftrollen von Qumran annotieren.
Ein Gemeinplatz besagt, die interessantesten Geschichten schreibe das Leben selbst. Doch in Wahrheit ist das Leben ein hundsmiserabler Autor. Zu 99 Prozent schreibt es für die Schublade. Diese irische Lebensgeschichte gehört dazu. Es hätte schon eines sehr begabten Autors bedurft, dieses zähe Rohmaterial zu einem lesenswerten Buch zu formen.
STEPHAN MAUS
RODDY DOYLE: Rory & Ita. Eine irische Geschichte. Carl Hanser Verlag, München Wien 2005, 316 Seiten, 21,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

So deutlich vernehmbar wie Stephan Maus, hat lange kein Rezensent gegähnt. Die Lebensgeschichte, die er unter die Augen bekommt, wirkt dermaßen einschläfernd, dass er ganz fiese Vergleiche anstellt: Was jeder x-beliebige Spießer beim Bier in seinem "Baumarkt-Gartenhäuschen" zu erzählen hat, meint Maus, könne auch nicht langweiliger sein als die "irische Geschichte" der Eltern Doyle. Dass das Leben unter Umständen nicht mehr hergibt, ist das Eine, dass jemand mit so wenig Fantasie wie die Doyles allerdings eine ganze Chronik füllen muss, kann Maus nicht begreifen. Die bei Maus durchaus vorhandene Sehnsucht nach Geschichten aus dem irischen Leben, bleibt jedenfalls schreiend ungestillt. Da helfen auch Roddy Doyles Fußnotenkünste nichts.

© Perlentaucher Medien GmbH