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Jugoslawien, Afghanistan, Irak: Wir sind dabei, uns an den Krieg zu gewöhnen, und ständig entstehen auf der Welt neue Konflikte, denen meist mit Gewalt entgegnet wird. Jonathan Schell, der mit dem "Schicksal der Erde" seinerzeit ein Gründungsmanifest aller ökologischen Politik vorgelegt hat, widerspricht dieser Scheinlogik der Gewalt und zeigt, dass Freiheit und Demokratie in den vergangenen Jahrzehnten immer gewaltfrei erkämpft wurden.

Produktbeschreibung
Jugoslawien, Afghanistan, Irak: Wir sind dabei, uns an den Krieg zu gewöhnen, und ständig entstehen auf der Welt neue Konflikte, denen meist mit Gewalt entgegnet wird. Jonathan Schell, der mit dem "Schicksal der Erde" seinerzeit ein Gründungsmanifest aller ökologischen Politik vorgelegt hat, widerspricht dieser Scheinlogik der Gewalt und zeigt, dass Freiheit und Demokratie in den vergangenen Jahrzehnten immer gewaltfrei erkämpft wurden.
Autorenporträt
Hainer Kober, Jahrgang 1942, studierte Germanistik und Romanistik und übersetzt seit 1972 wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Literatur mehrerer Fachrichtungen und Belletristik aus dem Englischen und Französischen, u.a.: Stephen Hawking, Brian Greene, Antonio Damasio und Oliver Sacks.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2004

Nur Kooperationsmacht
Jonathan Schell hofft auf den Zorn der Staatengemeinschaft

Jonathan Schell: Die Politik des Friedens. Macht, Gewaltlosigkeit und die Interessen der Völker. Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2004. 412 Seiten, 25,90 [Euro].

In einer Welt voll Gewalt und Schrecken nach einem Ausweg aus der "Logik der Gewalt" zu suchen ist ein sympathisches Unterfangen. Jonathan Schell, Publizist und Lehrbeauftragter an renommierten amerikanischen Universitäten, hat schon während des Ost-West-Konflikts leidenschaftlich die Gefahren des nuklearen Untergangs beschworen und für die Abschaffung der Nuklearwaffen "als Weg aus der atomaren Bedrohung" plädiert. Jetzt hat er seine Argumente im Lichte der neuesten Entwicklung aufgegriffen und aktualisiert.

Weil die Massenvernichtungswaffen nicht mehr als Instrumente der Konfliktentscheidung brauchbar seien, sei die "uralte Verknüpfung von Politik und Gewalt" heute in Frage gestellt. Auf allen Ebenen der Politik könnten Formen gewaltfreien Handelns die Gewalt wirksam ersetzen. Gandhis Widerstand gegen das britische Empire, Martin Luther Kings Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika und die gewaltfreien Bewegungen in Osteuropa und Rußland hätten dies gezeigt. Nach dem 11. September müsse sich "die Welt" entscheiden zwischen gewaltsamen und friedlichen Mitteln zur Friedenssicherung, zwischen "Zwangsmacht" und "Kooperationsmacht", zwischen amerikanischem Weltreich oder dem "kooperativen Weg". Die Logik der Abschaffung der Massenvernichtungswaffen sei die einzig realistische Alternative zur Logik des Reiches. Dabei heißt Kooperationsmacht keineswegs kooperative Balance oder kooperatives Gleichgewicht zwischen Großmächten, und die "kooperativen Strukturen", die anzustreben seien, sind ausdrücklich nicht als Großmächtekonfigurationen konzipiert. Vielmehr wird Kooperationsmacht - in Anlehnung an Hannah Arendt - als die menschliche Fähigkeit verstanden, sich zusammenzuschließen und einvernehmlich zu handeln - "die Macht, die aufsteigt aus Konsens, Unterstützung und gewaltfreiem Handeln der Menschen" und deren Losungsworte "Liebe und Freiheit" sind.

Die Ausbreitung der Demokratie und die mannigfachen Ansätze einer "internationalen Zivilgesellschaft" sind entscheidende Etappen auf diesem Weg - auch die "feministische Revolution" (weil organisierte Gewalt historisch untrennbar verbunden sei mit den Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften des Mannes, während "genauso offenkundig" sei, daß die Betätigungsfelder der Frauen traditionell friedlicher seien). Auf der Ebene der internationalen Politik sind Verhandlungen über Verträge und über Institutionen gegen den Krieg und für die Kooperation die zentralen Programmpunkte. Der kooperative Weg mündet schließlich in die Schaffung eines "demokratischen Bundes" - "die Vision einer internationalen Gemeinschaft, die grundsätzlich auf Konsens und auf die daraus erwachsende Kooperationsmacht baut, sich aber trotzdem das Recht vorbehält, unter bestimmten und begrenzten Umständen Gewalt anzuwenden". Diese Einschränkung resultiert aus der Notwendigkeit, in Fällen des Verstoßes gegen Vereinbarungen - insbesondere gegen die Abschaffung der Nuklearwaffen - bereits im Frühstadium die Durchsetzung zu gewährleisten beziehungsweise durch Androhung vom Versuch eines Verstoßes abzuschrecken. So kommt letztlich die "Logik des Friedens" doch nicht ganz ohne Zwangsgewalt aus.

Ob diese "Logik" schlüssig und überzeugend ist, sei dem Urteil des Lesers überlassen. Lediglich auf zwei zentrale Aspekte sei aufmerksam gemacht. Es ist bezeichnend, daß die Argumentation dieses Buches von einem dezidierten Voluntarismus getragen wird: Entscheidend sei der "ehrliche Wille", der Gewalt "abzuschwören", und "der unbedingte Wille", das Ziel der Abschaffung der Nuklearwaffen zu erreichen. Hat nicht schon der Schüler und Kritiker Kants, Friedrich Gentz, eingewandt, daß ein Bund der republikanischen Staaten zur Schaffung des "ewigen Friedens", wenn er "vom bloßen Willen ihrer Mitglieder abhängt", auf "Sand gebaut" ist? Und Kant selbst sah doch für seinen Friedensbund das Prinzip des Gleichgewichts, das von Schell verworfen wird, als essentiell an.

Schließlich ist es erstaunlich, mit welchem Optimismus Schell meint, daß Verstöße gegen internationale Abkommen über die Abschaffung von Nuklearwaffen in ihren Anfängen entdeckt werden; daß solche Abkommen hinreichend kontrolliert und durchgesetzt werden - unter Androhung oder Einsatz von Gewalt. Abgesehen davon, daß dadurch die Logik der Gewaltlosigkeit durchbrochen wird: Wer soll entscheiden und handeln beziehungsweise dazu bereit und fähig sein? Schell antwortet: die Staatengemeinschaft. Sie wird geheime Atomprogramme "relativ leicht" entdecken, sich dem Diktat des Betrügers nicht ängstlich fügen; und der vertragsbrüchige Staat wird "den Zorn der Staatengemeinschaft" fürchten. Ja, die Staatengemeinschaft hätte sogar das Recht, die Tauglichkeit eines Staates zur Repräsentation seiner Bürger zu prüfen. Indes, wie jedermann tagtäglich vor Augen geführt wird, gibt es diese Staatengemeinschaft realiter nicht, schon gar nicht als Akteur; sie ist eine Fiktion. Eine "Logik des Friedens", die mit einer Fiktion arbeitet, ist schon allein deshalb unrealistisch.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Herfried Münkler ist skeptisch, auch wenn er Jonathan Schells Gedanken zur Sicherung des Weltfriedens durchaus zu schätzen weiß. Die Politik der gegenseitigen nuklearen Abschreckung funktioniert nicht mehr, da es Terroristen gibt, die nicht territorial angreifbar sind. Andererseits führt eine "Politik der Nonproliferation", geführt von den fünf Atommächten gegen Staaten, die im Verdacht der Atomwaffenproduktion stehen, zu rechtlich nicht abgesicherten Militärschlägen und zu "verheerender Instabilität". So weit, so schlecht, doch was ist der Ausweg? Schell schlägt eine "nukleare Selbstentwaffnung" der Fünf vor, um damit den Anreiz zum Besitz von Atomwaffen zu beseitigen und mehr kollektive Sicherheit zu erreichen. Gute Idee, meint Münkler - doch in wem findet das um Sicherheit bedachte Kollektiv einen Anwalt gegen die "partikularen Interessen mächtiger Akteure"? Wie verhindert man, dass nicht einer gegen die Abmachung der parallelen Senkung des Waffenpotentials verstößt und plötzlich mehr als alle anderen auf die Waage bringt? Und vor allem: Wer soll diesen Akteur dann zur Verantwortung ziehen? "Diese Position", schreibt Münkler, "bleibt bei Schell unbesetzt". Und deshalb wird sein Buch vom Rezensenten als Streitschrift gelobt, als Programm eines neuen politischen Rationalismus jedoch in Frage gestellt.

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"Der amerikanische Publizist Schell plädiert für eine globale Sicherheitsarchitektur."
Herfried Münkler, Die Zeit / Literaturbeilage, 25.03.04

"Der Publizist Jonathan Schell zeigt, dass gewaltfreie Kooperationen sinnvoller sind als rohe Gewaltanwengung. [...] Schell kennt sich aus in den komplizierten Fragen von Krieg und Frieden."
Bruno Schoch, Tages-Anzeiger-Zürich, 16.04.04