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Vi Asplund wächst als Tochter eines skurrilen Versicherungsgutachters in einem kleinen Dorf in New Hampshire auf. Große Teile ihrer Kindheit verbringen Vi und ihr Bruder Jens auf Unfallstellen, zu denen ihr Vater sie mitnimmt – zu entgleisten Frachtzügen etwa oder abgebrannten Häusern. Geprägt vom Eindruck allgegenwärtiger Katastrophen flüchtet sich Vi Jahre später zum Secret Service, wo sie als junge Agentin einen nervenzerreißenden Job als Bodyguard des Vizepräsidenten bekommt. Sie bewegt sich fortan in einer künstlichen und abgeschotteten Welt bürokratischer Sicherheit, die alle Risiken von…mehr

Produktbeschreibung
Vi Asplund wächst als Tochter eines skurrilen Versicherungsgutachters in einem kleinen Dorf in New Hampshire auf. Große Teile ihrer Kindheit verbringen Vi und ihr Bruder Jens auf Unfallstellen, zu denen ihr Vater sie mitnimmt – zu entgleisten Frachtzügen etwa oder abgebrannten Häusern.
Geprägt vom Eindruck allgegenwärtiger Katastrophen flüchtet sich Vi Jahre später zum Secret Service, wo sie als junge Agentin einen nervenzerreißenden Job als Bodyguard des Vizepräsidenten bekommt. Sie bewegt sich fortan in einer künstlichen und abgeschotteten Welt bürokratischer Sicherheit, die alle Risiken von vorneherein ausschließen soll – einer Welt, in der das Grundgefühl die Paranoia ist. Doch das wirkliche Leben erweist sich als unberechenbar und bricht mit all seinen Risiken, Unwägbarkeiten und Überraschungen immer wieder mit Macht über Vi und die Menschen, die sie umgeben, herein ...
Autorenporträt
Marc Costello hat bis vor einigen Jahren als Staatsanwalt gearbeitet. Seit dem Erfolg seines ersten Buches widmet er sich vollständig der Schriftstellerei. Der Vater zweier Kinder lebt mit seiner Familie in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2004

Die Wahrheit führt direkt an deinem Haus vorbei
Amerikanisches Gruppenbild mit Agentin: In "Paranoia" probt Mark Costello den Ernstfall / Von Peter Körte

Ein Blurb ist nur ein Blurb, und natürlich haben wir längst gelernt, diesen kleinen Reklametexten prominenter Autoren, die Bücher ihrer Kollegen empfehlen, nicht über den Weg zu trauen. Diesmal haben Jonathan Franzen und David Foster Wallace geliefert, um Mark Costello in der passenden Liga des Literaturbetriebs zu positionieren. Und Jay McInerney zählt Mark Costello zu den "Sons of Don", weil er Don DeLillo für den Autor mit dem größten Einfluß auf die nachfolgende Schriftstellergeneration hält.

In Mark Costellos Roman "Paranoia" geht es um ein Personenschützerteam des Secret Service und um den Vizepräsidenten, es geht um ein Computerspiel, und es geht um ein Amerika, dessen Sicherheitsbedürfnis in seiner tiefen Verunsicherung wurzelt. Es geht um die Berechenbarkeit von Situationen und um die Antizipation von Möglichkeiten, um die Frage, ob nicht gerade der Versuch, Kontingenz durch ein Maximum an Sicherheitsvorkehrungen zu eliminieren, diese maximiert. Im Original heißt der Roman "Big If" - zweifellos ein besserer Titel, weil die Protagonisten eben nicht unter Verfolgungswahn leiden, sondern verzweifelt mit den Konjunktiven kämpfen, aus denen die Zukunft besteht.

Costello, der bis vor einigen Jahren als Staatsanwalt gearbeitet und unter dem Namen John Flood bislang einen Kriminalroman veröffentlicht hat, inszeniert seine Erzählung als Ensemblestück - ein Gruppenbild mit Agentin. Vi Asplund aus New Hampshire gehört zum Team, das den Vizepräsidenten schützt. Ihr Vater war treuer Republikaner und Schadensachverständiger, er strich auf den Dollarnoten das "God" aus "In God we trust" und ersetzte es durch ein "Us". Er war der Experte für Fehlschläge, die zu verhindern Beruf der Tochter ist. Ihre Arbeit hat allerdings wenig mit dem zu tun, was man aus Fernsehen und Kino kennt, wo zumeist Männer wie Clint Eastwood "In the Line of Fire" stehen, Männer, die einen byzantinischen Apparat repräsentieren und die Mission haben, die Welt zu retten, auch wenn diese Welt nur Amerika heißt - aber schließlich heißen ja auch die nationalen Baseballmeisterschaften "World Series". Vi und ihre Kollegen warten, schauen und rechnen mit dem Unberechenbaren.

Costello entwickelt die Konstellation seiner Figuren dabei mit unterschiedlicher Finesse. Mal geht die eine ganz zwanglos aus dem Umfeld der anderen hervor, dann muß er wieder neu ansetzen und aus dem Nichts einen Charakter einführen, um ihn später wieder aus den Augen zu verlieren. Weil Vi die ersten und die letzten Seiten dominiert, ähnelt sie noch am ehesten einer Hauptfigur. Doch die privaten und beruflichen Existenzen eines halben Dutzends weiterer Personenschützer und ihrer Familien erzeugen immer neue Verzweigungen, denen Costello hingebungsvoll nachgeht, bis sie versickern.

Das gilt leider auch für die beiden interessantesten Charaktere. Vis Bruder Jens arbeitet an einem internetbasierten Multiplayer-Spiel. Er hat den Code für "BigIf" geschrieben, die Algorithmen für eine postapokalyptische Landschaft, in der sich Monster namens "Hamsterman" oder "Farty Pup" tummeln, in der Spieler sterben, sich zusammenrotten und gen Westen ziehen, in der Warlords und Plünderer regieren, als wär's ein Stück aus der Dritten Welt.

Lloyd Felker ist das Genie des Secret Service. Er hat die Bibel der "57 Gewißheiten" für den Personenschutz verfaßt, und er schreibt - was tatsächlich ein wenig an DeLillo erinnert - Pläne, wie man den Präsidenten ermorden könnte, um die Gegenmaßnahmen zu stimulieren. Felker ist der Vater des "Dome", jenes Sicherheitsbereichs für Politiker, dessen konzentrischer Aufbau nicht nur Vi an eine Zielscheibe erinnert. Doch Felker verschwindet spurlos bei einem Einsatz, nachdem er die Theorie gegen die Praxis eingetauscht hat, und Jens verblaßt, weil Costello sich weniger für die Durchlässigkeit zwischen spielerischer Simulation und simulierter Realität interessiert als für die verschlungenen Wege seiner vielen Protagonisten.

Der Roman geht daher rasch in die Breite. Er ist ausladend, detailreich und voller randscharfer Alltagsbeobachtungen, die sich zu einem Mosaik aus Americana zusammenfügen: von Supermarkteinkauf und alleinerziehenden Müttern über Ehebruch und Wahlkampf zu Immobilienmakleralltag und Reagan-Nostalgie. Doch Costello ist zugleich ein Versagungskünstler. Man wartet, daß die verschiedenen Fäden der Erzählung straffer verknüpft werden oder daß sich an den Schnittpunkten Spannungen entladen - vergeblich. Vielleicht liegt das daran, daß man zu sehr auf Plots fixiert ist, wobei Plot ja nicht nur Handlung, sondern eben auch Verschwörung bedeuten kann. Genau mit dieser Doppelbedeutung spielt das Buch, indem es immer wieder Erwartungen weckt, die es ins Leere laufen läßt, indem es Gefahrenkulissen entwirft, die nie mehr als ein trompe-l'oeil sind. Das ist kein schlechter Trick, und als Mittel gegen die gutgeölten Serienkiller- oder Geheimdienstplots amerikanischer Starautoren ist es eine Zeitlang sogar eine ebenso intelligente wie unterhaltsame Strategie. Irgendwann jedoch wird diese Strategie zum Selbstzweck, und man muß Costellos Schlußpointe gar nicht verraten, um sie als ziemlich bemüht zu empfinden.

Der Mangel an Plot wird in "Paranoia" zum Mangel an erzählerischem Schwung, weil man irgendwann durchschaut hat, daß hier einer nicht schwer entzifferbare Spuren auslegt, sondern jede neue Abschweifung nur eine Abschweifung ist. In einer merkwürdigen erzählerischen Kompensationsleistung sind dafür einzelne Szenen grotesk überladen. Wenn Felker seinen Bungalow in den Maisfeldern räumen muß, wenn andere Agenten seine geheimen Unterlagen verbrennen und seinen Computer zertrampeln, reicht Costello das noch nicht. Die Agenten müssen nicht nur "wie Sizilianer bei der Weinherstellung" auf den Trümmern herumhopsen, nein: "Felker hielt ihre Jacketts, sah ungerührt zu und aß einen gerösteten Maiskolben, den er aus dem Dreck gerettet hatte." Dieser Overkill infiziert bisweilen auch einzelne Sätze. Costello hat ein Faible für zitierfähige markige Sprüche, das mitunter an Raymond Chandler erinnert. Beim ersten Lesen klingen sie grandios, um beim zweiten Hinsehen gar keinen Sinn mehr zu machen. Denn was soll man sich unter einem innerstädtischen Getto vorstellen, "wo die Wahrheit einer Buslinie glich, die direkt an deinem Haus vorbeiführte"?

So wird "Paranoia" mit jeder weiteren Seite zum systematischen Enttäuschungsprogramm. Der Code der vielen "WENN-Verzweigungen", den Jens schreibt, die "SOLANGE-Schleifen", die in Unterprogramme oder Unter-Unterprogramme führen, das "Labyrinth logischer Gatter", welches der verstorbene Vater von Jens nicht nur als "unmoralisch", sondern als "amoralisch" bezeichnet hat, dieser Code hat letztlich auch das Buch generiert. Es ist mehr von der Schönheit seiner eigenen Struktur besessen, als es all den Geschichten guttut, die sich in dieser Struktur anordnen sollen. Und so geht es dem Roman am Ende wie Felker, der vor dem Einbruch der Kontingenz in sein System kapitulieren muß: "Sein Wissen über den Dome war eine Schwäche des Dome. Was bedeutete, daß Felker, als Vater dieses optimalen Sicherheitsbereichs, von seiner eigenen Schöpfung verschlungen worden war."

Mark Costello: "Paranoia". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Hans M. Herzog. Goldmann Verlag, München 2004. 432 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Unzufrieden ist Peter Körte mit diesem Roman über ein Personenschützerteam des Secret Service. Zwar findet er das Buch detailreich und voller randscharfer Beobachtungen, die sich für ihn zu einem Mosaik von Americana zusammenfügen. Doch die geschilderten privaten und berufliches Existenzen der sechs, um die Agentin Vi Asplung gruppierten Personenschützer samt Familien versickert, ohne dass die verschiedenen Fäden der Erzählung je wirklich verknüpft werden, bedauert Körte. Der Mangel an Plot wird für den Rezensenten schließlich zu einem Mangel an erzählerischem Schwung, weil er bald durchschaut hat, dass der Autor "nicht schwer entzifferbare Spuren auslegt", und "jede neue Abschweifung nur eine Abschweifung ist". Dafür findet der Rezensent "in einer merkwürdigen erzählerischen Kompensationsleistung" einzelne Szenen grotesk überladen und auch die Schlusspointe ziemlich bemüht. So wird für Körte der Roman, trotz zitierfähiger, markiger Sprüche (die ihn gelegentlich an Chandler erinnern), beim Lesen mit jeder Seite mehr zum "systematischen Enttäuschungsprogramm".

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Wie jeder Schriftsteller von hohem Rang steckt Mark Costello ein neues Gebiet ab, das durch seine Originalität und Lebendigkeit überrascht. Jede Seite dieses Romans vibriert vor Intelligenz, Witz und Insiderwissen - während Costello mit sicherer Hand die Unsicherheiten unserer Zeit einfängt." (Jonathan Franzen)
"'Paranoia' ist ein gutes Buch. Ein sehr gutes sogar, weil Costello witzig, mit viel Tempo, Spannung und in unglaublichen Wendungen erzählen kann, vor allem aber, weil er mit seinen Themen nah an der zeit ist. (...) Costellos Roman ergibt nicht weniger als eine große amerikanische Geschichte der Neuzeit." (Neue Ruhr Zeitung)
"Es ist der aktuellste Roman, der mir seit langer Zeit unter die Finger gekommen ist. Mark Costello beschreibt in 'Paranoia' den Zustand der amerikanischen Gesellschaft und damit vermutlich unseren eigenen in zehn Jahren. Fast ohne Pathos, klug, scharf beobachtet und verzweifelt." (Hamburger Abendblatt)